Die Unterstützung Pakistans muss mit Strukturreformen einhergehen

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Proteste in Pakistan: Am 14. Januar rufen Aktivisten während einer Protestkundgebung in Rawalpindi Parolen.Foto: Farooq Naeem / AFP / Getty Images
Von 16. Februar 2011

Pakistans aktuelle Probleme und der hohe Stellenwert, der vielen seiner lautesten politischen Stimmen zugemessen wird, stehen nicht im richtigen Verhältnis zueinander. Dies zeigt sich sehr deutlich in der Demonstration Anfang Januar in Karachi.

Die Kundgebung, die von einer Reihe von Mitgliedern religiöser Parteien organisiert wurde, zog nur sehr wenige Menschen in Karachi an. Aber sie konnten sich nach dem Mord am-Gouverneur von Punjab, Salman Taseer, immerhin die Medien und die politische Aufmerksamkeit zunutze machen. Die Redner sagen, die Krise Nummer eins in Pakistan biete heute die Möglichkeit, dass die Regierung des Landes das Blasphemie-Gesetz kippen könnte, wie es Taseer befürwortet hatte.

Dass ein solcher Schritt für die grundlegende Zukunft des pakistanischen Volkes irrelevant ist, macht ihn nicht weniger effektiv, denn er wäre der Brennpunkt für die Entwicklung politischer Identität und eine Basis, auf der man eine Organisation aufbauen könnte.

Fragile Politik

Der Tumult um den Mord an Taseer und die Debatte über das Blasphemie-Gesetz konnten die andere große Entwicklung im neuen Jahr in Pakistan fast aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängen: das kurzfristige Ausscheiden der Muttahida Quami-Bewegung oder MQM-Partei der Pakistanischen Volkspartei bzw. der von ihr geführten Regierungskoalition aus der Nationalversammlung. Es kam dann zur Bildung einer brüchigen Minderheitsregierung unter Premierminister Yousef Gilani.

Es gab mehrere Gründe für diesen Schritt, aber hauptsächlich beklagte die MQM öffentlich die Reduzierung der staatlichen Subventionen für Treibstoff und andere Erdölprodukte am 1. Januar. Sie kritisierte auch die Bemühungen der Regierung, eine reformierte allgemeine Umsatzsteuer einzuführen, um die Inlandseinnahmen zu steigern.

Beide Maßnahmen waren wesentliche Voraussetzungen für die Gewährung eines IWF-Kreditpakets in Höhe von 11,3 Milliarden US-Dollar im November 2008. Das Versagen der Regierung beim Abbau der Haushaltsdefizite scheint dazu geführt zu haben, dass die im Rahmen dieses Abkommens vorgesehene Auszahlung von 3,5 Milliarden US-Dollar auf unbestimmte Zeit verschoben wurde.

Sollte die Regierung Gilani während der verbleibenden zwei Jahre ihrer Amtszeit auf ihrem Weg nicht vorankommen, wird sie sich einen historischen Rekord für Hartnäckigkeit angesichts einer Vielzahl von Krisen gesichert haben. (Was auch ihr Glück im Hinblick auf ihre Gegner betrifft, die alle zerstritten, irritiert und so wenig selbstsicher wie die Regierung selbst wirken.)

Die Regierung hat bisher allerdings sehr wenig geleistet, wenn es darum ging, die vielen lange vernachlässigten Probleme in Pakistan zu lösen und das Land darauf vorzubereiten, die zukünftigen Anforderungen zu bewältigen, die nicht nur darin bestehen, die anhaltenden Einnahmelücken zu schließen. Es betrifft auch die Notwendigkeit, wieder mehr in die Jahrzehnte lang vernachlässigte Bildung zu investieren; die Wirtschaft muss modernisiert und der Handel entwickelt werden; auch in die Transport-, Wasser- und Energie-Infrastruktur des Landes muss langfristig investiert werden.

In dieser Hinsicht befindet sie sich in guter Gesellschaft mit den sowohl militärischen als auch zivilen Vorgängerregierungen.

Führungsstärke war noch nie die starke Seite der Regierungsparteien in Pakistan. Keine gewählte Zivilregierung in der Geschichte Pakistans blieb jemals eine volle Periode im Amt. Die pakistanischen Bürger hatten nie die Gelegenheit, sich auf die volle Amtszeit einer Regierung einzustellen und belohnten sie mit einer Rückkehr an die Macht oder bestraften sie für ihre Fehler, indem sie ihre Gegner wählten.

Der Gewinn politischer Macht statt deren nachträgliche Rechtfertigung durch die Bereitstellung öffentlicher Güter wurde zur obersten Priorität für gewählte Volksvertreter. Militärputschisten wollten natürlich noch weniger Verantwortung übernehmen und während religiöse Demagogen am lautesten schreien konnten, haben sie nur wenig zu sagen, was die jetzigen Anforderungen an Pakistan angeht.

