Die ÖVP geht als Favorit in die vorgezogene Parlamentswahl in Österreich
Nach dem Sturz der österreichischen Regierung im Zuge des „Ibiza-Skandals“ wählen die Österreicher am Sonntag ein neues Parlament. Die Chancen für den konservativen Ex-Kanzler Sebastian Kurz, erneut Regierungschef zu werden, stehen gut. Jüngsten Umfragen zufolge könnte Kurz‘ konservative ÖVP ihr Wahlergebnis von 2017 sogar noch übertreffen und rund ein Drittel der Stimmen erhalten.
Kurz‘ Regierung war nach dem „Ibiza-Skandal“ Ende Mai vom Parlament per Misstrauensvotum gestürzt worden. Hintergrund war ein heimlich auf Ibiza gedrehtes Enthüllungsvideo, das zeigt, wie der inzwischen zurückgetretene Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor der Parlamentswahl 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte im Gegenzug für Wahlkampfhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellt. Daraufhin platzte die Koalition zwischen der ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ. Die Parlamentswahl wurde auf den 29. September vorgezogen.
Straches ehemaliger Leibwächter festgenommen
Und die Affäre rund um den Ex-FPÖ-Chef zieht weitere Kreise. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Strache, seinen früheren Leibwächter und seine ehemalige Büroleiterin auch wegen des Verdachts der Veruntreuung von Parteigeldern, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtet.
Für die FPÖ kommen die jüngsten Entwicklungen kurz vor der Wahl denkbar ungünstig. Dennoch erreicht sie in aktuellen Umfragen immer noch 20 Prozent – nur sechs Prozentpunkte weniger als 2017. Und das obwohl ihr Kernthema – Kampf gegen illegale Migration – im Wahlkampf inzwischen vom Thema Klimawandel abgelöst wurde.
Dass eine Partei die absolute Mehrheit erreicht, gilt als unwahrscheinlich. Politischen Beobachtern zufolge könnte es zu einer Neuauflage der Koalition von ÖVP und FPÖ kommen. Der neue FPÖ-Chef Norbert Hofer betont, dass er in die Regierung zurückkehren will. Und zwar nicht als Verkehrsminister – ein Amt, das er von Dezember 2017 bis Mai 2019 innehatte -, sondern als Nummer Zwei neben Kurz. Allerdings lehnt Kurz eine Rückkehr des FPÖ-Politikers und früheren Innenministers Herbert Kickl in die Regierung ab.
Swoboda hält erneute Koalition aus ÖVP und FPÖ für wahrscheinlich
Der SPÖ-Politiker Hannes Swoboda, der lange für Österreich im Europaparlament saß, hält eine erneute Koalition aus ÖVP und FPÖ für „die wahrscheinlichste Variante“. Die FPÖ habe gar keine andere Chance, „politisch stark zu überleben als in einer Koalition“, sagte Swoboda am Freitag dem Deutschlandfunk.
Möglich wäre jedoch auch eine große Koalition der ÖVP mit der sozialdemokratischen SPÖ unter Pamela Rendi-Wagner. Mehrere einflussreiche ÖVP-Politiker üben hinter den Kulissen Druck auf Kurz aus, dieses Bündnis ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Allerdings hatte Kurz, als er 2017 neuer ÖVP-Chef wurde, den Bruch der großen Koalition herbeigeführt. Zudem liegen die Parteien in sozialen und wirtschaftlichen Fragen weit auseinander.
Koalition aus ÖVP, Grünen und liberalen Neos möglich
Zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs könnte es auch zu einer Dreier-Koalition aus ÖVP, Grünen und den liberalen Neos kommen. Das im Wahlkampf dominierende Umweltthema spielt den Grünen in die Hände: 2017 scheiterten sie noch an der Vier-Prozent-Hürde, inzwischen liegen sie in Umfragen bei rund 13 Prozent.
Sollten die Sozialdemokraten und die FPÖ mehr Stimmen erhalten als erwartet, könnten sie theoretisch ohne die Konservativen koalieren, wie sie es von 1983 bis 1986 getan haben. SPÖ-Chefin Rendi-Wagner lehnt dies wegen der Positionen der FPÖ – gegen illegale Migranten – jedoch strikt ab. Das Bündnis wäre also nur unter einem neuen SPÖ-Chef möglich.
Kurz hat auch eine Minderheitsregierung mit Vertretern der Zivilgesellschaft und ÖVP-Funktionären nicht ausgeschlossen. Die Opposition hat allerdings bereits angekündigt, dass sie dies nicht unterstützen würde. Sollte keine Regierung zustande kommen, sind auch Neuwahlen denkbar.
Mit ersten Hochrechnungen am Sonntag ist kurz nach 17.00 Uhr zu rechnen. Das vorläufige Wahlergebnis soll zwischen 20.00 und 21.00 Uhr eintreffen. (afp/so)
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