Die letzten Hürden des Iran-Atomabkommens
Teheran und Washington stehen kurz vor einer Einigung im Atomabkommen. Die Verhandlungen kamen Mitte März jedoch ins Stocken. Die endgültige schriftliche Fassung zur Erneuerung des Atomabkommens zwischen dem Iran und den Weltmächten sei „im Wesentlichen fertig und liegt auf dem Tisch“, sagte am 11. März der Leiter der Außenpolitik der Europäischen Union, Josep Borrell. Aber die Parteien forderten aufgrund „externer Faktoren“ eine Pause der Gespräche in Wien.
Russland will Garantie, der Iran eine Aufhebung
Zum einen liegt es daran, dass der Iran eine als terroristisch eingestufte Organisation rehabilitieren will, zum anderen hat Russland schriftliche Garantien gefordert, dass die neuen Sanktionen, die gegen Moskau wegen des Ukraine-Krieges verhängt wurden, die handelspolitische und militärische Zusammenarbeit mit dem Iran nicht beeinträchtigen.
Der russische Schritt gefährdet damit die monatelangen Bemühungen der Vereinigten Staaten und der europäischen Mächte, das Abkommen zu erneuern. Vor dem Einmarsch Russlands in der Ukraine und der anschließenden Reaktion des Westens hatte Moskau nach Angaben westlicher Diplomaten eine weitgehend konstruktive Rolle bei den Atomgesprächen gespielt.
An dem ursprünglichen Abkommen waren China, Russland, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, die EU, die USA und der Iran beteiligt. „Sein Multilateralismus war der Schlüssel zu seiner Wirksamkeit: Es verhinderte den Weg des Irans zu einer Atomwaffe vor allem deshalb, weil die internationale Gemeinschaft dem Iran mit einer einheitlichen Front gegenübertrat“, schreiben Akshai Vikram, Berater für Nuklearpolitik und Forschungsanalyst Samuel M. Hickey.
Die USA müssen dafür sorgen, dass der Iran nicht wie Russland zu einer Atommacht wird, die in der Lage ist, ihre Nachbarn zu tyrannisieren. „Ein erneutes Atomabkommen mit dem Iran ist der beste Weg, diese Katastrophe abzuwenden“, so die Experten.
Die Republikaner im US-Repräsentantenhaus sehen dies anders und warnen den amtierenden Präsidenten Biden, ohne Zustimmung des Kongresses ein Atomabkommen mit dem Iran zu schließen.
„Wir werden jede in Wien getroffene Vereinbarung, die dem US-Senat nicht zur Ratifizierung als Vertrag vorgelegt wird, als nicht bindend betrachten“, schrieben 150 Abgeordnete in einem Brief an Biden.
Bei den Verhandlungen über das Abkommen seien die USA auf Russland angewiesen, schreiben sie. Wenn jedoch diese Abhängigkeit dazu führt, dass die USA Russland in anderen Teilen der Welt nicht mehr „abschrecken“ können, müssten Amerikaner dies erfahren.
Trumps Rückzug aus dem Abkommen
Vor etwa einem Jahr begannen Teheran und Washington mit diplomatischen Bemühungen um eine Wiederbelebung des Atomabkommens von 2015.
Die intensive Pendeldiplomatie der europäischen Regierungen hat dazu beigetragen, dass sich die iranische Regierung und US-Präsident Joe Biden auf wesentliche technische Schritte einigen konnten. Der Deal ist dennoch ins Schwanken geraten.
Der eine Grund liegt vier Jahre zurück. Damals nahm der damalige US-Präsident Donald Trump die USA aus dem Abkommen mit dem Iran heraus. Er setzte die iranischen Revolutionsgarden, einen mächtigen Arm des iranischen Militärs, ab 2019 auf die schwarze Liste der ausländischen terroristischen Organisationen.
Der Iran verlangt von der Regierung Biden, die Einstufung als terroristische Organisation aufzugeben. Trump verhängte damals mehr als tausend Sanktionen gegen den Iran, aber diese eine davon könnte sich als „giftige Pille“ erweisen.
Der Verzicht auf die Kennzeichnung als ausländische Terrororganisation würde nicht bedeuten, dass das Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) vollständig von der Liste gestrichen wird. Die Organisation steht aufgrund von Menschenrechtsverletzungen, Aktivitäten zur Verbreitung von Kernwaffen und terroristischen Aktivitäten auf mehreren anderen Listen der USA.
Vielmehr geht es um die Botschaft und Unterstützung der amerikanischen Partner im Nahen Osten, analysiert die Denkfabrik „The Washington Institute“. Viele befürchteten, dass die Aufhebung der Einstufung die Auswirkungen der jüngsten US-Aktionen in der Region noch verschärfen würde.
Die Vereinigten Staaten hatten die IRGC bereits als terroristische Organisation eingestuft und sanktioniert, lange bevor die Trump-Regierung die Gruppe im Rahmen ihrer „Maximaldruck“-Kampagne auf die FTO-Liste setzte.
