Energiewende aus französischer Sicht: „Alternative Energien sind versteckte fossile Energien“

Franzosen wissen, dass Wind- und Sonnenenergie nur zeitweise zur Verfügung stehen und dass sie, um eine kontinuierliche Stromversorgung zu erreichen, zu 75 Prozent der Zeit auf die Existenz von „doppelten Strukturen“ aus Gas oder Kohle angewiesen sind. Es „wurde viel Schaden angerichtet“, sagt Loïk Le Floch-Prigent, Unternehmer in der mechanischen und metallverarbeitenden Industrie.
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Arbeiter am 5. Januar 2023 in Saint-Paul-les-Durance, Südfrankreich, vor einem Teil des Solenoid-Herzstücks des internationalen Kernfusionsprojekts Iter.Foto: NICOLAS TUCAT/AFP via Getty Images
Von 7. Februar 2023

Deutschland und Frankreich sind im Energiesektor stark miteinander vernetzt. Bei Strommangellagen wird Strom entsprechend aus dem Nachbarland importiert oder exportiert. Auch Frankreich soll nach den Wünschen der EU zu erneuerbaren Energien übergehen.

Loïk Le Floch-Prigent, Industrieller in der Bretagne, nennt diese Vorgaben „dumm“ und erachtet sie für sein Land als nicht sinnvoll. Frankreich müsste Politik für sein Land betreiben, und dass sei nicht die Politik von Windparks auf See. Mit dem Import von Technologien wie Solar- und Windkraft würde Frankreich in eine neue Abhängigkeit gezwungen – und das sei inakzeptabel.

Epoch Times Frankreich sprach mit Loïk Le Floch-Prigent. Er war CEO von Großunternehmen wie GDF und Elf Aquitaine. Aktuell leitet er mehrere mittelständische Unternehmen im Bereich der „klassischen“ bodenständigen, mechanischen und metallverarbeitenden Industrie. Zudem hat er mehrere Bücher geschrieben und ist Präsident der Industriesparte der Ethischen Arbeiterbewegung „le mouvement qui n’a peur de rien“ (Die Bewegung, die vor nichts Angst hat). Floch-Prigent schreibt unter anderem regelmäßig für die Website „Atlantico.fr“. In seinem Blog „loikleflochprigent.fr“ berichtet er jede Woche über aktuelle Ereignisse in der Industrie und im Energiesektor.

Guten Tag, Herr Loïk Le Floch-Prigent, müssen wir angesichts der steigenden Energiepreise und des Zustands der französischen Kernkraftwerke mit einem Energiecrash im Jahr 2023 rechnen? Wie ist der Zustand der französischen Energieindustrie zu Beginn des Jahres 2023?

Wir wollen in unserem Land seit mehreren Jahrzehnten einerseits unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beseitigen als auch andererseits die Stromerzeugung aus Kern- und Wasserkraft im Hinblick auf andere Kriterien verändern. Das Ergebnis sehen wir jetzt: Die Situation mit reichlich vorhandener, billiger und unabhängiger Energie hat sich dahin gehend geändert, dass wir das Risiko von Engpässen haben und eine Explosion der Preise, die von allen Verbrauchern zu zahlen ist. Aber es sind vor allem die „energieintensiven“ Industrie- und Handwerksbetriebe, deren Energierechnungen in die Höhe schnellen und um das 3-, 4-, 5- und bis zu 10-fache des vorherigen Preises steigen.

Wir sind Öl- und Gasimporteure, verfügen über Raffinerien, Gasspeicher und Gasterminals zur Rückgewinnung von Flüssigerdgas sowie über Lager für Erdölprodukte. Wir haben in den letzten Jahren viele Raffinerien geschlossen und unsere Ölprodukte stammen zum Teil aus ausländischen Raffinerien. Was die Stromversorgung betrifft, so konnten wir bis zu 85 Prozent unseres Verbrauchs durch Kern- und Wasserkraft decken, während der Rest bei Spitzenbedarf aus Kohle, Gas und Heizöl stammte. Dies ermöglichte es uns auch, Strom an unsere europäischen Nachbarn zu exportieren.

