Griechenland: Der heimliche Bankensturm und die Angst des kleinen Mannes

Athen (dpa) - „Bitte, ich möchte alles haben. Lassen Sie nur zehn Euro drauf“, sagt eine ältere Dame der Kassiererin in einer Athener Bankfiliale. Gelangweilt bückt sich die junge Bankangestellte und macht dann das, was sie schon seit Tagen…
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Griechen heben Milliarden ab.Foto: ARIS MESSINIS/AFP/Getty Images
Epoch Times19. Juni 2015
„Bitte, ich möchte alles haben. Lassen Sie nur zehn Euro drauf“, sagt eine ältere Dame der Kassiererin in einer Athener Bankfiliale. Gelangweilt bückt sich die junge Bankangestellte und macht dann das, was sie schon seit Tagen ständig macht: Bargeld an die Kunden ausgeben. „Kaum jemand zahlt ein“, sagt sie mit traurigem Blick.

„Lange Warteschlangen vor dem Geldautomat gibt es nicht, weil die Kunden mehr abheben wollen, als sie täglich vom Automaten bekommen können“, erklärt der Bankdirektor. Es handelt sich um einen heimlichen Run auf die Banken, der schleichend seit Monaten zunimmt. „Wir bluten langsam aus“, klagt der Direktor.

Viele wollen dafür sorgen, dass sie genug Bares haben, um ihre Verpflichtungen in den nächsten Monaten zu erfüllen – falls es zum Zusammenbruch und der Verhängung von Kapitalverkehrskontrollen kommt. „Ich habe vorgesorgt, damit ich in den nächsten fünf Monaten das Altersheim bezahlen kann“, sagt ein 91 Jahre alter gehbehinderter Mann. Dafür hat er seinem Sohn eine Vollmacht gegeben, die gesamten Ersparnisse von der Bank zu holen.  

Wie viel Geld ist abgehoben worden? Am Mittwoch hatte die Zentralbank bekanntgegeben, dass Bürger und Unternehmen in den ersten fünf Monaten des Jahres 29,4 Milliarden Euro von ihren Konten abgehoben haben. Damit fielen die Geldeinlagen in Griechenland auf rund 128 Milliarden Euro. Vor Ausbruch der schweren Finanzkrise im Jahr 2009 lagen in griechischen Banken knapp 233 Milliarden Euro Geldeinlagen. 

Der größte Teil des in den vergangenen Tagen abgehobenen Geldes – rund 20 Milliarden Euro – sei im Lande geblieben und vermutlich in Safes und Truhen versteckt, berichtet die griechische Presse. Der Trend hält an: Allein am Donnerstag wurden schätzungsweise 950 Millionen Euro abgezogen, berichteten Rundfunksender unter Berufung auf Bankenkreise. Für Freitag wurden noch höhere Summen erwartet.

Wo geht dieses Geld hin? Wo versteckt man es? In den vergangenen Jahren hatten die Reichen viel ins Ausland überwiesen. Heute geht es um den „kleinen Mann“ und seine Sorgen. Manche vergraben ihr Vermögen – meistens geht es um ein paar tausend Euro – in einer Plastiktüte verpackt im Garten oder in einem Blumentopf.

Das aber führt zu schlaflosen Nächten: „Immer wieder steht die Oma auf und leuchtet mit der Taschenlampe dort unter den Feigenbaum“, sagt Ioanna, eine 32-jährige Apothekerin aus der Athener Vorstadt Markopoulo. Neben dem Baum hat die Großmutter mehr als 7000 Euro vergraben, ihre gesamten Ersparnisse.

Andere Familien verteilen das Geld: 2000 Euro hat Evangelia Sideridou, eine Rentnerin im Stadtteil Chalkidona, im Kühlschrank versteckt – fest in Plastik verpackt und in eine entkernte Melone gestopft. Ein anderes Versteck muss aber bald gefunden werden: „Die Melone muss bald aufgegessen werden“, meint sie und fügt hinzu: „1600 Euro hat mein Sohn in einem Rohr versteckt, das zusammen mit anderem alten Kram in der Garage liegt.“ Mehr Geld hat die Familie nicht.

Immer wieder kommt es in diesem sehr persönlichen Teil des griechischen Schuldendramas auch zu tragikomischen Szenen: Alte Leute rufen ihre Kinder an, weil sie mittlerweile vergessen haben, wo sie ihre Rente versteckt haben. Ganze Familien suchen dann stundenlang, wo Oma oder Opa das Geld verstaut haben.

Aus Angst vor Einbrechern tragen einige ihr ganzes Geld ständig im Rucksack mit sich herum. „Ich bin kräftig. Es ist unwahrscheinlich, dass jemand versuchen wird, mich zu überfallen“, meint ein stattlicher Mann im Zentrum Athens. Er sei 1,95 groß und 140 Kilo schwer, betont der Bäcker selbstbewusst. 

Die griechische Polizei warnt vor Räubern und Einbrechern. Kriminelle machen zurzeit gute Geschäfte. „Aber wie kannst du die Menschen in solchen Zeiten überzeugen, ihr Geld auf der Bank zu lassen“, sagt Prokopis S. seufzend. Der 44 Jahre alte erfahrene Beamte arbeitet bei der Kriminalpolizei.

(dpa)


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