Hilfe von außen

Die Auswirkungen zeigen sich in einer desolaten wirtschaftlichen, diplomatischen und sicherheitsrelevanten Situation, von der sich die Regierung Gilani bis heute verständlicherweise überfordert fühlt.

Die Obama-Administration ist sich dieser Herausforderung sicherlich bewusst. Beginnend mit der Verabschiedung des Kerry-Lugar-Gesetzes versuchten Regierungsvertreter, die Prioritäten der USA in Pakistan wieder herzustellen und nicht mehr nur ausschließlich Militärhilfe zu leisten, wie es unter der Bush-Regierung der Fall war.

Außenministerin Hillary Clinton wies wiederholt darauf hin, dass viele wohlhabende Pakistaner das Land, das sie ihre Heimat nennen, nicht unterstützen. Vizepräsident Joe Biden wird bei seinem Besuch in Islamabad Versprechungen im Hinblick auf eine US-Partnerschaft mit dem Hinweis auf die andauernde Notwendigkeit von Reformen verknüpfen. Dieses Thema wird auch Gegenstand von Gesprächen zwischen Präsident Obama und Präsident Asif Ali Zardari bei dessen Besuch in Washington sein.

Die steuerlichen Maßnahmen, die die Regierung und der Internationale Währungsfonds (IWF) vorschlagen, sind nicht ideal. Als eine Art Verbrauchersteuer ist der RGST regressiv und wirkt sich nachteilig auf den großen Anteil der armen Bevölkerung dieses Landes aus, deren Einkommen am stärksten von sich daraus ergebenden Preiserhöhungen betroffen sind. Es wird kaum zu einer gleichmäßigen Besteuerung in diesem Land führen, in dem nur zwei Prozent der Bevölkerung Steuern zahlen und die höchste Steuerklasse bei 100.000 US-Dollar endet.

Das Durchschnittseinkommen eines Parlamentsmitglieds liegt dagegen bei 900.000 US-Dollar. Begründete Skepsis in der Öffentlichkeit, dass die Steuern missbraucht werden, und die Nutzung von Steueroasen in den nahegelegenen Vereinigten Arabischen Emiraten erschweren die Einführung neuer Maßnahmen zur Erhöhung des Inlandseinkommens extrem. Auch die wichtigen öffentlichen Dienste in Pakistan leisten immer weniger.

Steuerfragen

Es fehlt eine ernsthafte öffentliche Diskussion darüber, wie diese Probleme zu überwinden sind. Aber die Situation wird nur noch schlimmer und die Koalitions- und Identitätspolitik hat diese Diskussion stark verdrängt. Die PPP-Regierung konnte keine Einigkeit über das weitere Vorgehen erzielen und scheint vorerst jeden Versuch der Einführung einer RGST aufgegeben zu haben.

Ihre Koalitionspartner und -gegner im Parlament, die frei von Verantwortung gegenüber pakistanischen Steuerzahlern sowie internationalen Geldgebern sind, haben sich damit begnügt, die PPP wegen der Unbeliebtheit der Steuer zu kritisieren. Aber sie haben nur wenige konkrete eigene Alternativen vorgeschlagen, obwohl die MQM, die eine sichere Basis in den Städten hat, für die Einführung landwirtschaftlicher Steuern eintritt, die die ländliche Basis der PPP treffen würden.

Die Pakistanische Muslim-Liga Nawaz (PML-N – Pakistan Muslim League-Nawaz), die größte Oppositionspartei im Parlament, führt ihre Hedging-Strategie fort. Sie spricht sich zwar gegen die Steuer aus, gibt aber auch nur weitschweifende öffentliche Erklärungen ab.

Pakistan hat einen der niedrigsten Steuersätze der Welt, der derzeit bei rund zehn Prozent des BIP liegt. Es kompensierte die sich daraus ergebenden Defizite bis zu einem gewissen Grad mit Haushaltskürzungen und inflationär hohen Krediten von der Zentralbank, aber der Hauptgrund für Pakistans Überleben liegt darin, dass externe Geldgeber Hilfe leisteten.

Laut Professor Stephen Cohen von der Einrichtung Brookings Institution verhandelt Pakistan „mit der Waffe am Kopf“, ein Staat, der Geldgebern verspricht, dass er nicht zusammenbrechen und ein gutes Verhältnis mit ihnen pflegen wird. Diese Praxis setzt einen weiteren wichtigen Bestandteil der Rechenschaftspflicht außer Kraft, sodass die Pakistaner wenig Einfluss auf die Politik und die Programme haben, die ihre namentlichen Vertreter verwalten.

