Daten zum zweiten Wahlgang: Auch Regierungsmitglieder müssen in die Stichwahlen
In Frankreich wird erneut zur Wahl gerufen. Alle Kandidaten, die in der ersten Runde die Stimmen von mindestens 12,5 Prozent der eingeschriebenen Wähler bekommen haben, dürfen an der Stichwahl teilnehmen. Wegen der hohen Wahlbeteiligung bei der ersten Runde hatten sich in gut 300 Wahlkreisen je drei Kandidaten qualifiziert, in einigen wenigen sogar vier Kandidaten.
Bis zum Ablauf der Frist am Dienstag entschieden sich mehr als 200 Kandidaten des Regierungslagers und des links-grünen Wahlbündnisses Neue Volksfront zum taktischen Rückzug. Sie wollen so die Aussicht der Kandidaten der Rassemblement National auf einen Wahlsieg verringern. Da in der ersten Runde am 30. Juni bereits 76 Mandate vergeben wurden, sind wählen nun nur noch die Wähler der verbleibenden 501 Wahlkreise.
Die meisten Wahllokale schließen am Sonntag um 18:00 Uhr, in Paris und einigen anderen Großstädten bleiben sie bis 20:00 Uhr geöffnet. Entscheidend ist nicht der Anteil an den Gesamtstimmen, sondern die Zahl der gewonnenen Wahlkreise. Für eine absolute Mehrheit sind 289 von 577 Sitzen notwendig.
Regierungsmitglieder müssen um ihre Wahl bangen
Bei den Neuwahlen waren auch zwei Dutzend Regierungsmitglieder angetreten. Niemand von ihnen hat sich bereits in der ersten Runde durchgesetzt. Fünf haben sich aus taktischen Gründen zurückgezogen, um die Chancen eines RN-Kandidaten zu schmälern.
Bereits gewählt:
- Sozialistenchef Olivier Faure ist in seinem Wahlkreis im Département Seine-et-Marne gewählt, für den er bereits seit 2012 in der Nationalversammlung sitzt.
- Marine Le Pen (RN) ist in ihrem Wahlkreis in Nordfrankreich wiedergewählt worden. Sie will in der Nationalversammlung weiter Fraktionschefin sein und sich auf die Präsidentschaftswahl 2027 vorbereiten.
Zweite Runde:
- Aussicht auf Erfolg in der zweiten Runde haben etwa Premierminister Gabriel Attal und Außenminister Stéphane Séjourné, die in benachbarten Wahlkreisen in einer der wohlhabenderen Pariser Vorstädte antreten. Séjourné liegt vor einem RN-Kandidaten.
- Auch Innenminister Gérald Darmanin dürfte es schaffen, zumal sich die Kandidatin der links-grünen Neuen Volksfront zurückgezogen hat. Er hatte angekündigt, im Fall einer Niederlage des Regierungslagers sein Amt aufzugeben – obwohl er bislang für die Absicherung der Olympischen Sommerspiele in Paris zuständig war. Es wird erwartet, dass er sich als Nachfolger von Emmanuel Macron in Stellung bringt.
- Ex-Premierministerin Elisabeth Borne profitiert ebenfalls vom Rückzug eines Kandidaten der Neuen Volksfront. Borne liegt auf Platz zwei hinter einem RN-Kandidaten.
- Der sozialistische Ex-Präsident François Hollande liegt in seinem Wahlkreis im zentralfranzösischen Département Corrèze mit 38 Prozent der Stimmen vorn. Er muss sich in der Stichwahl einer RN-Kandidatin stellen, die auf 31 Prozent gekommen ist, und einem Kandidaten der konservativen Republikaner.
- Eric Ciotti, Parteichef der Republikaner, der gegen den Willen seiner Partei ein Wahlbündnis mit den Rechtspopulisten eingegangen ist, liegt in seinem Wahlkreis mit 44 Prozent vorn.
- Marie-Caroline Le Pen, Schwester der Ex-Parteichefin Marine Le Pen, hat sich für den RN für die zweite Runde qualifiziert.
