Ein neues Tor nach Asien und Nordamerika – direkt vor Deutschlands Haustür

Auf dem osteuropäischen Drehkreuz sollen bis zu 60 Millionen Menschen pro Jahr abgefertigt werden. Das deutsche Verkehrsministerium sieht die Entwicklung gelassen. Die Kostenschätzung beträgt aktuell 47 Milliarden Euro.
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Im deutschen Verkehrsministerium sieht man die Pläne für einen polnischen Großflughafen gelassen, die Konkurrenz fürchtet man offenbar nicht. Symbolbild.Foto: iStock
Von 11. April 2024

Ein gigantischer Flughafen, der zudem auch noch klimaneutral ist – kann es so etwas geben? Wenn man den Planern des Flughafens „Centralny Port Komunikacyjny“ (CPK) nahe der polnischen Hauptstadt Warschau Glauben schenkt, dann ist so etwas möglich.

Die polnischen Regierungen planen seit Jahren die erste große Drehscheibe für Flugverkehr in Osteuropa – mit möglicherweise drastischen Konsequenzen für das von Auflagen gebeutelte Deutschland.

Konkurrenz für den Berliner Flughafen Brandenburg?

Insbesondere auf den neuen Berliner Flughafen Brandenburg könnte sich die Konkurrenz des geografischen Nachbarn negativ auswirken, schreibt die „Welt“ (hinter Bezahlschranke). Der CPK soll in der Gemeinde Baranow, rund 40 Kilometer von Warschau entfernt, entstehen.

Für das gigantische Projekt benötigen die Planer eine Fläche von 30 Quadratkilometern. Weil auch Anbindungen mit Expresszügen an polnische Großstädte vorgesehen sind, müssen zudem 1.600 Kilometer Schienen verlegt werden. Die Kostenschätzungen belaufen sich auf 200 Milliarden Złoty (etwa 47 Milliarden Euro).

Damit wäre der CPK mehr als doppelt so groß wie der deutsche Konkurrent Berlin-Brandenburg, für den eine Fläche von 14,7 Quadratkilometer bebaut wurde. Die Baukosten des BER sind trotz neunjähriger Verzögerung bei der Eröffnung und einer Gesamtbauzeit von 14 Jahren sowie einer Verdreifachung der ursprünglichen Kalkulation mit rund 6,4 Milliarden Euro vergleichsweise bescheiden.

Von dem Drehkreuz sollen Flüge nach Nordamerika und Asien starten. Das könnte massive Auswirkungen auf Berlin haben. Weil Reisende aus den osteuropäischen EU-Ländern wie Tschechien oder den westlichen Gegenden Polens selbst nicht mehr in die deutsche Hauptstadt müssten, um umzusteigen. Auch wird das Großprojekt als „dual purpose infrastructure“ geplant. Im Konfliktfall könnte CPK somit auch von den NATO-Partnern genutzt werden.

Erste Konzepte gab es schon 2007

Das Thema Zentralflughafen köchelt seit mehr als 20 Jahren. Grundsätzlich herrscht bei den Parteien Konsens, sodass einem Bau kaum etwas im Wege stehen dürfte. Schon die Regierung des bis 2004 amtierenden Sozialisten Leszek Miller sprach sich für das Projekt aus.

Erste Konzepte gab es dann ab 2007 unter Donald Tusk (Bürgerplattform, PO). Richtig vorwärts ging es dann ab 2017 durch die Bestätigung eines Plans unter der Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Sie stellte zwischen 2005 und 2007 sowie zwischen 2015 und 2023 die Regierung.

Seit Dezember regiert wieder Donald Tusk das Land. Er hat sich laut der „Welt“ bisher nicht klar zum Flughafenprojekt positioniert. In der Koalition gibt es Befürworter und Gegner sowie Stimmen, die eine Überarbeitung der Planungen fordern.

Dass die Vorgängerregierung bei dem Bauvorhaben so aktiv war, Zeit- und Finanzierungspläne und architektonische Konzepte auf den Weg brachte, ist für Tusk ein Problem, zitiert die „Welt“ Adam Traczyk. Er ist der polnische Direktor der Denkfabrik More in Common. „Dem Flughafen ist der PiS-Stempel aufgedrückt, das ist für die Bürgerplattform und Teile ihrer Gefolgschaft nur schwerlich zu akzeptieren.“

Tusks Anhänger stünden allen PiS-Projekten kritisch gegenüber. Das müsse er bei seinen Entscheidungen berücksichtigen und habe im Wahlkampf daher auch eine Überprüfung des Projektes versprochen.

58 Prozent befürworten das Projekt

Der Rückhalt aus der Bevölkerung für den CPK ist allerdings groß. Laut einer Umfrage der Tageszeitung „Rzeczpospolita“ vom Februar dieses Jahres wollen 58,2 Prozent der Polen diesen Flughafen. „Das Projekt braucht wohl ein neues Image“, sagt Traczyk.

Von den 58,2 Prozent unterstützen 36,1 Prozent der Befragten „definitiv“ die Fortführung des Projektes. 22,1 Prozent wollen es „eher“. Acht Prozent sind „eher nicht“ dafür, 15,2 Prozent lehnen es rundweg ab. Auffällig ist die hohe Anzahl derer, die keine Meinung zu dem Projekt haben. Mit 18,6 Prozent war das fast jeder fünfte Befragte.

Seit Februar ist der Regierungsbevollmächtigte Maciej Lasek mit einem sogenannten Audit des CPK beschäftigt. Er lässt Verträge, Berichte und Finanzierungen analysieren. Zuvor hatte es bereits einige personelle Konsequenzen gegeben. So waren der komplette Aufsichtsrat und der Vorsitzende der Gesellschaft entlassen worden.