Es macht auch die kollektive Bestimmung der nationalen Prioritäten äußerst schwierig, da die Geldgeber im Ausland ihre eigenen Ziele verfolgen und selten in der Lage sind, rechtzeitige und ausreichende Beiträge zu leisten, um Pakistans Bedürfnisse zu befriedigen.

Die pakistanische Militärbürokratie konnte ihre eigenen Haushaltsprioritäten verteidigen, weil es keine parlamentarische Kontrolle gibt und weil weitere Kredite aus den Vereinigten Staaten und China gewährt werden. Sie scheint sich auch ganz aus der Steuerdiskussion herauszuhalten und darauf zu vertrauen, dass ihre Bedürfnisse in den Geldbeuteln der Pakistaner und der internationalen Geldgeber immer an erster Stelle stehen.

Nur ein Prozess der internen politischen Diskussion und Organisation kann die Frage zu Pakistans Prioritäten und wie die Kosten zu deren Erfüllung verteilt werden sollen, beantworten. Aber die internationalen Geldgeber, die Einfluss auf Pakistans Zahlungsfähigkeit haben, zählen zu den wenigen, die eine Rechenschaftspflicht der Regierung durchsetzen können.

Ausblick

Der IWF gewährte der pakistanischen Regierung einen neunmonatigen Aufschub, wies aber nicht darauf hin, dass weitere Mittel in dieser Zeit nicht ausgezahlt werden, wenn Pakistan seine Zusagen nicht einhält. Die Vereinigten Staaten und andere Mitglieder des Geldgeberforums der „Freunde Pakistans“ sollten auch weiterhin von dieser und jeder folgenden pakistanischen Regierung fordern, die Verpflichtungen im Hinblick auf die Erzielung von Einnahmen und auf die Defizitreduzierung, die sie eingegangen ist, einzuhalten. Währenddessen sollen die technische Hilfe zur Entwicklung von RGST-Alternativen und der Ausbau der Kapazität der Einkommensteuerbehörde dazu beitragen, die Forderungen zu erfüllen.

Als weiteren Anreiz zur Fortführung dieser Diskussion sollte die internationale Geldgebergemeinschaft erwägen, eine strukturierte Schuldenerlass-Vereinbarung mit Pakistan abzuschließen. Im Rahmen dieser Vereinbarung würden Fortschritte bei der Ausweitung der Bemessungsgrundlage mit dem schrittweisen Abbau der immerhin 55 Milliarden US-Dollar umfassenden Schuldenlast des Landes einhergehen, denn die jährliche Rückzahlung macht derzeit mehr als ein Drittel des Landeshaushalts aus.

Die Vereinigten Staaten könnten auch Zähne zeigen, wenn es darum geht, für die Herrschaft einer demokratischen Zivilregierung in Pakistan einzutreten, indem sie die ansehnliche Unterstützung des pakistanischen Militärs von einer jährlichen Bewertung durch die Staatssekretärin abhängig machen. Dabei sollte geprüft werden, ob das pakistanische Parlament eine Debatte und Kontrolle über den Landesverteidigungshaushalt durchführte, die traditionell als einzelne Position von den Militärs vorgestellt und genehmigt wurde.

Die Vereinigten Staaten und andere Anhänger der pakistanischen Reform stehen vor riesigen Herausforderungen, wenn sie versuchen, sich aus der Falle des moralischen Fehlverhaltens zu befreien, in der sie sich befinden. Die pakistanischen Staatsführer könnten auf den Schaden verweisen, den die Flutkatastrophe im vergangenen August in ihrem Land anrichtete. Sie könnten auch die Abgaben, die ihnen das Militär und die Bürgerschaft im letzten Jahrzehnt auferlegte, aufführen und fragen, wie die internationale Gemeinschaft nach solch schweren Verlusten noch mehr von ihnen verlangen kann.

Sie haben nicht Unrecht, wenn sie das tun. Pakistans militärische Führung kann versuchen, ihre Verhandlungsposition durch den Einsatz ihrer Streitkräfte in Afghanistan und ihre Stellung als Hüter der nuklearen Kronjuwelen des Landes zu verbessern. Diese Sicherheitsbedenken können nicht ignoriert werden.

Aber wenn die internationale Gemeinschaft Pakistan weiterhin unbegrenzt subventioniert, ohne dass das Land mithilfe von Strukturreformen seine eigenen Prioritäten setzen und unterstützen kann, wird sie nur die Symptome einer tieferen Erkrankung behandeln und den Tag der endgültigen Abrechnung weiterhin verschieben.

Colin Cookman ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für Nationale Sicherheit beim Center for American Progress.


Artikel auf Englisch: Assisting Pakistan Must Come with Structural Reforms

 

 

 



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