Die Wut der französischen Bauern: Weniger Spaltung als in Deutschland?

Aus Protest gegen Bürokratie, sinkende Einnahmen und europäische Umweltauflagen haben französische Bauern mit der Blockade wichtiger Zufahrtsstraßen nach Paris begonnen.
Frankreichs Regierung hat den Landwirten angesichts sich ausweitender Proteste weitreichende Hilfszusagen gemacht.
Frankreichs Regierung hat den Landwirten angesichts sich ausweitender Proteste weitreichende Hilfszusagen gemacht.Foto: Thomas Padilla/AP/dpa
Von 30. Januar 2024

Französische Bauern haben am Montag wichtige Zufahrtsstraßen nach Paris blockiert. Dafür wurden hauptsächlich Strohballen und Traktoren 30 bis 40 Kilometer rund um die Stadt positioniert. Die Blockaden wurden auf unbestimmte Zeit eingerichtet und teils mit mobilen Toiletten und Generatoren ausgestattet. Die Bauern wollen nach eigenen Angaben mindestens bis Freitag bleiben.

Auch außerhalb der Hauptstadt kam es zu teils massiven Protesten. Landesweit waren nach Angaben der Gendarmerie mindestens 16 Autobahnen in knapp einem Drittel aller Départements betroffen. An den Aktionen nahmen „knapp 10.000 Landwirte in ganz Frankreich“ teil. Sie waren mit rund 5.000 Fahrzeugen wie Traktoren und Lastwagen unterwegs.

Höhere Gebühren: Auslöser der Proteste

Die französischen Bauern protestieren seit Wochen gegen eine Reihe von Regierungsmaßnahmen und Problemen. Dazu gehören die Erhöhung der Wassergebühren, die Verteuerung von Agrardiesel, steigende Energiekosten, europäische Umweltauflagen und eine generell prekäre Einkommenssituation.

Der größte Protesttag war bis jetzt Freitag, der 26. Januar, als laut BFM-TV 17.500 Bauern an 113 Punkten in ganz Frankreich den Verkehr lahmgelegt hatten.

Gestern waren zusätzlich 15.000 Polizisten und Sicherheitskräfte im Einsatz, um insbesondere zu verhindern, dass Traktoren in „Paris und die großen Städte“ einrollen. Panzerfahrzeuge wurden am Großmarkt Rungis im Süden von Paris stationiert.

„Wir wollen eine Konfrontation mit ihnen vermeiden“

Rudy Manna, der Sprecher der Polizeigewerkschaft Alliance Sud, äußerte Verständnis für die Landwirte:

„Wir sind uns bewusst, dass diese Landwirte es nicht mehr aushalten, […] also versuchen sie, sich Gehör zu verschaffen“, sagte der Polizeisprecher. „Die einzige Sache, die es braucht, ist, dass es keinen Schaden gibt, dass es keine Zerstörung gibt. Und vor allem wollen wir als Polizisten jegliche Ausschreitungen verhindern und vermeiden, mit ihnen konfrontiert zu werden“, fuhr er fort.

Innenminister Gérald Darmanin rief die protestierenden Landwirte zur „Mäßigung“ auf. Der Betrieb des Großmarktes von Rungis, dem weltweit größten Umschlagplatz für Frischwaren, und der Flughäfen dürften nicht gestört werden.

Regierung lenkt ein

Premierminister Gabriel Attal hatte am Freitag bereits den Verzicht auf eine geplante Steuererhöhung für Agrardiesel und höhere Entschädigungen bei bestimmten Rinderkrankheiten zugesagt. Er beriet am Montagabend erneut mit Vertretern der Bauernverbände. „Der Premierminister hat uns bislang nur Häppchen serviert“, erklärte zuvor Arnaud Lepoil vom Bauernverband FNSEA.

Präsident Emmanuel Macron hielt am Montagnachmittag eine Krisensitzung im Élysée-Palast ab. Er kündigte zudem an, mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über mögliche Maßnahmen zugunsten der Bauern in Europa zu sprechen. Diese waren in den vergangenen Wochen in mehreren Ländern auf die Straßen gegangen, darunter in Deutschland.

