Das schwierige Verhältnis zwischen deutschen und dänischen Sozialdemokraten in der Migrationspolitik
Im Jahr 2019 meinte eine Princeton-Studie am Beispiel der Entwicklung in Dänemark statistisch belegen zu können, dass Sozialleistungen Zuwanderer anlocken.
Was macht Dänemark für solche Erhebungen besonders interessant? Im Jahr 2002 wurden die Sozialleistungen im nördlichen Nachbarland für Ausländer um 50 Prozent gekürzt. Die neugewählte Mitte-links-Regierung hob diese Entscheidung im Jahr 2012 wieder auf und als die Konservativen erneut in die Regierung gewählt waren, wurde die Kürzung wieder eingeführt. Also ein aussagekräftiger Vergleichszeitraum – quasi ein Eldorado für Statistiker.
Eine Studie des ifo-Forschers Till Nikolka ermittelte im Jahr 2018, dass Einschränkungen bei Familienzusammenführungen in Dänemark dafür gesorgt haben, dass nicht nur weniger Zuwanderer kamen, sondern sogar viele wieder abwanderten. Dänemarks damalige konservative Migrationsministerin Inger Støjberg verkündete auf der Webseite des Ministeriums mit einem grellblauen Button die steigende Zahl der Verschärfungen der Asylpolitik seit ihrem Amtsantritt.
Im Jahr 2019 wurden die Sozialdemokraten mit 25,9 Prozent stärkste Kraft in Dänemark und bildeten unter Ministerpräsidentin Mette Frederiksen eine Minderheitenregierung, in der alle Minister Sozialdemokraten waren. Seit dem 15. Dezember 2022 und nach Neuwahlen koalieren die dänischen Sozialdemokraten unter Frederiksen mit der liberalkonservativen Partei Venstre und Moderaterne, einer Partei der politischen Mitte des ehemaligen Ministerpräsidenten Lars Løkke Rasmussen.
Bereits als Minderheitenregierung hatte Frederiksen mit restriktiver Asylpolitik Schlagzeilen gemacht. Diesen Kurs führte die zweite Regierung unter der Ministerpräsidentin fort. Und obwohl Deutschland wie Dänemark sozialdemokratische Regierungschefs haben, „explodierten“ die Migrationszahlen in Deutschland, während sie in Dänemark auf einen Tiefstand fielen, wie im Herbst 2023 die „Bild“ berichtete. In Zahlen sah das wie folgt aus:
In den ersten fünf Monaten des Jahres 2023 wurden in Dänemark 1.048 Asylanträge registriert. In Deutschland waren es bis Ende Mai 125.566 Erstanträge plus 10.395 Folgeanträge.
„Fördern und Fordern“ – wenn der Sozialstaat Grenzen setzt
Was macht Frederiksen anders? Ihre Politik ist vergleichbar mit der von Gerhard Schröder. Der sozialdemokratische Kanzler hatte etwa den Begriff „Fördern und Fordern“ geprägt. Die dänische Ministerpräsidentin ist davon überzeugt, dass man nur solidarisch handeln kann, wenn der Sozialstaat Grenzen setzt. Ihre Regierung hat sich als Ziel „Null Asyl“ gesetzt.
Frederiksen will Parallelgesellschaften mit aller Macht verhindern. Selbst der Abriss ganzer Wohnblocks in migrantisch geprägten Nachbarschaften sei eine mögliche Abwehr sich bildender Ghettos.
Die deutsche Sozialdemokratie hat schon früh auf die Politik ihrer dänischen Schwesterpartei reagiert. Olaf Scholz (SPD) warnte seine Partei schon als Bundesfinanzminister unter Angela Merkel davor, einen ähnlichen Kurs einzuschlagen wie die Sozialdemokraten in Dänemark. „Abschottung und Ausgrenzung kann nicht unsere Politik sein. Ich setze auf Pragmatismus“, sagte Scholz gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.
Insbesondere die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) befasste sich schon früh mit diesem Konflikt. Im Jahr 2018 befand die Stiftung: „Die dänische Sozialdemokratie plant völkerrechtswidrige Maßnahmen – und erntet in Dänemark kaum Kritik“.
