Der nukleare Geist in der Flasche

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Georgische Soldaten am Checkpoint eines militärischen Trainingslagers vor Tiflis. Georgien war die letzten Jahre eine Hauptquelle für geschmuggeltes nukleares Material.Foto: Vano Shlamov / AFP / Getty Images
Von 7. Februar 2011

Die Globalisierung, die durch immer bessere Kommunikations-und Transportmöglichkeiten und die weltweite Verbreitung von Wissen über das Internet immer schneller fortschreitet, hat auch die Ausbreitung der sensiblen nuklearen Technologien in der ganzen Welt mit sich gebracht, und verschärft so die Gefahr nuklearer terroristischer Bedrohungen.

Im November vergangenen Jahres wurden zwei armenische Männer in einem geheimen Gerichtserfahren wegen Schmuggels von hoch angereichertem Uran nach Georgien verurteilt – ein neuer Beweis der anhaltenden Gefahr des Schmuggels nuklearer Materialien in der ehemaligen Sowjetunion. Im März wurde die beiden bei einer verdeckten Operation festgenommen, als sie versuchten, das Material an militante Islamisten zu verkaufen.

Obwohl nur eine kleine Menge, wäre das Uran potenziell für einen nuklearen Sprengkopf oder eine schmutzige Bombe nutzbar gewesen. Eine „schmutzige Bombe“ verwendet konventionelle Sprengstoffe, um ohne nukleare Detonation radioaktive Stoffe über eine große Fläche zu streuen. Ähnliche Schmuggel-vorfälle wurden in Georgien in den Jahren 2003 und 2006 entdeckt, was darauf hindeutet, dass die ehemaligen Ostblockländer die Achillesferse der nuklearen Sicherheit bleiben, während die Weltöffentlichkeit auf Nordkorea und den Iran schaut.

Ein anderer Schmuggel mit nuklearem Material ereignete sich 2008 im Kongo. Eine Gruppe von ruandischen Rebellen versuchte im Osten des Landes sechs Container angeblich voll mit Uran aus den Tagen der belgischen Kolonialherrschaft zu verkaufen. 1943 verkaufte Belgien Uran aus der Shinkolobwe Mine in Ruanda an die Vereinigten Staaten. Später verwendeten die Amerikaner das Uran für die Atombombe, die auf Hiroshima abgeworfen wurde. Die Shinkolobwe Mine wurde 1960 geschlossen.

Pakistan ist eine weitere Quelle für nukleare Alpträume. Die von Wikileaks veröffentlichten Dokumente lassen hektische amerikanische Diplomatie erkennen, der es nicht gelingt, Pakistans nukleare Anlagen sicherer zu machen. Eine bedeutsame Aufzeichnung zeigt, wie trotz jahrelanger Bemühungen es Washingtonnicht schaffte, pakistanische Beamte zu veranlassen, ihrer vertraglichen Verpflichtung nachzukommen, das von den USA gelieferte hoch angereicherte Uran, das in einem pakistanischen zivilen Forschungsreaktor aufbewahrt wird, zurück zu geben.

Am 21. Dezember 2010 unterzeichneten die Vereinigten Staaten und die Demokratische Republik Kongo eine Vereinbarung zur Bekämpfung des illegalen Handels mit nuklearen und radioaktiven Materialien. Die Vereinigten Staaten haben ähnliche Verträge mit Armenien, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan und der Ukraine abgeschlossen.

Nukleare Gefahren

Während in der Öffentlichkeit US-Beamte beschwichtigende Kommentare über die nukleare Sicherheit Pakistans verbreiteten, warnen die veröffentlichten Dokumente, dass das gleichzeitige Wachstum des islamistischen Extremismus und Pakistans Atomwaffenanlagen das Risiko erhöhen, dass islamistische Terroristen eine pakistanische Atombombe zünden. Das könnte vielleicht auf dem Times Square geschehen, der dieses Jahr schon das Ziel eines gescheiterten pakistanischen Autobombenanschlags war.

Eine konventionelle Explosion auf dem Times Square während der Theatervorstellungen könnte schon Schreckliches verursachen. Aber wenn eine solche Bombe mit radioaktivem Material aus Pakistan eingeschmuggelt würde, hätten die Vereinigten Staaten den verheerendsten Terroranschlag der Weltgeschichte. Die daraus entstehenden Verluste wären schlimmer als die aus den Angriffen des elften Septembers. Die Menschen würden die verseuchten Gebiete meiden, Gefährdete würden medizinische Versorgung brauchen und die globalen Verkehrsnetze wären blockiert.

In den letzten Jahren haben islamistische Terroristen mehrere Atomanlagen Pakistans angegriffen. Ziele waren ein nukleares Raketen-depot bei Sargodha, ein nuklearer Luftwaffenstützpunkt bei Kamra und ein Atomwaffen-Montageort bei Wah. Durchgesickerte Nachrichten zitieren Sorgen Russlands und der USA über „Insider Zugänge“ zu dem weitläufigen Nuklearkomplex des Landes und Hinweise auf die offensichtliche Gefahr, dass einige der 130.000 Beschäftigten in den kerntechnischen Einrichtungen Pakistans islamistischen Terroristen helfen könnten, westliche Ziele anzugreifen.