Macrons Gespräch mit von der Leyen soll nach Angaben des Élysée-Palasts am Donnerstag am Rande eines EU-Sondergipfels zum Haushalt der Gemeinschaft und zu weiteren Hilfszahlungen an die Ukraine stattfinden. Dabei wolle Macron unter anderem den von vielen Landwirten in Europa abgelehnten Mercosur-Handelsvertrag mit südamerikanischen Ländern ansprechen.

Pause für den EU-„Green Deal“?

Frankreichs Premierminister Gabriel Attal hatte gegenüber den Bauern eine klare Absage an die Ratifizierung des Freihandelsabkommens gegeben. In Brüssel wird dies voraussichtlich zu einer hitzigen Auseinandersetzung führen.

Selbst EU-Experten räumen ein, dass der europäische Green Deal zu einem Rückgang der Agrarproduktion um mindestens 20 Prozent führt. Das Farm2Fork-Programm sieht vor, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren sowie weitere Agrarflächen zur Förderung der Biodiversität stillzulegen.

Deutsche Autos auf Kosten der französischen Bauern?

Um diesen Mangel an Lebensmitteln auszugleichen, sollen vermehrt günstige Importe aus Südamerika und der Ukraine genutzt werden. Doch wenn die französische Regierung weiterhin an ihrer Mercosur-Position festhält, könnte dies die gesamte EU-Strategie gefährden.

Der rechte Politiker Jordan Bardella gibt Deutschland eine Mitschuld an der Lage der französischen Bauern. „Während Deutschland bei Verhandlungen zu Freihandelsabkommen alles tut, um deutsche Autos auf Kosten der französischen Landwirtschaft zu exportieren, bleibt Macron stumm“, sagte der Parteichef des Rassemblement National dem Sender BFM. Die rechtspopulistische Partei führt momentan in allen Meinungsumfragen mit 30 Prozent in der Wählergunst.

„Umwelt und zukunftsfähige Landwirtschaft kein Widerspruch“

Mehrere Umweltorganisationen solidarisierten sich mit den Bauernprotesten. Sie kritisierten in einem Beitrag in der Zeitung „Libération“ den spaltenden Diskurs der Regierung. Es sei sehr gut möglich, sich zugleich für die Umwelt und eine zukunftsfähige Landwirtschaft einzusetzen, heißt es in dem Aufruf, der unter anderem von Greenpeace und Extinction Rebellion unterzeichnet wurde:

“Wir wenden uns an alle Landwirte und Landwirtinnen, die in den letzten Tagen ihre Wut zum Ausdruck gebracht haben, aber auch an all jene, die noch zögern, sich ihnen anzuschließen. Wir, die Umweltorganisationen, Bauern und Aktivisten, die sich seit Jahrzehnten für ein anderes Landwirtschaftsmodell einsetzen, teilen diese Wut und lehnen den herrschenden Diskurs ab, der uns zu Feinden machen will.” Und weiter:

Wir sind wütend, weil wir wissen, dass die Zerstörung der Lebensbedingungen der Bauern und Bäuerinnen und die Zerstörung der Ökosysteme denselben Menschen zugutekommen, und das sind nicht Sie oder wir.”

Unter den Protestierenden gibt es erhebliche Unterschiede. Der größte Bauernverband hatte eine Liste mit 140 Forderungen vorgelegt. Er enthält unter anderem den Verzicht auf gewisse Umweltauflagen.

Bauernproteste in ganz Europa

In den Niederlanden haben die Pläne zur Reduzierung der Landwirtschaft zu anhaltenden Protesten, dem Wahlerfolg einer neuen Bürger- und Bauernpartei und schlussendlich dem Bruch der Regierung geführt.

Auch in Belgien, Polen, Ungarn, Bulgarien, Rumänien und Griechenland gab es in den vergangenen Wochen und Monaten Proteste von Bauern. Die italienischen und spanischen Landwirtschaftsgewerkschaften erwägen ebenfalls Demonstrationen.

Landwirte demonstrieren auf der Autobahn A4 bei Jossigny, östlich von Paris, am 30. Januar 2024. Foto: BERTRAND GUAY/AFP via Getty Images

Mit Material von AFP



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