Der Kosovo ist zum Pulverfass des Balkans geworden – Explosion in Sicht?

Serbien tut sein Bestes, um den Frieden zu bewahren. Dennoch erklärt der serbische Verteidigungsminister, dass seine Armee sofort in den Kosovo einmarschieren wird, wenn er einen entsprechenden Befehl erhält.
Titelbild
Die Flagge des Kosovo.Foto: iStock
Von 5. Oktober 2023

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Die serbische Regierung in Belgrad hat die internationale Gemeinschaft wiederholt auf die Ursache der Spannungen in Kosovo aufmerksam gemacht. „Die im Kosovo lebenden Serben stehen unter Druck und sollen aus ihrer Heimat vertrieben werden“, sagte der serbische Verteidigungsminister Milos Vucevic am 2. Oktober auf einer Pressekonferenz.

„Wenn die Armee vom serbischen Präsidenten als Oberbefehlshaber den Befehl erhält, in das zu Serbien gehörende Gebiet des Kosovo einzudringen, wird sie dies effizient, professionell und erfolgreich tun“, verwies er auf den Ernst der Lage.

Laut dem Minister seien die Beziehungen zwischen der serbischen Armee und der NATO-geführten Kosovo-Truppe (KFOR) ausgezeichnet. Das KFOR-Kommando werde vor jeder Operation informiert. „Wir würden nichts hinter ihrem Rücken tun“, so Vucevic.

Seinen Angaben zufolge ist die KFOR in „Übereinstimmung mit den internationalen Konventionen weder auf serbisches Territorium vorgedrungen, noch hat die serbische Armee die Grenze überschritten“.

Nach Ansicht der Regierung des Kosovo würde Serbien das Gebiet jedoch jederzeit besetzen, wenn es seinen EU-Beitritt nicht gefährdet sieht. Die Krise sei „nur noch einen Befehl“ von einem Waffengang entfernt.

Kosovo-Premierminister behauptet: Serben wollen ein Stück des Landes abspalten

Auslöser der neuen Spannungen war Ende September der Angriff eines 30-köpfigen, schwer bewaffneten serbischen Kommandotrupps im Nordkosovo auf Polizisten des Kosovo. Dabei waren drei serbische Angreifer sowie ein kosovarischer Polizist getötet worden.

Trotz des Eingeständnisses von Milan Radoicic, wonach er den Anschlag organisiert habe, hat die Führung des Kosovo Zweifel geäußert. Radoicic trat inzwischen als stellvertretender Vorsitzender der serbischen Minderheitenpartei „Serbische Liste“ im Kosovo zurück.

Xhelal Svecla, Innenminister des Kosovo, behauptete nach dem Vorfall, dass „Beweise darauf hindeuten, dass Serbien den Norden des Kosovo annektieren wollte und dass die Angreifer in Serbien ausgebildet wurden“.

„Der Angriff serbischer Bewaffneter vor acht Tagen war Teil eines größeren Plans zur Annexion des nördlichen Kosovo“, erklärte der kosovarische Premierminister Albin Kurti am Montag. Er bezog sich dabei auf Dokumente, die von der Polizei beschlagnahmt wurden. Seine Mitteilung hat er auf der Social-Networking-Seite X, früher bekannt als Twitter, veröffentlicht.

Kurti ergänzte, Serbien hätte geplant, „37 verschiedene Punkte anzugreifen und einen Korridor zu schaffen, um Waffen und Truppen aus Serbien in den Norden des Kosovo zu schicken“.

Karte von Serbien und dem Kosovo. Foto: Wikimedia

Serbien weist Behauptungen als „Lügen“ zurück

Der serbische Generalstabschef reagierte noch am selben Tag. In seiner Antwort erklärte Milan Mojsilovic, dass „die serbische Armee eine ernsthafte und starke Organisation ist, die keine Lügen duldet“.

Er fügte hinzu, dass die Intelligenz der Führung in Belgrad „durch Anschuldigungen, die serbische Armee ‚plane einen Angriff auf den Kosovo‘, beleidigt wird“.

Serbien habe die Kosovo-Albaner nicht angegriffen, sagte der serbische Generalstabschef. Es sei auch eine Verzerrung, dass „die Zahl der Truppen in der Nähe der serbisch-kosovarischen Grenze zugenommen hat“. Dem Politiker zufolge stellen die „Berichte aus Washington und Brüssel“ die Geschehnisse nicht in einem realistischen Licht dar.

Die Bereitschaft der Armee sei nicht erhöht, so Minister Vucevic, es sei nur auf die Sicherheitskrise mit einer Erhöhung der Anzahl an Soldaten reagiert wurden.

„Ich bin überrascht, wenn jemand tiefe Besorgnis über 8.350 Soldaten äußert“, sagte er. Der Verteidigungsminister wies dabei auf die Tatsache hin, dass sich maximal diese Zahl in der Grenzzone befand – während zuvor 14.000 Soldaten dort stationiert waren und „sich niemand daran störte“.