Im Jahr 2012 beschlossen wir, unser Nuklearpotenzial von 75 auf 50 Prozent zu reduzieren – zunächst bis 2030. Das wurde dann auf 2035 verschoben. Zur gleichen Zeit beschlossen wir, Kohle- und Ölkraftwerke zu schließen und eine Politik des Stromsparens zu betreiben. Gleichzeitig wollten wir Verbrennungsfahrzeuge zugunsten von Elektrofahrzeugen eliminieren und Öl- und Gasheizungen durch elektrische Wärmepumpen ersetzen.

Anlässlich der von den europäischen Staatschefs beschlossenen Sanktionen gegen Russland hat die Bevölkerung endlich begriffen, dass Wind- und Sonnenenergie nur zeitweise zur Verfügung stehen und dass sie, um eine kontinuierliche Stromversorgung zu erreichen, zu 75 Prozent der Zeit auf die Existenz von „doppelten Strukturen“ aus Gas oder Kohle angewiesen sind! Alternative Energien sind also bisher versteckte fossile Energien.

Doch in den letzten zehn Jahren wurde viel Schaden angerichtet. Es kam zur Schließung von Fessenheim und Astrid – einem Pilotprojekt zur Erforschung von schnellen Neutronenreaktoren, einer neuen Generation von Kraftwerken, die Abfälle nutzen. Die Reaktoren wurden nur notdürftig gewartet, auf Neueinstellungen wurde verzichtet. Der Nuklearsektor hält sich noch tapfer, ist aber durch die politischen und administrativen Entscheidungen angeschlagen.

Glücklicherweise konnte durch Programme im Ausland ein Großteil der Kompetenz erhalten werden. Aber wir müssen das Vertrauen in die Zukunft wieder aufbauen und vor allem die Normen und Vorschriften für die Kernenergie ändern, um entweder die internationalen Regeln unserer gesamten Konkurrenz zu übernehmen oder unsere Standards durchzusetzen. Aber wir können nicht weiter innerhalb von fünf Jahren ein Werk in China bauen und sagen, dass wir für die gleiche Größe fünfzehn Jahre in Frankreich brauchen.

Für 2023 muss unser Kraftwerkspark voll ausgelastet sein und wir müssen wieder alles öffnen, was möglich ist – Kohle, Gas, Heizöl, Kernkraft. Dafür ist es zwingend erforderlich, das geltende Recht zu ändern und internationalen Vorschriften nachzukommen, nicht mehr nicht weniger.

Doch während wir das Problem der Knappheit und das unserer nationalen Kosten leicht lösen können, ist der auf europäischer Ebene geschaffene künstliche Strommarkt ein Handicap, in dem unsere spanischen und portugiesischen Nachbarn vorangegangen sind. Wir hatten diese Voraussicht nicht und kaufen nun elektrische Energie zu unmöglichen Preisen ein, obwohl wir sie zu niedrigen Kosten produzieren! Um einen Energiecrash zu vermeiden, der Industrie und Handwerk zerstört, müssen wir also sofort aus diesem Markt aussteigen, der nur Trittbrettfahrer auf unsere Kosten ernährt.

Die Energierechnungen der Bäcker explodieren. Ist der Staat der Problematik gewachsen und ist das Prinzip der Beihilfen eine angemessene Antwort?

Bei allen energieintensiven Handwerks- und Industriebetrieben sind die Rechnungen in die Höhe geschnellt, nicht nur bei Bäckereien. Aber die Auswirkungen sind geringer als bei denen, die heizen oder kühlen müssen. Anstatt das Problem des künstlichen Preises, der sich aus dem falschen Strommarkt ergibt, anzugehen, versucht die Regierung, mit Hilfen, Subventionen und Schecks Schutzschilde zu errichten, wobei sie auf einen Berufsstand abzielt, der unmittelbar und symbolisch leidet, nämlich die Bäcker. Dasselbe gilt aber auch für Metzger, für die Kühlbranche, für Gießereien und so weiter.