Biden will terroristische Gruppe nicht rehabilitieren
Die Regierung Biden hat jedoch einigen Berichten zufolge erwogen, der Forderung des Iran nachzugeben und das IRGC von der Liste zu streichen. Im Gegenzug würde sich der Iran offenbar „öffentlich verpflichten, in der Region zu deeskalieren“.
Ned Price, Sprecher des US-Außenministeriums, sagte bei einer Pressekonferenz am 16. März, dass er sich dazu nicht äußern könne. Auf der einen Seite der Verhandlungen mit dem Iran gehe es um die nuklearen Verpflichtungen, die Teheran einhalten müsste, wenn es das JCPOA wieder vollständig einhalten wollte, so Price. „Auf der anderen Seite stehen die Sanktionserleichterungen, die die Vereinigten Staaten bereit wären zu gewähren.“
Ein hochrangiger Beamter der US-Regierung widersprach und erklärte einem Reporter der „Washington Post“, dass Präsident Biden nicht die Absicht habe, in Bezug auf die Einstufung als Terroristen nachzugeben – auch wenn dies zu einem Bruch des Abkommens führen könnte: „Es liegt in der Hand des Iran, ob wir ein Atomabkommen beschließen. Der Präsident wird an seinen Grundprinzipien festhalten. Die Iraner kennen unsere Ansichten.“
Dies wird auch durch eine Erklärung von Außenminister Antony Blinken bestätigt. Auf die Frage in einem Interview mit „NBC News“, ob die IRGC eine terroristische Organisation sei, antwortete Blinken: „Ja, das sind sie.“ Und auch: „Ich bin nicht allzu optimistisch, was die Aussichten angeht, [das Nuklearabkommen] tatsächlich zu einem Abschluss zu bringen“, sagte er am 6. April bei dem Interview.
Jen Psaki, Pressesprecherin des Weißen Hauses, sagte gegenüber Reportern, dass das Verhalten „des Iran in der Region und darüber hinaus aggressiver“ geworden sei – auch durch die Islamische Revolutionsgarde.
Daher habe der Ausstieg aus dem Abkommen und die Sanktionen gegen den Iran, die Trump vorangetrieben hatte, die Aggressivität des Iran „nicht eindämmen können“, so Psaki. „Die Islamischen Revolutionsgarden wurden sogar noch gestärkt“, sagte sie.
Abkommen bringt „die ganze Welt in fatale Gefahr“
Trump hat aus einem einfachen Grund aus dem Abkommen aussteigen wollen, sagte im Jahr 2018 der damalige US-Außenminister Mike Pompeo. „Es konnte die Sicherheit des amerikanischen Volkes vor den von der Führung der Islamischen Republik Iran ausgehenden Risiken nicht gewährleisten.“ Pompeo weiter: „Das war’s. Kein Wohlstand mehr für iranische Kleptokraten. Keine Akzeptanz mehr von Raketen, die in Riad und auf den Golanhöhen einschlagen. Keine kostenfreie Ausweitung der iranischen Macht mehr. Nie wieder.“
Das Abkommen habe sogar die „ganze Welt in fatale Gefahr“ gebracht. „Die schwachen Auslaufbestimmungen des Abkommens haben die Atomwaffenfähigkeit des iranischen Regimes lediglich hinausgezögert“, warnte der ehemalige Außenminister.
„Der Iran ist dem Abkommen in böser Absicht beigetreten. Es ist erwähnenswert, dass das Regime auch heute noch lügt. Die Iraner haben sehr sorgfältig die Arbeit von Mohsen Fakhrizadeh Mahabadi und seiner Bande von Atomwissenschaftlern geschützt, versteckt und bewahrt“, sagte Pompeo.
Ohne Abkommen häuft der Iran noch mehr Wissen an
Andere sehen Trumps damaligen Schritt als Fehler an, weil ohne das Abkommen das iranische Atomprogramm weiter vorangeschritten ist. So schreibt Samuel M. Hickey von der Denkfabrik „Center for Arms Control and Non-Proliferation“, dass der Iran ohne das Abkommen durch Experimente nur noch mehr Wissen gewinnen werde, das ihn näher an den Status eines permanenten nuklearen Schwellenlandes bringe.
Sie haben fortschrittliche Zentrifugen eingeführt und anderes Wissen in der Technologie erlangt, das nicht mehr weggenommen oder rückgängig gemacht werden kann. Nach dem Ausstieg der USA hätte sich das iranische Verhalten verschlechtert, so Hickey.
Die Vorteile des Abkommens seien daher „unabdingbar“, meint Hickey. Es verbiete den Waffentransfer an terroristische und nichtstaatliche Gruppen. In Abstimmung mit ihren Partnern in der Region und der internationalen Gemeinschaft verhängen die Vereinigten Staaten damit Waffenembargos und unterbinden destabilisierende Aktionen, darunter iranische Waffentransfers an die Huthis im Jemen, schiitische Kämpfer im Irak, die Hisbollah im Libanon, Libyen und Nordkorea.
Zudem wird der Verkauf von Raketen eingeschränkt und die Lieferung von ballistischen Raketen verboten. Er führt auch auf, dass Sanktionen gegen jeden verhängt werden, der den Iran bei der Entwicklung von Raketen unterstützt.
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