Als ein dänischer Professor für die Stiftung einen Gastbeitrag zum Thema schrieb und die Stiftung feststellen musste, dass dieser aus ihrer Sicht viel zu unkritisch an das Thema herangegangen war, kommentiert die FES das wie folgt:
„Sein Beitrag zeigt, dass es nicht immer leichtfällt, die Maßnahmen kritisch einzuordnen: Von einem dänischen Experten werden sie anders bewertet als im europäischen sozialdemokratischen Kontext üblich.“
Zudem seien die Forderungen der Partei laut der Stiftung vielfach problematisch und könnten damit gegen internationales Recht sowie gemeinsame Abkommen verstoßen.
Das sozialdemokratische dänische Experiment
Das Fazit der Stiftung zur sozialdemokratischen Migrationspolitik in Dänemark spiegelt die Haltung der deutschen Schwesterpartei: Die Einwanderungspolitik der Partei lasse sich als eine neue Gegenbewegung zum vorherrschenden liberalen, einwanderungsfreundlichen Diskurs vieler sozialdemokratischer Parteien in Europa einordnen. Ob diese Richtung wirklich alte Wählerschichten zurückgewinnen könne oder eher die Werte der Partei aufgibt, bleibe ein dänisches Experiment.
Auffällig ist hier vor allem die unterschiedliche Fragestellung: Die dänischen Sozialdemokraten überlegen seit Jahren, wie sie Migration begrenzen können, während die SPD einen „einwanderungsfreundlichen Diskurs“ verfolgt. Gleichzeitig zeichnet die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung in umfangreichen Debattenbeiträgen ein Bild, das den Eindruck erwecken will, der dänischen Schwesterpartei gehe es lediglich darum, die Rechten zurückzudrängen. Und das tue man eben, indem man die Migration zurückdrängt und damit rechte Themen besetze.
Ein Ampelkoalitionspartner der SPD hat ebenfalls klare Vorstellungen. So erklärte der dänisch sozialisierte Flensburger Rasmus Andresen, Europaabgeordneter von Bündnis 90/ Die Grünen, jüngst auf einer Podiumsdiskussion:
„Europa braucht Migration. Allein in Deutschland fehlen jährlich 400.000 Fach- und Arbeitskräfte und in vielen anderen EU-Ländern sieht es nicht besser aus.“
Große Einigkeit dänischer Parteien in der Migrationsfrage
Fast schon vergessen scheint hier, dass auch Olaf Scholz im Herbst 2023 und nach den Landtagswahlen in Hessen und Bayern für einen Moment den Eindruck erweckte, er folge dem dänischen Modell. Gegenüber dem „Spiegel“ sprach der Kanzler damals davon, dass man endlich in großem Stil abschieben müsse. Das Zitat schaffte es auf den Titel des Hamburger Magazins.
Der dänische Politikwissenschaftler Kasper Møller Hansen attestiert den dänischen Parteien in der Migrationsfrage eine große Einigkeit, wie er gegenüber der „Tagesschau“ erklärte. Diese Einigkeit übertrage sich auch auf die Stimmung im Land. Die Ausländer-Frage werde in Dänemark gar nicht mehr diskutiert. Der Sozialdemokratie in Dänemark sei es gelungen, das Thema von der politischen Tagesordnung zu verbannen.
Im Februar 2024 diskutierte der Deutsche Bundestag auf Antrag der Fraktion der AfD das dänische Modell der Stadt- und Wohnungsbaupolitik unter dem Titel: „Vom dänischen Umgang mit Parallelgesellschaften lernen.“ Dazu sprach auch der SPD-Abgeordnete Timo Schisanowski.
Er kritisierte „dumpfe Anträge“ der AfD, die das Papier nicht wert seien, auf dem sie geschrieben stehen und er sprach von „billigen Schauanträgen aus der AfD-Propaganda“, von einer „erschreckenden Einfältigkeit“ und von einer „AfD-Deportationsgesinnung“, die „beschämend und widerwärtig“ sei. In den ersten fünf der sieben Minuten Redezeit vor dem Bundestag erwähnte der SPD-Abgeordnete mit keinem Wort die dänischen Kollegen, um dann abschließend eine Relativierung des dänischen Modells vorzunehmen, man müsse es als Ganzes betrachten.
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