Industrielle und Handwerker sind keine Bettler, die an die Tür klopfen müssen, um „Hilfen“ zu erhalten. Sie zahlen Steuern, sind also an den nationalen Infrastrukturprogrammen für Kraftwerke beteiligt – die Energiekosten sind dort niedrig, also müssen sie davon profitieren. Die Kosten für Gas sind gestiegen, aber für 85 Prozent der elektrischen Energie, Kern- und Wasserkraft sind sie gleich geblieben. Es ist der Strommarkt, der Preise geschaffen hat, die nichts mehr mit den Kosten zu tun haben!

Sie sagten kürzlich, dass „die Tatsache, dass wir Energie aus Kernkraft zu 40 Euro erzeugen, sie zu 42 Euro verkaufen und dann am 21. Juli zu 397 Euro zurückkaufen, alle Franzosen dazu bringen sollte, sich Fragen zu stellen.“ Warum müssen die Franzosen für eine Energie zahlen, die im Vergleich zu ihren tatsächlichen Produktionskosten so teuer ist?

Elektrizität ist ein besonderes Produkt – sobald ein Elektron produziert wird, muss es verbraucht werden. Es gibt eine Instanz, die zu jedem Zeitpunkt Produktion und Verbrauch aufeinander abstimmt und ein flexibles Produktionszentrum wie ein Wasser- oder Gaskraftwerk „anruft“. Es wurde ein Markt mit einem Großhandelsmarkt und einem Terminmarkt geschaffen. EDF [Électricité de France SA, zweitgrößter Stromerzeuger weltweit und börsennotiert, gehört zu 80 Prozent dem Staat; Anm. d. Red.] muss also über x Monate hinweg Strom verkaufen, der nicht speicherbar ist.

Die Europäische Kommission hat gefordert, dass EDF 25 Prozent ihres Atomstroms zu einem „kostendeckenden“ Preis von 42 Euro pro MWh (Megawattstunde) verkauft, damit die Trittbrettfahrer, die „Lieferanten“ genannt werden, sie an die „Kunden“ weiterverkaufen können. Wenn jedoch einige Kraftwerke gewartet werden, was im Juli der Fall war, musste EDF seine Energie teilweise zu 397 Euro pro MWh zurückkaufen, um den Lieferanten zufriedenzustellen. Ich prangere die Absurdität eines Systems an, das sich von der physikalischen Realität entfernt und das ich als künstlich bezeichne.

Es ist bekannt, dass die „Lieferanten“ nur Spekulanten sind, sie produzieren nicht, transportieren nicht, verteilen nicht. Die „Aufsichtsbehörden“ dieses verkorksten Systems übrigens auch nicht. Es ist Aufgabe der öffentlichen Hand, die Bevölkerung zu informieren.

Die Verlierer sind sowohl EDF als auch die französischen Verbraucher, und die Schuldigen sind der Strommarkt und das ARENH. Der Strom wird zu einem Freundschaftspreis an die Versorger abgegeben. [Anm. d. Red: ARENH steht für Accès Régulé à l’Electricité Nucléaire Historique. Gemeint ist ein geregelter Zugang zu historisch nuklearer Energie. ARENH ist ein Marktmechanismus, der „nicht-historischen-Energieerzeugern“ (sprich die Erneuerbaren) ermöglicht, sich am Strommarkt zu beteiligen.]

Welche politischen und strategischen Entscheidungen wurden getroffen, um diesen Verlust der französischen Energiesouveränität zu erreichen?

Wir haben unsere Stärken im Energiebereich systematisch bekämpft. Wir hatten einen effizienten und erfolgreichen öffentlichen Sektor und haben zugelassen, dass er von Ideologen zerschlagen und ausverkauft wird, während uns technische Entscheidungen aufgezwungen wurden, die unseren nationalen Interessen zuwiderlaufen.

Der skandalöseste Fall ist die schrittweise Vernichtung eines der schönsten französischen Unternehmen – EDF – und seiner Atom- und Wasserkraftsektoren, die es zu einem weltweit führenden Unternehmen machten. Die Regeln der Europäischen Kommission – die leider von vielen der nationalen Eliten unterstützt wurden – ermöglichten die Aufspaltung von EDF in drei Unternehmen.