Nach Angaben der ungarischen Zeitung wurden in den sozialen Medien auch Videos gepostet, die zeigen, wie sich serbische Streitkräfte, die infolge des Vorfalls eingesetzt wurden, ins Land zurückziehen.

Kosovo fordert: Serbien den EU-Kandidatenstatus entziehen

Der Kosovo scheint jedoch an seiner Position festzuhalten. Die Truppenrückzüge an der Grenze und die Rhetorik der serbischen Regierung „erinnern an das russische Verhalten vor dem Angriff auf die Ukraine“, betonte die kosovarische Außenministerin Donika Gervalla-Schwarz.

Die Ministerin forderte die Europäische Union auf, Serbien den Kandidatenstatus zu entziehen. Und zwar „bevor ein Krieg ausbricht“, berichtete „karpat.in.ua“.

Nach Ansicht der Politikerin werde der serbische Präsident Aleksandar Vučić „die Angelegenheit nicht ruhen lassen, wenn nicht klare Worte über die zu erwartenden Konsequenzen seines Handelns gesprochen werden“.

Mit „klaren Worten“ meint sie die Aussetzung des EU-Kandidatenstatus Serbiens im Falle eines Angriffs auf den Kosovo und die Streichung der EU-Gelder für Serbien. Präsident Vučić habe vergangene Woche selbst gesagt, er habe nicht die Absicht, die Armee in den Kosovo zu entsenden. Eben, weil er Serbiens EU-Ambitionen nicht schaden will.

Ein Heilmittel für historische Wunden gesucht

Aus Angst vor dem hohen Bevölkerungswachstum und dem wachsenden Nationalbewusstsein der Kosovo-Albaner führten die Serben schon seit den 1980er-Jahren „repressive Maßnahmen“ ein, erinnert sich Géza Jeszenszky. Der bekannte ehemalige ungarische Außenminister äußerte seine Meinung in einem auf der Website „transtelex.ro“ veröffentlichten Kommentar aus aktuellem Anlass.

Damals war es der serbische Führer Slobodan Milošević, der die Autonomie, die die Albaner zuvor genossen hatten, abschaffte, erklärt Jeszenszky weiter. „Die Schulen schlossen, in denen Albanisch unterrichtet wurde, und die Armee besetzte das Gebiet.“ Daraufhin beschlossen die Albaner „in einem geheimen Referendum im September 1991, die Unabhängigkeit des Kosovo zu erklären“. Dies weltweit anzuerkennen, ist natürlich keine leichte Aufgabe. In der Tat ist dies noch nicht vollständig erfolgt.

Die internationale Gemeinschaft hat versucht, eine „faire Lösung“ zu finden. Laut Jeszenszky besteht diese im Großen und Ganzen darin, „dass der Kosovo, wenn die überwältigende Mehrheit seiner Bevölkerung dies wünscht, ein unabhängiger Staat sein sollte. Seine serbische Minderheit (der nördliche Teil und einige serbische Enklaven) sollte aber Autonomie genießen“. Das gesamte Gebiet sollte sich außerdem mit internationaler Unterstützung „friedlich entwickeln“.

Die vergangenen fünfzehn Jahre – seitdem die Unabhängigkeit von Kosovo bereits von 105 Ländern anerkannt wurde – haben jedoch gezeigt, dass dieser „faire und rationale Ansatz nicht funktioniert“. Sowohl die Region als auch Europa, das bisher versucht hat, ein künstliches Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, stehen an einem Scheideweg.

„Die Welt ist voll von diskriminierten, verfolgten nationalen Minderheiten, die ihre eigene Sprache sprechen“. Gleichzeitig ist es „unrealistisch“, dass jede von ihnen ein eigener Staat wird. Die Lösung sei daher sehr wahrscheinlich eine „personengebundene Autonomie“, meint Jeszenszky.

AfD-Vorsitzender auf der Suche nach einer friedlichen Lösung

Wie genau die „gute Lösung“ aussehen würde, darüber sollte jetzt eine Einigung zwischen Serbien und dem Kosovo erzielt werden.

Anfang Oktober befand sich auch der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla in der serbischen Hauptstadt. Nach eigenen Angaben besuchte er Belgrad, um sich „tiefgreifend zu Meinungen und Möglichkeiten einer baldigen Konfliktlösung zu informieren“.

Chrupalla berichtete in seinem Facebook-Post vom 30. September über die Ereignisse. Er habe mit verschiedenen serbischen Politikern und Ministern gesprochen. „In den Gesprächen wurde eine Lösung als tragfähig eingeschätzt, die eine Region Kosovo innerhalb der Republik Serbien beinhalten würde.“

Karte von Serbien und dem Kosovo. Foto: Wikimedia Commons, CC 3.0



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