Die „Cloud“ als Risiko – Lehren aus der jüngsten globalen IT-Panne

Der Schaden der kürzlichen IT-Panne könnten am Ende in die Milliarden gehen. Es wird vermutet, dass ein Anti-Virenprogramm durch eine fehlerhafte Aktualisierung die Probleme ausgelöst hat.
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Zentralisierte Cloud- und Serverdienste bieten Komfort und Kostenreduzierung. Ein Fehler kann jedoch erhebliche Folgen, wie zuletzt mit internationalem Ausmaß, mit sich bringen. Hier das Microsoft-Gebäude in Issy-les-Moulineaux bei Paris, Frankreich.Foto: Jean-Luc Ichard/iStock
Von 21. Juli 2024

Viel praktische Arbeit ist nötig, um einen solchen Zwischenfall zu bewältigen. Die Fehler im Programmcode müssen identifiziert und der korrigierte Code muss dann in alle betroffenen Systeme integriert werden. Je schneller dies geschieht, desto geringer der Schaden. Bei ferngesteuerten Systemen, die heute sehr verbreitet sind, muss oft physisch am Server hantiert werden.

Auch ohne sich in alle technischen Details hineinzudenken, lassen sich zwei wesentliche Lehren aus der Panne ziehen.

Gefährliche Monopolisierung

Der Kapitalismus neigt dazu, Monopole zu schaffen. Dies gilt auch für den Softwaremarkt, und diese Kombination ist im digitalen Zeitalter schnell toxisch.

Wenn eine Anti-Virensoftware aufgrund ihrer Leistung sehr erfolgreich wird, neigen andere Software- und Hardware-Unternehmen dazu, ihre Produkte auf diese Erfolgs-Software abzustimmen und ihre Produkte im Paket mit ihr anzubieten. Firmen, Verbände und Regierungen greifen dann oft zu, weil sie kostengünstiger und einfacher zu verwalten sind.

Wird so ein dominierendes Programm fehlerhaft aktualisiert, so können die Auswirkungen in allen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft zu spüren sein.

Bei der Diakonie laufen Tabellenkalkulationen und Schreibprogramme nicht mehr, Krankenhäuser können ihrer OP-Software nicht mehr aufrufen und sagen Operationen ab, Flugzeuge können nicht mehr starten, weil die Datenflüsse zur Bestimmung ihrer gegenseitigen Position nicht mehr funktionieren – und ich stehe vorm Geldautomaten und gehe leer aus: Game Over.

Hier potenziert sich die Geschwindigkeit und Reichweite der Kettenreaktion von Ausfällen – denn auch bei Tabellenkalkulation und OP-Software herrscht dieselbe Tendenz zur Bildung faktischer Monopole oder Oligopole einiger weniger Produkte.

Und wenn diese wenigen Marktbeherrscher auf die fehlerhaft aktualisierte, aber eben marktbeherrschende Anti-Virussoftware gesetzt haben, so wird die Anfälligkeit des Systems für einen Zusammenbruch strukturell sehr groß.

„Cloud“-Computing als Risiko

Eine weitere Lehre betrifft das „Cloud“-Computing. Heute wird Software und Hardware oft nicht mehr gekauft und auf eigenen Servern installiert, sondern als Dienstleistung gemietet. Dieses neue Modell, IT bereitzustellen, heißt SaaS und HaaS: Software as a Service, Hardware as a Service.

Kauft ein Tech-Konzern 5.000 Server auf einmal, zahlt dieser dafür viel weniger, als wenn Sie oder ich nur einen kaufen. Auch können Konzerne ihre Serverfarmen dort platzieren, wo Strom billig und die Steuern niedrig sind – rechnen können die Maschinen überall. Aus diesen und andere Gründen ist es heute viel billiger, IT-Dienste aus der „Cloud“ einzukaufen, als einen vollen Eigenbetrieb zu unterhalten.

Eine auf „Cloud“-Computing setzende Wirtschaft, in der fast jeder Arbeitsvorgang auf Datentransfer zwischen Systemen beruht, ist effektiv, effizient – und enorm angreifbar. Fließen die Daten, so wird viel Geld, Rohstoff, Transport und Zeit gespart; wird der Datenfluss unterbrochen, fallen alle diese Synergien weg und das System bricht zusammen.

Auch politische Aspekte sind wichtig. 66 Prozent der weltweiten Cloud-Dienste werden von drei US-amerikanischen Unternehmen angeboten, die enge Beziehungen zur US-Regierung pflegen. Dies wirft Fragen zur staatlichen Souveränität auf, insbesondere in Zeiten hybrider Kriegsführung, in der das Internet als Kampfplatz betrachtet wird.

Es ist daher entscheidend, dass essenzielle Datenströme unter eigener Kontrolle bleiben, um die Sicherheit und Handlungsfähigkeit von Unternehmen, Verbänden und Regierungen zu gewährleisten.

Über den Autor:

Michael Andrick ist promovierter Philosoph und Kolumnist der Berliner Zeitung. Er lebt in Berlin und publiziert unter anderem in Deutschlandfunk Kultur, Schwäbischer Zeitung und Weltwoche. Sein aktuelles Buch „Im Moralgefängnis“ wurde ein Spiegel-Bestseller.



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