Das Schicksal des kanadischen Multikulturalismus steht in Frage
Seit der Ära von Pierre Trudeau und Brian Mulroney wird Kanada von Regierungen und internationalen Institutionen in der ganzen Welt als ein führendes Beispiel für die erfolgreiche Integration ethno-kultureller Vielfalt angesehen. Die Vereinten Nationen, die Weltbank und einige entwickelte Nationen haben versucht, das kanadische Modell des Multikulturalismus in ihrer Politik nachzuahmen. Politische Führer nannten Kanada die erfolgreichste pluralistische Gesellschaft der Welt.
Tatsächlich ist es seit 1971 Praxis in Kanada, die verschiedenen ethnischen Gemeinschaften zu ermutigen, ihr Erbe zu bewahren – anstatt sie an die dominante Kultur anzugleichen. Die unterschiedlichen Merkmale Kanadas wurden von unseren Führern als genau das, was dieses Land so großartig macht, hervorgehoben. Schon im Jahr 2007 wurde das multikulturelle Modell einer genauen Prüfung unterzogen – ein Trend, der sich wahrscheinlich 2008 fortsetzen wird.
Kanada hat weiterhin die größte Prokopfeinwanderung der Welt, was durchschnittlich jährlich 250.000 Immigranten entspricht. Im Bericht über Kanadas Staatsbürgerschaft und Einwanderung der Jahre 2007 und 2008 sagte Immigrationsministerin Diane Field zur Planung, dass diese Einwanderung die ganzen zehn Prozent der Nettozunahme an Arbeitskräften in den nächsten zehn Jahren ausmacht. Und in den nächsten 25 Jahren wird sie sogar das gesamte Nettowachstum der Bevölkerung ausmachen. „Immigration ist lebenswichtig für Kanadas kulturelle Vielfalt und wirtschaftlichen Wohlstand“, sagte Finley. Weil die Arbeitskräfte immer älter werden und die Geburtenraten die Sterberaten nicht mehr ausgleichen, kommen immer mehr Einwanderer nach Kanada, wovon auch seine ganze Zukunft abhängt. Und seine multikulturelle Politik macht es zu einem der beliebtesten Ziele für Einwanderer.
Aber wie sind diese neuen Einwanderer einzuschätzen, die sich dem Leben in Kanada mehr oder weniger angleichen? Jüngere Studien haben gezeigt, dass sich viele Neuankömmlinge nicht als „Kanadier“ sehen, vielleicht aufgrund ihrer Haltung, die heimischen Traditionen zu bewahren und sich kulturell von der kanadischen Durchschnittsgesellschaft abzugrenzen.
Einer Studie aus dem Jahr 2007 zufolge sehen sich Immigranten aus Minderheiten-Gruppen wahrscheinlich weniger als Kanadier und vertrauen ihren Mitbürgern auch weniger. Die Statistiken über die Kinder der Einwanderer waren noch trostloser.
Viele glaubten, dass Kanadas offizieller Multikulturalismus nicht von Rassentrennung beeinflusst werden könnte, wie es in weiten Teilen Europas der Fall ist.
Im Jahr 2007 waren diese kulturellen Unterschiede oft im Fokus der Nachrichten im französischsprachigen Quebec. Im Stadtteil Herouxville von Quebec, der keine bekannte Einwanderergemeinschaft aufweist, verabschiedete die Stadtverwaltung eine Verhaltensvorschrift für Einwanderer. Unter anderem verbot das Gesetz das Verbrennen und Steinigen von Frauen und erlaubte den Frauen, Auto zu fahren, Schecks auszustellen und Ehepartner selbst auszuwählen.
Kanadas Ruf als tolerante, pluralistische Gesellschaft bekam im vergangenen Frühjahr in Quebec einen weiteren Schlag, als der Parteichef der Action Democratique du Quebec, Mario Dumont, eine Kampagne unter dem Motto startete, dass die Eingliederung religiöser Praktiken zu weit gegangen wäre. Die Popularität der Partei stieg bei den Wahlen im März von vier auf 41 Sitze. Als die Wahlen in vollem Gang waren, befahl der Premier von Quebec, Jean Charest, eine Reihe von Anhörungen – die zwischen September und Dezember in 17 Orten der Provinz stattfanden – darüber, worin eine „vernünftige Eingliederung von Einwanderern“ bestehen könnte. Der in den Anhörungen entstandene Eindruck reichte von der Besorgnis, die Sitten und Bräuche der Einwanderer könnten dem hart erarbeiteten weltlichen Lebensstil in der Provinz schaden, bis hin zum offenen Vorurteil gegenüber nicht frankophonen Kulturen.
Eine in „La Presse“ veröffentlichte Umfrage vom Oktober zeigte auf, dass eine große Mehrheit der Einwohner von Quebec gegen eine Eingliederung religiöser Minderheiten ist. Zum Beispiel waren nicht weniger als 70 Prozent von ihnen dagegen, den muslimischen Mädchen das Tragen des Hidschab während des Fußballspiels zu erlauben, und 65 Prozent meinten, der Hidschab sollte in Schulen nicht erlaubt sein.
Aber Quebec möchte kein „Kanarienvogel im Kohlenbergwerk“ sein und signalisiert das Ende des Multikulturalismus. Elliot Tepper, Professor für politische Wissenschaften an der Carleton-Universität, sagt: „Quebec ist um seine Identität sehr besorgt. Schon seit langem wird über das Thema Identität innerhalb der kanadischen Konföderation diskutiert. Was wir heute sehen ist nur ein weiteres Beispiel dieser tiefsitzenden Besorgnis.“
Lawrence Berg, der einen Lehrstuhl für Menschenrechte, Vielfalt und Identität an der Universität von British Columbia innehat, glaubt, dass Kanada nicht mehr an Multikulturalismus insgesamt denken muss, sondern sich nur mehr anstrengen sollte, neuen Einwanderern zu helfen, sich zu integrieren, was gleichzeitig eine bessere Eingliederung und Achtung der Traditionen mit sich bringt.
„Es geht nicht darum, dass sich Einwanderer entscheiden, sich nicht zu integrieren, sondern dass es für sie sehr schwierig ist, sich zu integrieren.“ Berg glaubt, Kanada müsse sich gegenüber den religiösen Unterschieden der Einwanderer und „den Anforderungen, die aus diesen kulturellen und religiösen Unterschieden“ entstehen, entgegenkommender verhalten.
Ein weiterer Faktor ist der in Kanada „unterschwellig vorhandene Rassismus“, auf den Einwanderer in ihrem Alltagsleben treffen. Deswegen bleiben viele lieber innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaften, was zur Bildung von „ethnischen Enklaven“ in den Städten führen kann.
Im Großen und Ganzen stirbt die kanadische Kultur nicht, sondern „sie entwickelt sich vielmehr ziemlich gut; sie entwickelt sich auf eine sehr kosmopolitische Art und Weise.“
Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 7 (13.-19. Feb. 2008)
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