Epstein vorschnell von der Selbstmord-Beobachtungsliste genommen? – Vorwürfe gegen Haftanstalt
US-Generalstaatsanwalt William Barr hat in einer Erklärung am Samstag (10.8.) angekündigt, die Todesumstände des bekannten Investors Jeffrey Epstein untersuchen zu lassen, der an jenem Tag leblos in seiner Zelle im Metropolitan Correctional Center in Manhattan aufgefunden wurde. Epstein soll sich erhängt haben, lassen erste Medien verlauten.
Verstoß gegen das Gefängnisprotokoll?
Epstein saß in Haft, nachdem er im Juli unter dem Verdacht des organisierten sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen am Flughafen Teterboro festgenommen worden war. Bis dato gehen die Behörden von einem Selbstmord aus. Gerade dies nährt nun jedoch Spekulationen, da Epstein seit einem mutmaßlichen ersten Selbstmordversuch am 23. Juli unter besonderer Beobachtung stand. In der Erklärung Barrs hieß es:
„Ich bin entsetzt über die Nachricht, dass Jeffrey Epstein heute Morgen offenbar infolge eines Selbstmordes tot aufgefunden wurde, während er sich in Bundesgewahrsam befand. […] Epsteins Tod wirft ernste Fragen auf, die beantwortet werden müssen.“
Auch eine erste Leichenschau durch die Gerichtsmedizin für New York City konnte noch keine endgültigen Antworten liefern. Von dort hieß es, um die Frage nach der Todesursache endgültig klären zu können, müssten „derzeit weitere Informationen eingeholt werden“. Gerichtsmedizinerin Barbara Sampson spricht von einem „Routinevorgang“ und verwies für weitere Anfragen auf ihr Büro.
Unterdessen mehren sich erste Hinweise, wonach das Wachpersonal in der Einrichtung grundlegende Sicherheitsvorkehrungen außer Acht gelassen haben könnte, die im Zusammenhang mit selbstmordgefährdeten Häftlingen vorgeschrieben sind. Darüber berichtet unter anderem die „New York Times“ – allerdings unter Berufung auf anonyme Quellen.
So soll die vorgeschriebene Routine, maximal alle 30 Minuten die Situation des Häftlings zu checken, nicht eingehalten worden sein. Außerdem habe man ihn kürzlich von einem Mithäftling getrennt, der mit ihm untergebracht worden war, nachdem Epstein bereits am 23. Juli mit Striemen am Hals aufgefunden worden war, die auf einen Versuch hindeuteten, sich zu erhängen. Diese Vorgehensweise habe, so die anonymen Quellen, gegen das Gefängnisprotokoll verstoßen.
Übermüdete Wachen, schlampige Beobachtung
Die Leitung der Einrichtung soll Epstein einige Tage später wieder von der „Suicide Watch“ genommen und dem Justizministerium in Aussicht gestellt haben, alle 30 Minuten nach dem Gefangenen zu sehen. Auch „Associated Press“ (AP) berichtet, zum Zeitpunkt seines mutmaßlichen Selbstmordes habe Epstein nicht mehr auf der „Suicide Watch“-Liste gestanden.
Zudem seien laut New York Times zwei Wachen eingeteilt gewesen, die bereits den fünften Tag hintereinander Überstunden geschoben hätten.
Das Portal „TMZ“ wiederum berichtet, dass Kameras, die in der Einrichtung angebracht seien, nicht in das Innere der Zellen ausgerichtet wären, sondern lediglich aufzeichneten, wer die Zelle betrete und wer sie wieder verlasse.
Im kommenden Jahr hätte der Prozess gegen Epstein stattfinden sollen. Eine Freilassung des 66-Jährigen, der beschuldigt wurde, in den Jahren 2001 bis 2005 einen regelrechten Strukturvertrieb zum Missbrauch hauptsächlich minderjähriger Mädchen aufgebaut zu haben, auf Kaution lehnte das zuständige Gericht ab. Andere Quellen nennen gar 1997 bis 2006 als Begehungszeitraum. Epstein soll dazu unter anderem eine eigene Insel genutzt haben, die in seinem Eigentum steht.