- Der RN-Politiker Roger Chudeau, der als Kandidat für das Bildungsministerium gilt, hat die absolute Mehrheit knapp verfehlt.
Ausgeschieden sind:
- Der Chef der Kommunistischen Partei, Fabien Roussel, ist ausgeschieden. In seinem Wahlkreis hat ein RN-Kandidat in der ersten Runde gewonnen.
- Auch der frühere Haushaltsminister Jérôme Cahuzac, der wegen Steuerbetrugs eine Haftstrafe verbüßt hat und ein politisches Comeback versuchen wollte, ist in der ersten Runde ausgeschieden.
Mehrere Regierungsmitglieder könnten in der zweiten Runde unterliegen. Auch für den Mitgründer von Macrons Partei Stanislas Guerini sieht es schlecht aus.
Mehrheitswahlrecht könnte dieses Mal RN begünstigen
Die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung werden nach einem Mehrheitswahlrecht in zwei Runden gewählt. Im Unterschied zu Deutschland, wo ein personalisiertes Verhältniswahlrecht gilt, führt dies zu einem schlechteren Abschneiden kleinerer Parteien bei der Sitzverteilung. Beim Mehrheitswahlrecht kann immer nur einer gewinnen. Die Stimmen, die nicht für den Sieger abgegeben wurden, werden nicht gewertet.
Seit Jahren werden immer wieder Rufe laut, zumindest „eine Dosis Proporz“ einzuführen. Auch Präsident Emmanuel Macron hatte sich in der Vergangenheit dafür ausgesprochen.
Ein Vorteil des Mehrheitswahlrechts liegt darin, dass es Wahlbündnisse begünstigt. Die Partei, die am besten abschneidet, ist oft überproportional stark im Parlament vertreten.
Der Rassemblement National (RN), der sich in der Vergangenheit darüber beschwert hatte, dürfte bei der anstehenden Wahl davon profitieren. 2017 hatte der RN 13 Prozent der Stimmen, aber nur acht der 577 Sitze bekommen. Hätte das Verhältniswahlrecht gegolten, hätte der RN damals 75 Abgeordnete in die Nationalversammlung schicken können.
Um im ersten Wahlgang gewählt zu werden, muss ein Kandidat die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreichen. Dies muss zugleich mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten entsprechen. Das führt dazu, dass bei einer geringen Wahlbeteiligung auch Kandidaten mit mehr als 50 Prozent in der ersten Runde noch in die zweite Runde müssen.
Um in die zweite Runde zu kommen, müssen Kandidaten die Stimmen von mindestens 12,5 Prozent der eingeschriebenen Wähler erhalten (nicht der abgegebenen Stimmen). Daher kann es bei hoher Wahlbeteiligung auch zu Dreierkonstellationen in der zweiten Runde kommen. Die Sitzverteilung kann erst nach der zweiten Runde berechnet werden.
Keine Briefwahl – Vertretung per Vollmacht
Die im Ausland lebenden Franzosen können als einzige ihre Stimme auch online abgeben. Für sie hat die Wahl bereits am Mittwoch begonnen. Innerhalb von 24 Stunden machten mehr als 400.000 Auslandsfranzosen von ihrem Wahlrecht Gebrauch – ein Höchstwert. In den französischen Überseegebieten beginnt die zweite Wahlrunde am Samstag.
In Frankreich gibt es keine Briefwahl. Wähler können jedoch eine Vollmacht ausstellen und eine Vertrauensperson für sich wählen lassen. Dafür müssen sie sich vorher auf einer beliebigen Polizeiwache ausweisen. Insgesamt sind knapp 50 Millionen Franzosen zur Wahl aufgerufen.
Im Unterschied zu Deutschland gibt es in Frankreich bislang keine festen Koalitionen, sondern lediglich relativ lockere Wahlbündnisse. Mindestens 15 Abgeordnete sind nötig, um eine Fraktion zu bilden. Die Fraktionen entsprechen nicht unbedingt den vor der Wahl abgemachten Bündnissen. (afp/red)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion