Ein Jahr im Amt: Die Popularität des argentinischen Präsidenten Milei bleibt hoch

Ein Jahr nach Amtsantritt des libertären Präsidenten Javier Milei bleibt Argentinien tief in der Krise. Trotz hoher Inflation und wachsender Armut ist Milei weiterhin Argentiniens beliebtester Politiker. Die Zustimmung zu seinem Reformkurs ist weiterhin hoch, doch sie fängt an zu bröckeln.
Titelbild
Argentiniens Präsident Javier Milei empfängt Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im Regierungsgebäude in Buenos Aires, 5. Dezember 2024.Foto: Tomas Cuesta/Getty Images
Von 10. Dezember 2024

Am 10.12.2023 trat der libertäre Ökonom Javier Milei nach einem überraschend klaren Wahlsieg im November des Jahres sein Amt als Präsident von Argentinien an. Ein Jahr später ist Argentinien mit einem Minus von 3,6 Prozent im BIP das einzige lateinamerikanische Land ohne Wirtschaftswachstum. Die Kinderarmut liegt einer Studie der Argentinischen Katholischen Universität (UCA) zufolge bei 65,5 Prozent. Die Inflation lag im Oktober bei 193 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.

Dennoch ist Milei laut einer Umfrage von „Bloomberg“ weiterhin der beliebteste Politiker Argentiniens mit 41 Prozent. Sein radikaler Reformkurs wird aktuell von 49 Prozent der Bevölkerung getragen. Im März hatte er dafür noch 52 Prozent Zustimmung.

Milei erbte eine schwere Last von Inflation und Auslandsschulden

Das Gedächtnis der Argentinier ist lange genug, um noch die Situation vor Augen zu haben, in der sich das Land vor seinem Amtsantritt befunden hatte. Argentinien stand vor einer drohenden Hyperinflation. Wer konnte, bezahlte seine täglichen Ausgaben in US-Dollar. Wer Pesos in der Hand hatte, versuchte diese loszuwerden.

Auch im Ausland war das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der argentinischen Volkswirtschaft am Ende. Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) schuldete Argentinien 44 Milliarden US-Dollar. Bei vielen Geldgebern war die Erinnerung an 2001 präsent, damals wies das Land mit 155 Milliarden US-Dollar die historisch größte Auslandsverschuldung auf.

In dieser Situation stießen die Forderungen nach einer radikalen Wende auf fruchtbaren Boden – und setzten Milei bereits von Beginn an unter erheblichen Erfolgsdruck. Der Präsident pokerte hoch, und hat bislang Erfolg. Schon nach wenigen Monaten schaffte er es, den Haushalt des Landes erstmals nach 12 Jahren ins Plus zu führen.

Teuerung bleibt erheblich – ihre Dynamik hat sich jedoch abgeschwächt

Was für die breite Bevölkerung im Land noch entscheidender ist: Milei und seinem Kabinett gelang es tatsächlich, die Dynamik bei der Inflation zu bremsen. Zwar ist diese nach wie vor hoch, was zu einem weiteren Minus von 20 Prozent bei den Verbraucherausgaben beitrug. Die Armutsquote ist ebenfalls noch einmal gestiegen – auf mittlerweile 52,9 Prozent.

Allerdings sank die monatliche Inflationsrate von September 2024 auf nur noch 2,7 Prozent im Oktober, laut einem Bericht von „The Telegraph“. Dies ist der niedrigste Stand seit drei Jahren. Im Dezember 2023 lag diser Wert noch bei 25,5 Prozent gegenüber dem Vormonat. Die stark nachlassende Dynamik wird auch für die Bürger spürbar – und das ist ein wesentlicher Faktor dafür, dass deren Vertrauen aufrecht bleibt.

Es gibt zwar Proteste gegen die Folgen der radikalen Sparpolitik, die nicht zuletzt Universität, Einrichtungen von Kultur und Wissenschaft sowie die staatliche Nachrichtenagentur trafen. Diese fallen jedoch deutlich kleiner aus als von den Initiatoren erwartet.

Weg zurück länger als jener bis zum Ende?

Es sind im mehrere Faktoren, die Milei populär halten. Zum einen ist es die Überzeugung, nicht zum Kirchnerismus zurückkehren zu wollen. Dieser gilt mittlerweile als Paradebeispiel für eine bürokratische und korrupte Günstlingswirtschaft, in der sich die Herrschenden durch auf Pump finanzierte Geschenke Mehrheiten erkaufen.

Zum anderen ist es ein Impuls, bei der Umgestaltung des Landes schon so weit gekommen zu sein, dass der Weg zu deren Umsetzung mittlerweile kürzer sei als der Weg zurück. So äußert sich Fitnessstudiomanager Kevin Acosta gegenüber „The Telegraph“. Deshalb sei er auch bereit, Milei noch Zeit einzuräumen.

Die peronistische Opposition ist überdies in interne Machtkämpfe verwickelt und fällt möglicherweise noch länger als schlagkräftige Formation aus. Amtsvorgänger Alberto Fernández steht im Verdacht häuslicher Gewalt.

Der argentinische Politologe Sebastián Mazzuca von der Johns Hopkins University erklärte gegenüber AP, es komme „in allen Gesellschaften irgendwann der Zeitpunkt, an dem die Kosten einer Steueranpassung geringer sind als die Kosten einer Fortsetzung der Inflation“. Dies scheint in Argentinien erreicht zu sein:

Es ist wie bei einem Brand. Es gibt schwer verletzte Menschen, aber das Feuer wurde gelöscht, nicht wahr?“

Permanenter Erfolgsdruck auf Milei bleibt aufrecht

Dennoch bleibt der Erfolgsdruck, der auf Milei lastet, erheblich. Bis zur nächsten Präsidentschaftswahl bleiben drei Jahre Zeit. Allerdings regiert er ohne eigene Kongressmehrheit. Er ist darauf angewiesen, aus den übrigen Parteien, vor allem der rechten Mitte, ausreichend Stimmen für seine Vorhaben zu bekommen.

Bleiben die Erfolge sichtbar, erscheint dies als wenig problematisch. Milei wird auch als glaubwürdig empfunden, weil er stets klar gesagt hat, dass es erst harte Zeiten geben würde, aber bessere bevorstünden. Ändern könnte sich das jedoch, sollte es Rückschläge geben. Dann droht auch die Stimmung in der Bevölkerung zu kippen.

Ein Jahr nach Amtsantritt bleibt die Frage, ob Mileis Reformkurs langfristig durchhaltbar ist. Die Abwertung des argentinischen Peso, kombiniert mit drastischen Haushaltskürzungen, könnte die soziale Unzufriedenheit weiter anheizen. Historisch betrachtet ist die Halbzeit einer Amtsperiode in Argentinien oft der Wendepunkt: Präsidenten wie Mauricio Macri mussten in der zweiten Hälfte ihrer Amtszeit erhebliche Zugeständnisse machen, um sozialen Unruhen entgegenzuwirken. Milei steht vor der Herausforderung, sowohl seine Basis zu halten als auch den sozialen Frieden zu wahren.

Mercosur-Vertrag mit EU stellt Erfolg für Milei dar

Allerdings bedeutet die baldige Übernahme der US-Präsidentschaft durch Donald Trump für Milei Rückenwind. Trump, der mehrfach seine Sympathien für die politischen Positionen des argentinischen Präsidenten bekundet hat, kann diesem nicht nur moralische Unterstützung bieten. Die USA sind auch die größten Finanziers des IWF und haben entsprechend bei der Vergabe und den Bedingungen von Krediten mitzureden. Bereits 2018 hatte Trump bezüglich eines 56-Milliarden-Kredits an Argentinien sein Gewicht in die Waagschale geworfen.

Behält Milei das Vertrauen des IWF, wird er bald in der Lage sein, die Devisenkontrollen aufzuheben. Dann steigen die Chancen, sein Versprechen wahrzumachen, dass demnächst auch die Bürger selbst von der Wirtschaftswende profitierten.

Als Erfolg für seine Politik kann Milei auch den jüngsten Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen den Mercosur-Staaten und der EU verbuchen. Er kritisiert bestehende Abkommen des Mercosur, die seiner Meinung nach protektionistische Tendenzen fördern und Argentinien schwächen. Nun schafft die Vereinbarung, so sie umgesetzt werden kann, zusätzliche Exportchancen für die Bauern des Landes. Die oberste Priorität für Milei bleibt jedoch ein umfassendes Freihandelsabkommen mit den USA.



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