Drastische Strafe wegen „Respektlosigkeit“ gegen Polizei – Spanisches „Sicherheitsgesetz“ in Kritik

Ein Mann sprach in Barcelona mit einem spanischen Polizisten auf Katalanisch – eine Beleidigung befand das Gericht und verurteilte den Mann zu einer Strafe von 601 Euro. Solche und ähnliche Urteile sind in Spanien an der Tagesordnung, doch der Widerstand wächst.
Titelbild
Spanischer Polizist (Symbolbild).Foto: Denis Doyle/Getty Images
Von 13. Juni 2017

Am 1. Juli 2015 trat in Spanien das „Gesetz zur Sicherheit der Bürger“ in Kraft. Seitdem müssen Bürger, die unangemeldet vor “wichtigen Einrichtungen” wie Atomkraftwerken oder Verkehrsknotenpunkten demonstrieren, bis zu 600.000 Euro blechen.

Wer unangemeldet vor Parlamenten demonstriert und Protestplakate an Gebäuden anbringt, muss „nur“ bis zu 30.000 Euro zahlen. Diese Summe müssen auch Personen aufbringen, die Fotos oder persönliche Daten von Polizisten ohne Einwilligung aufnehmen, Zwangsräumungen von Wohnungen verhindern und Drogen besitzen und im öffentlichen Raum konsumieren. Auch spontane Sitzstreiks und Zeltlager sind illegal, schreibt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

“Kleinere Vergehen” wie der “fehlende Respekt vor Sicherheitskräften”, das Filmen und Fotografieren von Festnahmen oder das Klettern auf Gebäude und Denkmäler werden mit bis zu 600 Euro bestraft, berichtete „Euronews“.

Außerdem können alle, die die Regierung, die Sicherheitskräfte oder die Monarchie kritisieren, des Terrorismus angeklagt werden.

Anwalt: „Keine Unschuldsvermutung – Beschuldigter muss zuerst Unschuld beweisen“

„Das Gesetz ist sehr weit gefasst“, kritisiert der Anwalt Daniel Amelang López laut der FAZ. Denn „es gibt keine Unschuldsvermutung wie im Strafprozess. Alles, was die Polizei angibt, gilt als wahr. Der Beschuldigte muss das Gegenteil beweisen“, sagt der Anwalt.

Insgesamt mussten die Spanier im vergangenen Jahr mehr als zehn Millionen Euro Strafe wegen „Respektlosigkeit“ oder Ungehorsam gegenüber der Polizei zahlen. Insgesamt wurden 2016 fast 20.000 Strafbescheide wegen „mangelnden Respekts“ verschickt.

Kuriose Strafen wegen „Respektlosigkeit“ gegenüber Polizisten

Die FAZ erwähnt einige Fälle, in denen die Polizei Strafen verhängte. Eine Frau musste zum Beispiel eine Strafe zahlen, weil sie im Internet ein Foto hochlud, das ein parkendes Polizeiauto auf einem Behindertenparkplatz zeigte.

Ein pensionierter Professor erhielt eine Geldstrafe von 601 Euro, weil er auf dem Flughafen von Barcelona einen spanischen Polizisten nicht auf Spanisch sondern auf Katalanisch ansprach.

Eine Spanierin wurde wegen ihrer Tasche bestraft, auf der eine Katze und die Aufschrift „All cats are beautiful“ abgebildet waren. Darunter stand die Abkürzung „A.C.A.B“, die die Polizei als „All cops are bastards“ interpretierte und als Beleidigung von Polizeibeamten auslegte.

„Terrorismus-Verherrlichung“: Freiheitsstrafe wegen witzigen Twitter-Beitrag

Die „Verherrlichung von Terrorismus“ im Internet zieht noch härtere Strafen nach sich. So wurde im Frühjahr die 21-jährige Geschichtsstudentin Cassandra Vera Paz zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt, weil sie im Kurznachrichtendienst Twitter eine witzige Bemerkung über den Tod des 1973 von der ETA ermordeten Ministerpräsidenten Luis Carrero Blanco veröffentlichte. Die ETA war eine baskische Seperatistengruppe, die von 1959 bis 2011 Terroranschläge verübte.

Blanco wurde Opfer einer unterirdischen Bombe, die unter seinem gepanzerten Wagen in Madrid explodierte. Die Wucht der Explosion war so stark, dass sein Auto auf das Dach eines fünfstöckigen Gebäudes geschleudert wurde. „ETA betrieb eine Politik gegen Dienstwagen, kombiniert mit einem Raumfahrtprogramm“, schrieb die 21-jährige Studentin in ihrem Twitter-Beitrag – eine Verspottung von Terroropfern, meinte das Gericht und verhängte die Strafe. Nun kann die Studentin keine Lehrerin mehr werden und darf sieben Jahre lang keine öffentlichen Ämter ausüben.

Forderungen nach Reformen

Wegen der oben beschriebenen Fälle werden in Spanien Forderungen nach Reformen laut. Bürgerrechtler und Oppositionspolitiker kritisierten das Sicherheitsgesetz schon 2015 als ein „Knebelgesetz“, das die Grundrechte der Bürger zu sehr einschränke und den Polizisten zu viel Freiraum gebe, berichtet die „Faz“.

Nun sind die Parlamentsfraktionen der sozialistischen Partei (PSOE) und der baskischen Nationalisten (PNV) damit beschäftigt, das „Gesetz zur Sicherheit der Bürger“ zu überarbeiten.

Lebenslange Haft für Spucken auf Polizisten

Seltsame Strafen existieren nicht nur in Spanien. Anfang Juli wurde im US-Bundesstaat Oklahoma ein 36-jähriger Mann wegen häuslicher Gewalt gegen seine Frau festgenommen. Für dieses Vergehen drohte ihm höchstens ein Jahr Haft und eine Geldstrafe von bis zu 3.000 Dollar. Doch weil er bei seiner Festnahme auf einen Polizeibeamten spuckte, verhängte das Gericht eine lebenslange Strafe, wie das „Handelsblatt“ berichtete.

Das „Platzierens von Körperflüssigkeit auf einen Regierungsbeamten“ ist ein schweres Verbrechen in Oklahoma, weil damit Aids übertragen werden könne, hieß es. Ein Aids-Test bei dem Polizisten und beim Angreifer fielen negativ aus. Die Verteidigung will nun Berufung einlegen.



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