Im Februar 2009 schrieb der US-Botschafter, dass „unsere Hauptsorge nicht die ist, dass ein militanter Islamist eine ganze Waffe stehlen könnte, sondern die Möglichkeit, dass jemand, der in einer Einrichtung der GOP (Regierung von Pakistan) arbeitet, mit der Zeit genügend Material heraus schmuggeln könnte, um daraus schließlich eine Waffe zu produzieren.“

Glücklicherweise hat die Globalisierung auch den Verteidigern gegen den nuklearen Terrorismus Werkzeuge zur Verfügung gestellt, um dem entgegenzuwirken. Um den Bedrohungen entgegenzutreten, errichtet die US-Regierung eine mehrschichtige Verteidigung von sich selbst verstärkenden Initiativen, die sich auf internationale Koalitionen von Regierungen gründen. Einige dieser Regierungen waren in Bezug auf Sicherheit lange Jahre Kontrahenten.

Stufen der Verteidigung

Bei der ersten Stufe werden gefährliche Kernmaterialien unter Verschluss gehalten. Die zweite Stufe soll verhindern, dass Kernmaterial auf dem Transport durch verschiedene internationale Schmugglerringe entwendet wird; die letzte Stufe besteht in Barrieren, die an US Grenzposten und anderen Orten des Eingangs errichtet sind.

Zur Vorbeugung gehört die Einschränkung der Menge von ungesichertem Kernmaterial durch verschiedene Rüstungskontrollen, Abrüstung und Maßnahmen zur Verringerung der Bedrohung. Darüber hinaus umfasst Prävention bauliche Maßnahmen wie die Zusammenführung von Kernmaterial in einer begrenzten Anzahl von geschützten und überwachten Einrichtungen. In den letzten Jahren haben die Vereinigten Staaten das mit ihrem eigenen nuklearen Komplex schon getan.

Die zweite Stufe von Maßnahmen, die sich auf Verbote konzentriert, umfasst Initiativen des Abfangens oder Wiederrauffindens von Kernmaterial, das den Sicherheitskontrollen entgangen ist. Ende Dezember übergab das US Nuclear Detection Domestic Amt dem US-Kongress seinen langem erwarteten „strategischen Plan“ zur Architektur einer globalen Nuklear-Ermittlungsstrategie. Die Idee ist, ein weltweites Netzwerk von Mess-Sensoren, Kommunikation, Personal und anderen Elementen zu schaffen, um die potenzielle Bewegung illegalen Kernmaterials und radioaktiven Stoffen oder Waffen zu erkennen und zu melden.

Weitere Unterstützung besteht in der Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Küsten- und Grenzwachen, Kernenergie-Dealer zu erwischen. Zum Beispiel legte ein im Februar 2007 unterzeichnetes US-Abkommen mit Georgien die 50 vorrangige Bereiche fest für gemeinsame Maßnahmen zur Verbesserung des Leistungsvermögens Georgiens, um dem Kernenergie-schmuggel zu begegnen. Besondere Unterstützung erhalten die Strafverfolgungsbehörden.

Die letzte Verteidigungslinie der USA sollen die US- Einreisehäfen sowie andere unerlaubte Grenzübergänge gegen Nuklearschmuggel stärken. Zum Beispiel werden in den US-Seehäfen nun fast alle Container-ladungen auf radioaktive Materialien überprüft, die entweder für eine Kernwaffe oder eine „schmutzige Bombe“ verwendet werden können.

Ergänzt werden diese Maßnahmen durch verschiedene inländische Programme, um US- Kernmaterial und Technologien vor Missbrauch zu schützen. Zum Beispiel unterliegt der Verkauf und die Lagerung von radioaktiven Stoffen in US-amerikanischen Krankenhäusern und Universitäten durch neue Regelungen einer besseren Kontrolle.

Die Gefahr des nuklearen Terrorismus hat sogar eine positive Auswirkung auf die internationale Politik. Trotz ihrer Unterschiede bei vielen internationalen Sicherheitsfragen arbeiten Russland und die Vereinigten Staaten gegen nukleare terroristischer Bedrohungen gut zusammen. Im Jahr 2006 haben zum Beispiel die Präsidenten Wladimir Putin und George Bush eine weltweite Initiative mit dem Ziel ins Leben gerufen, dem Nuklearterrorismus entgegenzutreten.

Viele andere Länder einschließlich der Atommächte China, Indien und Pakistan haben sich dieser Initiative angeschlossen, die sich im Gegensatz zu vielen allgemeinen Nichtverbreitungsinitiativen auf die Reduzierung nuklearer terroristischer Gefahren durch die Gewinnung einer Vielzahl von öffentlichen und privaten Akteuren konzentriert. Zum Beispiel tauschen sich lokale Angetellte von Strafverfolgungsbehörden mit ausländischen Kollegen über bewährte Praktiken aus. Darüber hinaus arbeiten sie mit privaten Unternehmen zur Erhöhung der Sicherheit ziviler Atomanlagen zusammen.

Obwohl China und die Vereinigten Staaten sich nicht einig sind, wie auf die nuklearen Aktivitäten des Iran, Pakistan und Nordkorea zu reagieren ist, haben sie und die anderen Regierungen ein gemeinsames Interesse im Kampf gegen transnationale nukleare Terroristen, die jedes Ziel auf der Erde angreifen können, sei das nun in Washington, London oder Peking.

Richard Weitz ist leitender Wissenschaftler und Direktor des Zentrums für politisch-militärische Analyse am Hudson Institute in Washington, DC. Mit freundlicher Genehmigung von YaleGlobal Online. Copyright © 2010, Yale Center for the Study of Globalization, Yale University.

Originalartikel auf Englisch: How to Keep the Nuclear Genie in the Bottle

 

 



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