Die wichtigste Frage im Nahen Osten: Verteidigt der Iran nun die Hisbollah?

Jahrelang hat der Iran über die Hisbollah, die Hamas, die Huthi und andere Gruppen Israel angegriffen. Nun kämpft Israel an vielen Fronten gleichzeitig, auch erfolgreich. Die Sorge vor einer möglichen Bodenoffensive Israels im Libanon wächst. Für Diplomaten im Libanon ist die einzige Lösung eine diplomatische.
Titelbild
Ein Banner mit dem Bild des getöteten libanesischen Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah im Zentrum von Teheran, zwei Tage nach seiner gezielten Ermordung durch israelische Streitkräfte in den südlichen Vororten Beiruts, am 29. September 2024. Der Iran erklärte fünf Tage der Trauer.Foto: Majid Saeedi/Getty Images
Epoch Times30. September 2024

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Während Israels Armee mit erneuten Luftangriffen im Libanon, im Gazastreifen sowie im Jemen verstärkt gegen Irans verbündete Milizen vorgeht, wächst die Sorge vor einem umfassenden Krieg im Nahen Osten.

Auf die Frage von Reportern, ob dieser noch vermieden werden könne, antwortete US-Präsident Joe Biden: „Das muss er. Er muss wirklich vermieden werden.“ Er wolle mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu reden.

Joe Biden bezeichnete Nasrallahs Tötung am Samstag als eine „Maßnahme der Gerechtigkeit für seine vielen Opfer, darunter tausende von Amerikanern, Israelis und libanesischen Zivilisten“. Zugleich forderte er angesichts der zunehmenden Spannungen im Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah eine Waffenruhe.

Hisbollah soll sich zurückziehen

Israel erhöht den Druck auf die Hisbollah, damit diese mit ihren Angriffen aufhört und sich aus dem Grenzgebiet zurückzieht. Während der jüngsten Eskalation kamen in den beiden vergangenen Wochen Medienberichten zufolge Hunderte Menschen durch die israelischen Angriffe im Libanon ums Leben.

Unterdessen beginnen im Libanon heute dreitägige Trauerfeiern für den am Freitag durch einen gezielten israelischen Luftschlag in einem Vorort Beiruts getöteten Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah.

Die Hisbollah bestätigte in der Nacht zu Montag den Tod ihres Kommandanten Nabil Kauk, der den Angaben zufolge die „Einheit für präventive Sicherheit“ befehligte. Kauk sei bei einem israelischen Luftangriff auf die südlichen Vororte von Beirut am Samstag getötet worden.

Zuvor hatte die israelische Armee die Tötung Kauks gemeldet. Der hochrangige Hisbollah-Funktionär sei Mitglied des Zentralrats der Hisbollah gewesen, erklärte die Armee. Er galt demnach als „eng verbunden mit hochrangigen Kommandeuren der Hisbollah“.

Experte: Iran steht vor einem Dilemma

Die Schwächung der Hisbollah-Miliz bringe die Islamische Republik Iran in eine „sehr schwierige Lage“, zitierte das „Wall Street Journal“ Michael Horowitz, Leiter der Abteilung für Nachrichtendienste bei der Beratungsfirma Le Beck International.

Die libanesische Miliz sei „ein wichtiger Teil der iranischen Verteidigungsdoktrin und ihr wichtigstes Abschreckungsinstrument gegen Israel“. Der Iran stehe nun vor dem Dilemma, die Hisbollah möglicherweise verteidigen zu müssen, hieß es.

Vor diesem Hintergrund könnte die Huthi-Miliz im Jemen für den Iran in seiner sogenannten „Achse des Widerstands“, mit dem Teheran gegen den erklärten Erzfeind Israel kämpft, noch an Bedeutung gewinnen.

Sorge vor möglicher Bodenoffensive im Libanon

Es wächst die Sorge, dass Israels Armee zu einer Bodenoffensive im Süden des Nachbarlandes übergehen könnte. Nach der Tötung Nasrallahs hatte Israels Armeechef Herzi Halevi am Samstag diese Möglichkeit angedeutet. Er habe Pläne für das Nordkommando der Streitkräfte gebilligt.

„Herausfordernde Tage liegen vor uns“, sagte er. Die israelische Armee sei „in höchster Alarmbereitschaft, sowohl in defensiver als auch offensiver Hinsicht, an allen Fronten“. Sie sei gerüstet für das, was als Nächstes komme.

Experten sprechen von einer möglichen „Falle“, in die Israel geraten könnte. Trotz des Todes von Nasrallah und fast der gesamten oberen Führungsebene verfüge die Hisbollah immer noch über Tausende von erfahrenen Soldaten und ein umfangreiches Waffenarsenal, mit dem sie in ihren südlibanesischen Hochburgen auf vorbereitetem Terrain Israels Truppen erhebliche Verluste zufügen könnte, schrieb das „Wall Street Journal“.

