Demokratieschutz oder Machtmissbrauch? Wenn Bezirksrichter US-Präsidenten ausbremsen

In den USA ist ein neuer Konflikt um landesweit gültige einstweilige Verfügungen von Gerichten entbrannt – und die Frage, inwieweit die Bezirksrichter dazu überhaupt befugt sind. Während der Amtszeiten von Donald Trump hat die Zahl von richterlichen Anordnungen dieser Art ihren Höhepunkt erreicht.
Der 43. Präsident George W. Bush war in seinen acht Amtsjahren mit sechs sogenannten „universal Injunctions“ konfrontiert. Knapp zwölf ergingen während der Präsidentschaft von Barack Obama, 64 hingegen in den Jahren der ersten Amtszeit Trumps. Joe Biden widerfuhr 14 Verfügungen.
Grundsätzlich reicht die Jurisdiktionsgewalt von Bundesbezirksgerichten nur bis zu den Außengrenzen ihres Gerichtsbezirks. In der Hierarchie des Justizwesens in den USA stehen sie an dritter Stelle unterhalb der Berufungsgerichte, welche jeweils unterhalb des Obersten Gerichtshofes angesiedelt sind.
Eine ausdrückliche Grundlage in der Verfassung, in einem vom Kongress verabschiedeten Gesetz oder auf Grundlage einer Entscheidung des Supreme Courts gibt es laut einem Bericht für den US-Kongress zu diesem Thema aus dem Jahr 2021 für diese Verfügungen nicht. Sie dienen dazu, die Regierung in Washington und staatliche Bundesbehörden davon abzuhalten, ein Gesetz, ein Dekret oder eine Richtlinie anzuwenden. Die Verfügung soll nicht nur für die konkreten Verfahrensbeteiligten gelten, sondern universell und landesweit.
Trump warnt nach Abschiebungsurteil vor „linksradikalen Richtern“
Häufig wird zu den Verfügungen gegriffen, wenn es um kontroverse Fragen wie Einwanderung, Abschiebung, Bürgerrechte oder Umweltschutz geht. Zuletzt hatte ein Bezirksrichter einen Stopp der Abschiebung mutmaßlicher Bandenmitglieder nach El Salvador auf der Grundlage des „Alien Enemies Act“ verfügt.
Die landesweiten Anordnungen stehen über die Parteigrenzen hinweg in der Kritik. Befürworter halten sie für ein wichtiges Instrument der Gewaltenteilung, wodurch es ermöglicht wird, Menschen vor rechtsverletzenden Maßnahmen von Legislative oder Exekutive zu schützen. Dem steht der Umstand gegenüber, dass die Verfügungen es Richtern erlauben, die Politik des Bundes zu beeinflussen.
Die Verfügungen stehen sowohl bei Republikanern als auch bei Demokraten im Verdacht, ein Ausdruck von aktivistischer Judikatur und darauf ausgerichtet zu sein, nicht genehme politische Vorhaben zu unterbinden. Trump sprach auf der Plattform Truth Social von „linksradikalen Richtern“, die „zur Zerstörung unseres Landes“ beitrügen.
„Judge Shopping“ richtet sich auch gegen Demokraten im Weißen Haus
Dass von 64 Verfügungen in seiner erster Amtszeit 59 von Richtern kamen, die von einem demokratischen Präsidenten nominiert wurden, ist aus Sicht von Trump ein weiterer Beweis für die politische und parteiische Verwendung dieses Instruments.
Allerdings richteten sich mehrfach auch schon „universal Injunctions“ gegen die Politik von demokratischen Präsidenten. So erließ etwa im Fall Joe Bidens ein Bezirksrichter 2021 eine Verfügung gegen einen von ihm erlassenen 100-tägigen Abschiebestopp.
Je nach Präsident ging es bei weiteren Verfügungen um Fragen wie den geplanten Grenzwall, die Zulassung einer Abtreibungspille, das Recht auf Staatsbürgerschaft per Geburt oder den Toilettenzugang nach Genderidentität. In jedem Fall zeichnete sich ein Trend ab, wonach Personen, die mit einer Rechtsnorm nicht einverstanden waren, bei einem der über 600 Bezirksrichter in den 94 Gerichtsbezirken der USA einen Antrag einbrachten.
Dabei ist laut einer Studie im „Harvard Law Review“ ein Trend zu beobachten, dass Kläger sich regelmäßig einen Richter in einem Bezirk, dessen politische Einfärbung erhöhte Erfolgschancen für das jeweilige Anliegen verheißt, aussuchen. Der Fachausdruck dafür ist „Judge Shopping“ oder „Forum Shopping“.
Richter verteidigen Vorgehen
Obwohl es bislang auch im Kongress bereits Vorstöße gegeben hat, um einem Missbrauch bundesweiter Verfügungen gegenzusteuern, ist noch kein entsprechendes Gesetz zustande gekommen. Trump fordert nun den Supreme Court zu einem Urteil auf. Dieser hat zur Zulässigkeit solcher Rechtsakte ebenfalls noch keine einheitliche Linie gefunden.
Die Bezirksrichter, die in Fällen wie der Staatsbürgerschaft durch Geburt und dem Verbot geschlechtsangleichender Operationen Minderjähriger geurteilt hatten, verteidigen ihre Entscheidungen. Sie machen darauf aufmerksam, dass eine Beschränkung ihrer Entscheidung auf einen Gerichtsbezirk nicht möglich sei. Immerhin seien die Wirkungen geltender Bundesgesetze oder Dekrete übergreifend. Würde die Staatsbürgerschaft durch Geburt in einem Gerichtsbezirk wegfallen, müsste sie trotzdem für einreisende Betroffene aus anderen Bezirken gelten.
Kritik von Supreme-Court-Richtern
Im Supreme Court stünden die Chancen für Trump, den Bezirksrichtern Grenzen zu setzen, möglicherweise nicht schlecht. Einige kritische Stimmen hatte es dazu bereits gegeben. Richter Samuel Alito äußerte Zweifel an der Zulassung einer Verfügung, mit der ein Bezirksrichter die Bundesregierung zur Zahlung milliardenschwerer Auslandshilfe verpflichte. Immerhin falle diese Frage üblicherweise gar nicht in seinen Kompetenzbereich.
Kritik übte auch Richterin Elena Kagan. Sie äußerte 2022 an der Northwestern University Law School, es könne „einfach nicht richtig sein, dass ein Bezirksrichter eine landesweite Richtlinie stoppen und sie für die Jahre stoppen kann, die es braucht, um den normalen Prozess zu durchlaufen“.
Der Vizepräsident der Heritage Foundation, John Malcolm, sagte der amerikanischen Ausgabe der Epoch Times, dass die Praxis wahrscheinlich fortgesetzt werde, solange der US-Kongress die Praxis nicht zügelt.
(Mit Material von theepochtimes.com)
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