Deutsche Kuratorin und Aktivistin in Bagdad entführt – Auswärtiges Amt richtet Krisenstab ein

Moderne Kunst hat in konservativen Kreisen des Irak einen schweren Stand. Die Deutsche Hella Mewis wollte jungen Künstlern eine Bühne verschaffen. Nun ist sie Aktivisten zufolge von bewaffneten Männern entführt worden - unweit ihres Kulturinstituts.
Titelbild
Ein irakischer Mann fährt am 21. Juli 2020 mit seinem Motorrad an den Räumlichkeiten des irakischen Kunstkollektivs Tarkib im Bagdader Stadtteil Karrada vorbei.Foto: AHMAD AL-RUBAYE/AFP via Getty Images
Epoch Times21. Juli 2020

Nach der Entführung einer Deutschen in Bagdad hat das Auswärtige Amt einen Krisenstab einberufen. Das Auswärtige Amt habe damit begonnen, sich um den Fall zu kümmern, um „eine Lösung zu finden, bei der die betroffene Person und ihr Wohlbefinden gesichert“ werden könnten, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Dienstag bei einem Besuch in Griechenland. Weiter wolle er sich nicht zu dem Fall äußern.

Nach Angaben aus irakischen Sicherheitskreisen war die deutsche Kuratorin und Kulturvermittlerin Hella Mewis am Montagabend vor ihrem Büro im Zentrum der irakischen Hauptstadt in ein Auto gezerrt und entführt worden. Bewaffnete Männer hätten Mewis in ihre Gewalt gebracht, schrieb Ali al-Bajati, Mitglied der vom Parlament gewählten Menschenrechtskommission, bei Twitter.

Die Entführung auf offener Straße habe sich in der Nähe einer Polizeiwache ereignet, die Polizisten hätten jedoch nicht eingegriffen. Das irakische Innenministerium bildete nach Angaben eines Sprechers ebenfalls einen Sonder-Stab mit Geheimdienst- und Kriminalexperten, um dem Fall nachzugehen. Im Irak waren in den vergangenen Monaten vermehrt Ausländer entführt worden.

Sicherheitskräfte hätten die Suche nach ihr aufgenommen, sagte ein Aktivist, der namentlich nicht genannt werden wollte, der Deutschen Presse-Agentur in der Nacht. Das Auswärtige Amt bestätigte die Entführung der Deutschen zunächst nicht.

Arbeit am Kulturinstitut Bait Tarkib

Mewis wurde in Berlin geboren und lebt seit mehreren Jahren in Bagdad. Sie arbeitete dort am Aufbau des Kulturinstituts Bait Tarkib, das die Arbeit junger irakischer Künstler fördern will. Zeitweise war sie auch für das Goethe-Institut tätig. Bait Tarkib – zu übersetzen etwa als „Haus der Installation“ – wurde 2015 zur Förderung zeitgenössischer Kunst gegründet. Die Organisation bemüht sich laut ihrer Website darum, „aufstrebende irakische Künstler und junge Menschen zu fördern, die ihr künstlerisches Talent entwickeln oder eine künstlerische Laufbahn anstreben“. Das arabische Wort „tarkib“ kann auch mit „Kombination“ oder „Struktur“ übersetzt werden.

Nach dem Ende von Saddam Husseins Diktatur im Jahr 2003 lebte der politische Islam im Irak wieder auf – und damit auch konservative islamische Werte, die viele Arten von nicht-religiöser Kunst als verboten („haram“) betrachten. Viele irakische Künstler haben in ihrer Heimat einen schweren Stand und leben im Ausland.

Mewis war meist ohne Kopftuch unterwegs

Der in Deutschland lebende irakische Schriftsteller Najem Wali beschrieb Mewis gegenüber dem Magazin „Spiegel“ im Jahr 2017 als Frau, die entgegen irakischer Konventionen in Cafés geht, ihr Haar offen trägt und nur selten zum Kopftuch greift.

An der Uferstraße am Tigris habe sie 2016 eine Frauenfahrrad-Demonstration organisiert. Mewis habe Kontakte in die Politik und sei gut vernetzt.

Vor zwei Wochen hatten Unbekannte in Bagdad den international anerkannten politischen Analysten Hischam al-Haschimi in der Nähe seiner Wohnung erschossen. Zunächst bekannte sich niemand zu der Tat.

In den irakischen Medien richtete sich der Verdacht vor allem gegen die Iran-treue schiitische Miliz Kataib Hisbollah und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Al-Haschimi galt als einer der besten Kenner extremistischer Gruppen im Irak. Er äußerte sich häufig kritisch zu proianischen Milizen im Land und war als Regierungsberater tätig. (dpa/nh)



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