„Der Ärmelkanal wird allmählich zu einem Friedhof, so wie das Mittelmeer“

Titelbild
Flüchtlinge und Migranten im Ärmelkanal.Foto: BEN STANSALL/AFP via Getty Images
Epoch Times25. November 2021

Bei einem Unglück mit einem Flüchtlingsboot im Ärmelkanal sind mindestens 27 Menschen ums Leben gekommen. Das Boot kenterte nach Angaben der französischen Polizei am Mittwoch vor der Küste nahe Calais. Der britische Premierminister Boris Johnson, in dessen Land die Flüchtlinge und Migranten wollten, berief eine Krisensitzung ein. Frankreichs Premierminister Jean Castex sprach von einer „Tragödie“. Nur zwei Menschen überlebten das Unglück; vier mutmaßliche Schleuser wurden festgenommen.

Um die Zahl der Todesopfer gab es vorübergehend Verwirrung. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach am frühen Abend von 31 Toten, später korrigierte das Innenministerium die Zahl auf 27.

Drei Hubschrauber und drei Boote waren an der Rettungs- und Suchaktion beteiligt. Nach Behördenangaben wurde die Suche nach dem gekenterten Schiff am Abend vorerst eingestellt.

Kapitän Charles Devos von der französischen Seenotrettung (SNSM) sprach von einem „schockierenden“ Drama. „Wir trafen auf ein Schlauchboot, aus dem die Luft entwichen war. Die wenige Luft, die es noch hatte, hielt es über Wasser“, berichtete er nach dem Einsatz.

Ermittlungen wegen „besonders schweren Totschlags“

Die Staatsanwaltschaft in Dünkirchen nahm Ermittlungen wegen „besonders schweren Totschlags“ auf. Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin gab am Abend die Festnahme von vier mutmaßlichen Schleusern bekannt. Ihm zufolge konnten nur zwei Überlebende gerettet werden. Beide schwebten in Lebensgefahr. Unter den Toten, über deren Nationalität zunächst nichts bekannt wurde, waren laut Darmanin fünf Frauen und ein kleines Mädchen.

„Der Ärmelkanal wird allmählich zu einem Friedhof, so wie das Mittelmeer“, sagte Pierre Roques von der Hilfsorganisation L’Auberge des Migrants. Staatschef Macron forderte „eine Dringlichkeitssitzung der von der Migrationsherausforderung betroffenen europäischen Minister“.

Er sei „schockiert, empört und zutiefst betrübt“ über das Unglück, sagte der britische Premier Johnson nach dem Krisentreffen seiner Regierung in London. Er wolle gemeinsam mit Frankreich „mehr“ gegen illegale Überfahrten tun, wies jedoch auf Meinungsverschiedenheiten mit Paris hin. London habe „Schwierigkeiten, einige unserer Partner, insbesondere die Franzosen, davon zu überzeugen, der Situation angemessen zu handeln“, sagte er dem Sender Sky News.

Vor einigen Tagen war bekannt geworden, dass die französische Polizei 15 mutmaßliche Schlepper aus dem Irak, Rumänien, Pakistan und Vietnam in Gewahrsam genommen hat. Sie sollen monatlich etwa 250 Migranten in Booten nach Großbritannien gebracht haben. Für die Überfahrt hätten sie 6000 Euro pro Person erhalten und insgesamt drei Millionen Euro Gewinn gemacht.

Zehntausende Migranten wagen die Überfahrt

Nach Angaben der zuständigen Präfektur versuchten seit Jahresbeginn 31.500 Flüchtlinge und Migranten, von Frankreich über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu kommen. Rund 7800 Menschen wurden aus Seenot gerettet. Insgesamt starben bei der Fahrt über den Ärmelkanal in diesem Jahr bislang mindestens 34 Menschen oder gelten als vermisst. Nach britischen Angaben sind seit Jahresbeginn etwa 22.000 Migranten über den Ärmelkanal nach Großbritannien gekommen.

In der Gegend von Calais halten sich zahlreiche Migranten auf. Hilfsorganisationen kritisieren, dass Sicherheitskräfte regelmäßig deren Lager räumen und dabei Zelte und Schlafsäcke zerstören. Den Migranten werden Notunterkünfte in anderen Landesteilen angeboten. Viele von ihnen versuchen jedoch weiter, nach Großbritannien zu gelangen.

Die Überfahrten von Migranten nach Großbritannien sorgen für erhebliche Spannungen zwischen Paris und London. Viele Migranten wollen nach Großbritannien, weil sie die Sprache sprechen und dort bereits Bekannte oder Verwandte haben. (afp/oz)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion