Endlich vom Ernst erlöst
Bayreuth – Endlich müssen wir nichts mehr ernst nehmen, scheint die Message des neuen Bayreuther „Lohengrins“ in der Inszenierung von Hans Neuenfels zu sein: Als am Ende des ersten Aufzugs ein gerupfter Gummischwan mit entfalteten Flügeln über der Szene herabschwebt, lacht beinahe jeder im Publikum, der musikalische Jubel des Finales löst sich in belanglose Heiterkeit und einen gerade mal einminütigen Schlussapplaus auf, der von ein paar Buhrufen und Pfiffen nicht wirklich gestört, sondern eher abwechslungsreich garniert war.
Eine Last scheint von den Schultern der 2000 Zuschauer genommen, Wagner kann ja so unterhaltsam, so leicht sein …
Mit Spannung erwartete Stars
Die Opernwelt blickt gespannt nach Bayreuth an diesem sonnigen Julitag und auf das spektakuläre Bayreuth-Debut der deutschen Jungstars Jonas Kaufmann und Annette Dasch in den Hauptrollen von Wagners „Lohengrin“. Ein Traumpaar auf der Bühne und mit Andris Nelsons (31) ein blutjunger Temperamentsbolzen am Pult des Festspielorchesters – eigentlich ein musikalisches Großereignis. Doch merkwürdig beliebig und belanglos ist der Nachgeschmack, den die brillante Sängerriege und das rasante Dirigat des Letten beim Publikum hinterlassen. Es beschleicht einen das Gefühl, dass man diesen Abend bald vergessen wird.
Kaufmanns Lohengrin – wieder mal Antiheld
Nachdem Kaufmann bei seinem gefeierten Rollendebut 2009 in München von der Regie auf den biederen Häuslebauer festgelegt wurde, konzentrierten sich die Erwartungen der Fans auf die Frage, ob er in Bayreuth endlich Schwanenritterglanz entfalten dürfte. Die Antwort lautet: Nein. Lässig und hemdsärmelig kommt er im ersten Akt daher, sein obligater Schwan wird in einem sargartigen Boot förmlich zu Grabe getragen und ebenso spielerisch tauchen andere mittelalterliche Requisiten auf: Speer und Schild werden an eine abgenagte deutsche Eiche im Blumentopf gelehnt – denn der Chor ist eigentlich ein Heer von menschengroßen Labor-Ratten -, der starke König Heinrich – charismatisch und schlank: Georg Zeppenfeld – erleidet ständig Schwächeanfälle. Eine typisch Neuenfels´sche Verkehrung aller Regieanweisungen wird durchexerziert.
Sonderlicher Neuenfels
Neuenfels, als 69-Jähriger schon ein Grand Seigneur der Provokation, war eigentlich längst überfällig in Bayreuth, wenn man sich die trendorientierte Linie der Inszenierungen der letzten Jahre vor Augen hält.
Man kann ihm nicht vorwerfen, dass er sich nicht den Kopf über das Stück zerbrochen hätte – nur bleiben seine Gedanken dem Publikum manchmal unverständlich.
Neuenfels betont in Interviews immer wieder, dass ihn der Subtext der Musik interessiere. Auch erwähnte er, dass er im Lohengrin das Wunder für das Entscheidende halte. „Das Wunder wäre, wenn diese Beziehung funktionieren würde.“ Gemeint ist die Beziehung zwischen Lohengrin – dem Helden aus einer höheren Welt – und Elsa, der „Reinen und Tugendreichen“ – beide wenigstens klar als etwas schüchternes Paar und die Lieben und Guten definiert. Was der zweite und dritte Akt wohl noch Wunderliches bringen wird?
Wir werden sehen. Fortsetzung folgt.
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