Dem Investor drohen bis zu 45 Jahre Haft. Besondere Brisanz erlangt das Thema dadurch, dass Epstein über Jahre hinweg enge Kontakte zu Angehörigen der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Elite der USA und anderer Länder gepflegt hatte. Dazu gehörten auch Ex-Präsident Bill Clinton und Mitglieder des britischen Königshauses.
„Unmöglich, sich in einer solchen Zelle zu erhängen“
Ein Sprecher Clintons erklärte bereits im Juli, wenige Tage nach Epsteins Verhaftung, der frühere Präsident wäre nie auf Epsteins Insel Little St. James, auf dessen Ranch in New Mexico oder auf dessen Grundstück in Florida gewesen, die der Millionär für seine kriminellen Aktivitäten genutzt haben soll. In New Mexiko plante Epstein dem „Telegraph“ zufolge, hunderte junger Frauen zu schwängern, um „den menschlichen Genpool zu verbessern“.
Demgegenüber präsentierte „Fox News“ bereits im Jahr 2016 Logbücher von Epsteins Privatjet, aus denen hervorgehen soll, dass Bill Clinton mindestens 26 Mal im „Lolita Express“ mitgeflogen sei – zu Zielen wie Hongkong, Japan, Singapur, China, Brunei, London, New York, Russland, Belgien, Norwegen und Afrika. In einigen Fällen soll dabei kein Personenschützer ihn begleitet haben.
In der „New York Post“ zog demgegenüber ein selbst über mehrere Monate im Metropolitan Correction Center inhaftierter Ex-Insasse Darstellungen in Zweifel, wonach Epstein sich erhängt haben könnte.
„Auf keinerlei Weise hätte sich dieser Mann selbst töten können“, äußerte der frühere Häftling. „Ich habe zu lange Zeit in diesen Einrichtungen verbracht. Es ist einfach unmöglich. Zwischen dem Boden und der Decke sind es acht bis neun Fuß [zwischen 2,4 und 2,7 Meter; d. Red.]. Da gibt es nichts, an das man herankommen könnte.“
Die Bettlaken für die Insassen seien „wie Papier“ und eigneten sich nicht, um daraus einen behelfsmäßigen Strick zu formen. Zudem könnten sie den mehr als 80 Kilogramm schweren Epstein nicht tragen.
„Zustände wie im Iran oder in Russland“
Auch vom Bett aus wäre ein Erhängen nicht möglich gewesen, meint die Quelle der New York Post. „Es gibt einen Stahlrahmen, aber der lässt sich nicht bewegen. Es gibt keinen Lampenschirm. Es gibt keine Gitterstäbe.“ Zudem achteten die Wärter darauf, dass die Insassen keine Gegenstände bei sich hätten, aus denen es möglich wäre, sich etwas zu basteln, womit sie sich töten könnten.
Allerdings sei die Motivation, sich selbst das Leben zu nehmen, in der Einrichtung hoch, erklärt der Ex-Insasse weiter. „Ich habe meinen Eltern gesagt, sie sollten nicht hierherkommen. Gott war nicht in diesem Gebäude. Es ist eher, als wäre man ein Tier, das auf den Transport zum Schlachthof warte.“
Auch bekannte Ex-Insassen wie der Drogenboss „El Chapo“ Guzman hatten sich über die Haftbedingungen der Haftanstalt in Manhattan beschwert. Die Rede war von nicht sauberem Wasser, Isolation, keinem Sonnenlicht, nur künstlicher Belüftung und umfangreichen Sprechverboten über die Haftbedingungen – die auch für Anwälte gälten. Jeanne Theohari, eine Politikwissenschaftlerin vom Brooklyn College, verglich die Verhältnisse mit solchen in Gefängnissen im Iran oder in Russland.
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