Sie führten zum Stopp von Investitionen in die Kernenergie und zur Unterstützung von Solar- und Windkraftanlagen, die im französischen Fall nutzlos, teuer und mit im Ausland gekauften Geräten ausgestattet sind. Dadurch haben wir einen Teil unserer historischen Kompetenzen verloren. Die erneuerbaren Energien haben die Strompreise erhöht, was zu einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit führt, der unseren Unternehmen schadet.

Wir haben einen Fehler gemacht. Und man hat uns gezwungen, einen Fehler zu machen, um zuerst eine Ideologie des Wettbewerbs und dann die der politischen ökologischen Anti-Atomkraft zu befriedigen. Nach dem Fehler, ein europäisches Reaktorprogramm (EPR) zu wollen, anstatt das Programm unserer 58 Blöcke fortzusetzen, haben wir akzeptiert, das Programm SuperPhénix (1997) einzustellen, das uns die Führungsrolle in der vierten Generation der Kernenergie, dem Schnellen Brüter (Neutronen), ermöglicht hätte.

Der Verkauf von Alstom Energie mit seinen weltweit besten Atom- und Wasserturbinen war ein weiterer Test, der die Blindheit der französischen Politiker in diesem Energiebereich demonstrierte. Wir haben unsere Souveränität verloren, weil die Entscheidungen katastrophal waren.

Ist es möglich, diese Souveränität und erschwingliche Energiepreise wiederzuerlangen?

Es wird nicht einfach sein, wieder zu reichlich vorhandener, billiger und unabhängiger Energie zurückzukehren. Aber es braucht den Willen, unter Beteiligung aller Generationen dorthin zu gelangen, um in den Schlüsselbereichen Kernkraft und Wasserkraft wieder voranzukommen.

Das ist möglich. Wir müssen nur die Hindernisse abbauen, einschließlich der Anti-Atom- und Anti-Industrie-Regulierungen, die wir zu Dogmen erhoben haben. Wir haben immer noch das nötige Personal, um diese Transformation erfolgreich durchzuführen.

Das Europäische Parlament hat im September dafür gestimmt, dass bis 2030 ein Anteil von 45 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien (Windräder, Solaranlagen) erreicht werden soll. Ist dies erreichbar?

In Frankreich brauchen wir keine Wind- oder Solarfabriken, denn sie bringen die bestehenden Netze und unsere Produktion aus dem Gleichgewicht. Wir müssen diese Priorität aufgeben.

Andererseits müssen wir weiterhin auf kleine Kreisläufe bauen, was beinhaltet, kleinere Anlagen zu akzeptieren, um die Anschlüsse zu entlasten. Die „Smart Grids“ oder intelligenten Netze können eine Optimierung dieser kleinen Schaltkreise ermöglichen, die an die großen Netze angeschlossen sind, ohne diese zu gefährden.

Wir müssen also unsere Politik in dieser Hinsicht überdenken. Andere Länder ohne Kernenergie können sie technisch und wirtschaftlich rechtfertigen, wir nicht.

Die unstetigen Energien können nur marginal sein. Die Europäische Kommission spricht aber von einem Anteil von 25 bis 45 Prozent. Da die Erneuerbaren aber nur zu etwa einem Viertel der Zeit zur Verfügung stehen, bleiben noch sechs bis elf Prozent. Der Rest muss demnach aus Reservekraftwerken mit Gas oder Kohle kommen – das ist alles dumm. Wir müssen keine Bußgelder zahlen, wir müssen die Politik für unser Land betreiben. Und das ist nicht die Politik der Windparks – vor allem nicht auf See!

Wird unsere Abhängigkeit von China in Bezug auf Seltene Erden, die in diesen Energien verwendet werden, auch unsere nationale Souveränität beeinträchtigen?

Es ist klar, dass wir keine Fabriken und Materialien haben, die für die Herstellung von Solarmodulen und Windkraftanlagen benötigt werden.

Also ist dies eine neue Abhängigkeit, in die wir gezwungen werden – und das ist inakzeptabel.

Der Artikel erschien im Original in der französischen Epoch Times unter dem Titel: Entretien avec Loïk Le Floch-Prigent: „Nous devons immédiatement sortir du marché de l’électricité“ (redaktionelle Bearbeitung soh, ts)



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