Die Hisbollah könne es gar nicht abwarten, dass Israel im Südlibanon einmarschiert, zitierte die Zeitung eine frühere israelische Abgeordnete und heutige Mitarbeiterin der Denkfabrik Atlantic Council.

Eine israelische Bodenoffensive könne der Hisbollah helfen, sich wieder „aus der Asche“ zu erheben und die Unterstützung der breiten libanesischen Gesellschaft wiederzugewinnen, hieß es. Israels Befehlshaber seien sich zwar der Gefahr von Bodenkämpfen bewusst, schrieb die Zeitung.

Das politische Problem bestehe jedoch darin, dass Israels erklärtes Kriegsziel – die Rückkehr von 60.000 Israelis, die durch die Hisbollah-Angriffe aus Gebieten entlang der Grenze vertrieben wurden – mit Luftschlägen allein kaum zu erreichen sei.

Libanon: Bis zu einer Million Vertriebene möglich

Durch Israels Angriffe könnten im Libanon nach Angaben des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Nadschib Mikati bis zu einer Million Menschen vertrieben werden. Es sei schon jetzt die größte Zahl an Vertriebenen in der Geschichte des Landes, sagte Mikati in Beirut.

Im aktuellen Konflikt mit Israel könne es nur eine diplomatische Lösung geben: „Es gibt keine Wahl für uns als Diplomatie.“ Seit Beginn der neuen Konfrontationen wurden im Libanon nach UN-Angaben mehr als 210.000 Menschen vertrieben, unter ihnen etwa 120.000 Menschen allein im Verlauf der vergangenen Woche.

Die Zahl könnte, auch gemessen an Erfahrungen des vergangenen Kriegs mit Israel im Jahr 2006, den Vereinten Nationen zufolge aber noch deutlich höher liegen. 50.000 Syrer und Libanesen sind zudem ins benachbarte Bürgerkriegsland Syrien geflohen.

Trotz der jüngsten massiven israelischen Schläge weigert sich die Hisbollah-Miliz bislang, den Beschuss Israels einzustellen, solange Israels Regierung einer Waffenruhe im Gazastreifen zu Bedingungen der Hamas nicht zustimmt.

Hamas-Anführer im Libanon getötet

Bei einem israelischen Luftangriff im Libanon ist nach Angaben der terroristischen Hamas deren wichtigster Vertreter in dem Land getötet worden. „Fatah Scharif Abu al-Amin, der Hamas-Anführer im Libanon und Mitglied der Hamas-Führung im Ausland“, sei bei einem Angriff auf sein „Zuhause im Lager Al-Bass“ im Süden des Libanon getötet worden, teilte die Hamas am Montag mit.

Laut Hamas wurden bei dem Angriff auch al-Amins Ehefrau sowie sein Sohn und seine Tochter getötet. Zuvor hatte die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) mitgeteilt, dass drei ihrer Mitglieder bei einem israelischen Luftangriff in Beirut getötet seien worden.

Angriff auf Hafen im Jemen

Derweil bombardierten nach Angaben der israelischen Armee Dutzende Kampfflugzeuge auch im rund 1.800 Kilometer entfernten Jemen Ziele, unter anderem Kraftwerke und einen Hafen, über den die Huthi-Miliz iranische Waffen und militärische Vorräte transportiert haben soll.

Die Hafenstadt Hudaida wurde laut Augenzeugen von Explosionen erschüttert. Der Huthi-nahe TV-Sender „Al-Masirah“ meldete vier Tote. Wie die Hisbollah greift auch die Huthi-Miliz Israel immer wieder an – nach eigenen Angaben aus Solidarität mit der Hamas, gegen die Israel seit fast einem Jahr Krieg führt.

Israels Luftangriff auf den Jemen erfolgte dem Militär zufolge als Reaktion auf die jüngsten Huthi-Angriffe. Am Samstagabend war unter anderem in der Küstenmetropole Tel Aviv wegen eines Geschosses erneut Raketenalarm ausgelöst worden.

Die Huthis erklärten, sie habe den Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv mit einer ballistischen Rakete angegriffen. Diese wurde laut Militär aber noch vor Erreichen des israelischen Hoheitsgebiets abgefangen.

Derweil griff die israelische Armee nach eigenen Angaben im Norden Gazas erneut eine Kommandozentrale der Hamas aus der Luft an, die sich auf dem Gelände einer früheren Schule befunden habe, wie die Armee in der Nacht mitteilte. Man habe vor dem Angriff zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern. Die Armee griff nach eigenen Angaben außerdem weitere Stellungen der Hisbollah-Miliz in der Bekaa-Ebene im Osten des Libanons an.

(dpa/red)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion