Endspurt vor der Wahl: Boris Johnson kämpft um jede Stimme

Wer wird bei der Neuwahl in Großbritannien am Donnerstag als Sieger ins Ziel gehen? Die Oppositionsparteien hoffen, mit taktischem Wahlverhalten Premier Johnson noch einzuholen.
Titelbild
Großbritanniens Premierminister Boris Johnson sitzt mit anderen Kabinettsmitgliedern mit Headset vor einem Bildschirm an einem Tisch im Call Center des Hauptquartiers der Konservativen während des Wahlkampfs.Foto: Stefan Rousseau/PA Wire/dpa/dpa
Epoch Times8. Dezember 2019

Wenige Tage vor der Neuwahl des Parlaments in Großbritannien hat Premierminister Boris Johnson mit seinen Konservativen in Umfragen weiter die Nase klar vorn. Dennoch kann der Regierungschef noch nicht siegessicher sein.

Er sei nervös und kämpfe „um jede Stimme“, sagte Johnson dem Nachrichtensender Sky News. Sein politisches Schicksal für den Fall, dass er bei der Wahl am Donnerstag nicht die Mehrheit bekommen sollte, ließ er offen.

Bisherige Umfragen sehen die Konservativen bei deutlich über 40 Prozent, Labour etwa bei 32 bis 33 Prozent. Neue Umfragen, die am Wochenende veröffentlicht wurden, bestätigten diesen Trend, mit kleineren Einbußen für die Konservativen.

Oppositionsparteien wie die Liberaldemokraten und die Schottische Nationalpartei (SNP) riefen am Sonntag zum taktischen Wählen auf: Dadurch sei es immer noch möglich, das Steuer herumzureißen. Die Labour-Partei um Jeremy Corbyn hat kaum Aussichten auf eine eigene Mehrheit und muss darauf hoffen, nach der Wahl mithilfe von kleineren Parteien eine Minderheitsregierung bilden zu können.

Großbritannien hat ein Mehrheitswahlrecht: Nur der Kandidat, der in einem der 650 Wahlkreise die meisten Stimmen erhält, bekommt einen Sitz im Unterhaus. Vor allem in vielen Wahlkreisen in Mittel- und Nordengland liefern sich Johnsons Tories und Labour ein enges Rennen.

Im Mittelpunkt des Wahlkampfs stehen der umstrittene EU-Austritt, für den die Briten beim Referendum 2016 mit knapper Mehrheit gestimmt hatten, und der marode staatliche Gesundheitsdienst NHS.

Johnson will den Brexit zum 31. Januar

Johnson will den Brexit zum 31. Januar umsetzen. „Jeremy Corbyn kann uns dagegen noch nicht einmal sagen, welche Haltung er zum Brexit hat“, sagte Johnson. Außerdem erneuerte er sein Versprechen an die Wähler, mit Hilfe eines Punktesystems nach australischem Vorbild die Zahl der Einwanderer zu senken. Geleakte Dokumente, nach denen Waren aus dem britischen Landesteil Nordirland für Großbritannien nach dem Brexit kontrolliert werden müssen, nannte er als falsch.

Der 70-jährige Corbyn, der als Euroskeptiker gilt, hat den Briten im Falle seines Wahlsiegs ein zweites Brexit-Referendum zugesagt. Er will sich selbst aber neutral verhalten, wie er erst kürzlich mitteilte. Der Altlinke steht auch wegen Antisemitismusvorwürfen gegen seine Partei und ihn selbst immer wieder in der Kritik.

Beim letzten TV-Duell konnte Corbyn am Freitagabend zwar den Druck auf Johnson erhöhen, ein Durchbruch gelang ihm nicht. Einer Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge waren die Zuschauer gespalten in der Frage, wer die Debatte gewonnen hat.

52 Prozent sahen Johnson als Sieger, für 48 Prozent schnitt Corbyn besser ab. Die 1322 Befragten stuften aber den Labour-Chef (48 Prozent) als vertrauenswürdiger ein als Johnson (38 Prozent).

Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon, deren Schottische Nationalpartei drittstärkste Kraft im Parlament werden dürfte, sah gleich beide als Verlierer im TV-Duell: „Das war ganz und gar erbärmlich. Zwei Männer ohne Inspiration, beide ungeeignet, Premierminister zu sein“, schrieb sie auf Twitter. Vor der Debatte hatten die ehemaligen Premierminister John Major (Konservative) und Tony Blair (Labour) dazu aufgerufen, Kandidaten zu wählen, die Johnsons Brexit-Deal ablehnen.

Johnson übernahm Ende Juli das Amt als Premierminister von Theresa May, die drei Mal mit ihrem Brexit-Abkommen im völlig zerstrittenen Parlament durchgefallen war. Mit der Neuwahl will der Regierungschef mehr Unterstützung für seinen mit Brüssel nachverhandelten Deal bekommen. Derzeit führt er eine Minderheitsregierung an. (dpa)



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