Deutsche Oper gibt Fliegenden Holländer in der Philharmonie Berlin
Ein spezielles Konzerthighlight zum Wagnerjahr veranstaltete die Deutsche Oper am 27. Mai in der Philharmonie Berlin. Eine Aufführung vom „Fliegenden Holländer“ in der Pariser Urfassung von 1841 mit Donald Runnicles am Pult und einer hochkarätigen Solistenriege, darunter Heldentenor Klaus Florian Vogt als Erik, Ricarda Merbeth als Senta und der aktuelle Bayreuther Holländer-Darsteller Samuel Youn.
Die Aufführung in der ausverkauften Philharmonie wurde vom Publikum gefeiert und doch war sie von wenigen Lichtblicken abgesehen ein tragisches Beispiel für schlecht interpretierten Wagner.
Warum? Sagen wir es mit Oscar Wilde: „Ich mag Wagners Musik mehr als die irgendeines anderen. Sie ist so laut, dass man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne dass die Nachbarn hören, was man sagt.“ (Dies war übrigens nicht die Meinung des Autors Wilde, vielmehr charakterisierte er damit im „Bildnis des Dorian Gray“ eine ziemlich ungebildete Dame …)
Leider wurden unter dem Dirigat von Donald Runnicles alle Klischees vom ohrenbetäubenden Richard Wagner erfüllt. Der dezibelsüchtige GMD wollte mit dem Orchester der Deutschen Oper großes Drama inszenieren. Dass er die Ouvertüre sinfonisch auffassen und in die Vollen gehen würde, war Ehrensache. Er erntete nach diesen intensiven ersten zehn Minuten einen verdienten Applaus-Sturm. Aber dass er das Orchester den ganzen Abend lang im Forte als Grundlautstärke führen würde – jede Instrumentengruppe immer mit vollem Sound, jeden einzelnen Musiker am Limit des Möglichen – das strengte an und ließ an den eigentlichen Höhepunkten keine Spielräume mehr zu. Und Wagners geistiger Inhalt, das Zwischenmenschliche mit seinen subtilen Zwischentönen, blieb auf der Strecke.
Man erlebte Solisten, die gegen die Klangmassen ankämpften und Chorherren, die schon im ersten Akt rot anliefen. Der souveräne und strahlkräftige Clemes Bieber als Steuermann schmetterte im Streicher-Donnergrollen sein Lied „Durch Gewitter und Sturm“ und hatte Glück, dass sein Part nur so kurz war.
Aus der Klangschlacht des ersten Aktes ging Ante Jerkunica mit überragend voluminösem Bass und müheloser Textverständlichkeit als Sieger hervor. Doch auch er klang als Daland, bzw. „Donald“ an diesem Abend etwas forciert und tremolierend. Der arme Samuel Youn, von Natur aus viel zarter konstituiert, hatte gegen ihn nicht den Hauch einer Chance. Sein Seufzen: „Ach, ohne Hoffnung wie ich bin, geb´ ich mich doch der Hoffnung hin“ hörten nur die Kenner. Der hingebungsvoll auftretende Koreaner kämpfte mit der Bewältigung seiner Rolle und der Saalgröße der Philharmonie. Wie bei seinem Bayreuther Rollendebüt vor einem Jahr sang er sich die Seele aus dem Leib, um als Holländer ernstgenommen zu werden. Schon nach seinem Monolog hatte er hörbare Probleme mit den tiefsten Tönen, als seine Stimme von der Anstrengung bereits verschrien war. Also zitterte man mit ihm …
Bitte lesen Sie weiter auf Seite 2, wie es im zweiten Akt weiterging
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Zweiter Akt: Der von Wagner heimelig bis neckisch angelegte Damenchor summte und brummte überdimensioniert. Dana Beth Miller als Mary holte aus ihrer kurzen Rolle das Optimum heraus.
Mit ihrem wunderbar fülligem Alt gelang es ihr, die resoluten Ermahnungen der Amme zu singen –
so charaktervoll pointiert, dass man gespannt auf ihren nächsten Einwurf wartete.
Ricarda Merbeth manövrierte sich sodann mit gebändigtem Temperament und Würde durch die tückische Ballade und die restliche Partie der Senta. Mit einem homogenen Sopran hielt sie im Dauerforte ohne Hysterie, aber auch ohne Mädchen-Romantik, durch.
Der Lichtblick war Klaus Florian Vogt als Erik, der in der Urfassung Georg heißt. Mit seinem natürlich deklamierenden Tonfall und sein knabenhaft unschuldiges Timbre setzte er Momente der Besinnung und Ausdrucksnuancen durch, weil er sich standhaft weigerte, mitzubrüllen. Mit Tönen, die aus dem Piano aufblühten gestaltete er glaubwürdigen Herzschmerz. Sehr schön und gefühlvoll gelang seine Traumerzählung, der man gebannt lauschte.
Eine positive Überraschung wurde auch der kontemplative, sehr leise Beginn des Liebesduetts von Senta und dem Holländer. Der fröhliche Matrosenchor war der beste Moment des Chores der Deutschen Oper, der schmissig, prägnant und klangschön gelang (Einstudierung William Spaulding). Hier deckte sich das Lautstärke-Verständnis auch eindeutig mit Wagners Intention.
Das Finale glich einer mehrminütigen Luxus-Lärmexplosion, hier nicht gekrönt von der verklärenden Apotheose des Erlösungs-Motivs, sondern einer zackigen Schluss-Formel im französischen Stil, die sich aus heutiger Perspektive etwas trivial und anmontiert anhört, weil sie so gar nicht zu Wagners epischer Klangsprache passt.
Am Ende war das Publikum Feuer und Flamme für Samuel Youn und Ricarda Merbeth (beide wurden gefeiert wie koreanische Popstars) und auch allen anderen Beteiligten schlug einhellige Begeisterung entgegen. Der Jubel für den konzertanten Fliegenden Holländer in der Urfassung in der Philharmonie Berlin überstieg bei weitem den durchschnittlichen Premieren-Applaus in der Deutschen Oper.
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