Lasek machte auch klar, dass aus der ursprünglich für 2028 vorgesehenen Eröffnung des Flughafens nichts werde. 2032 nannte er als „realen Termin“. Auf der Website zum Flughafenbau ist hingegen sogar von 2027 die Rede. Auf jeden Fall werde der Flughafen gebaut, sagte Traczyk, daher müsse sich Deutschland auf „wachsende Konkurrenz“ vorbereiten.

Doch hierzulande scheint man die Pläne entspannt zu verfolgen und hat eine ganz andere Sicht auf die Entwicklung, schreibt das Portal „money.pl“. Es zitiert einen Sprecher des Bundesministeriums für Verkehr und Digitalisierung: „Bisher gab es für Osteuropa keinen solchen Flughafen, sodass viele Langstreckenflüge über bestehende Drehkreuze in Westeuropa fliegen mussten.“

So gesehen sei ein solcher Hub auch aus Sicht des Umwelt- und Klimaschutzes sinnvoll. Durch Anschlussflüge werde der „Punkt-zu-Punkt-Verkehr reduziert“. Nach Ansicht des Ministeriumssprechers sei es von Vorteil, wenn ein größeres, voll besetztes Flugzeug mit Passagieren aus verschiedenen Städten ein bestimmtes Ziel anfliege, als wenn dies zwei oder drei kleinere, weniger gut gebuchte Flugzeuge von mehreren Orten täten.

Vertrauen in die Qualität deutscher Flughäfen

Deutsche Flughäfen wie Frankfurt oder München sehe man bei der Behörde nicht in ihrer Existenz gefährdet. „Wir kennen die Qualität und Stärken unserer deutschen Hubs und sehen der weiteren Konkurrenz in Warschau mit Interesse entgegen“, heißt es aus dem Ministerium.

Gelassenheit demonstriert auch Ralph Beisel, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV). Auf Anfrage von „money.pl“ sagte er, dass der Verband „die Entwicklung des neuen CPK-Flughafens begrüßt“. Da der weltweite Flugverkehr weiter zunehme, sei man mit dem neuen Flughafen in Polen für die Zukunft „gut gerüstet“. Auch sei der Wettbewerb zwischen europäischen Flughäfen „seit vielen Jahrzehnten eine Tatsache“.

Die Internationale Luftverkehrsvereinigung (International Air Transport Association, IATA) hatte 2021 in einer Flugverkehrsprognose für Polen und den CPK erstellt und die Notwendigkeit eines Neubaus bestätigt. Die Prognose wurde im vergangenen Jahr aktualisiert.

CPK geht demnach davon aus, dass 2030 28 Millionen Menschen auf dem Flughafen abgefertigt werden. 40 Millionen könnten es 2040, weitere 20 Jahre später wären 60 Millionen möglich. Damit gingen die Erwartungen bei den Passagierzahlen um jeweils knapp zehn Prozent zurück. Zum Vergleich: In Berlin waren es im vergangenen Jahr 23 Millionen Passagiere, nach baulichen Erweiterungen sollen einmal 58 Millionen möglich sein.

Umweltschützer: Nachhaltigkeits-Behauptung ein „Lacher“

Neben dem Ukraine-Krieg seien es die Umweltvorschriften, die die Prognosen beeinflussten, heißt es auf der CDK-Seite weiter. So hätten die Analysen gezeigt, dass die Auflagen die Zahlen hauptsächlich in den 2030er-Jahren beeinflussen und um bis zu acht Prozent reduzieren könnten.

Ging die Vorschau 2021 noch von 30 Millionen Passagieren aus, sind es aktuell noch – wie weiter oben erwähnt – 28 Millionen Reisende. Betroffen wären vor allem Kurzstreckenreisen innerhalb Europas.

Längerfristig und mit dem technologischen Fortschritt, sinkenden Preisen und der Entwicklung nachhaltiger Treibstoffe würden die Auflagen aber an Bedeutung verlieren.

Laut „Focus“ soll der CPK der erste klimaneutrale Flughafen der Welt werden. Gelingen soll dies vor allem durch die Verwendung sogenannter erneuerbarer Energiequellen. Geheizt, gekühlt und betrieben werden soll der Flughafen mit Wärmepumpen und Solarzellen. Im ersten Jahr nach der Inbetriebnahme sollen weitere Möglichkeiten der Energiereduzierung geprüft werden.

Vor allem aber die mit dem Neubau verbundene Expansion des Eisenbahnnetzes soll dazu beitragen, die selbst gesteckte Klimaneutralität zu erreichen. Nach Aussage von CPK-CEO Mikolaj Wild solle der CPK „sowohl der zentrale Flughafen als auch der größte Umsteigebahnhof Polens werden“.

Doch dass der Flughafen tatsächlich klimaneutral sein kann, damit haben viele Menschen im Land ihre Zweifel, so der „Focus“ weiter. Deutlich wird Dominika Lasota, eine zentrale Figur der Klimabewegung beim osteuropäischen Nachbarn Deutschland.

„Wir sprechen hier von einem gigantischen Flughafen, der nicht nur zu massiven Emissionen führen wird, sondern auch Felder, Ökosysteme und Gemeinden in der Umgebung zerstört. Dieses Projekt hat nichts mit Klima- oder Umweltfreundlichkeit zu tun, und die Versuche des Betriebs, es als nachhaltig darzustellen, sind ehrlich gesagt nur einen Lacher wert“, zitiert sie der „Focus“.



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