„Keine Notwendigkeit“ für Lockdowns: Cummings wirft britischer Regierung Lügen vor
Der ehemalige Chefberater des britischen Premierministers Boris Johnson, David Cummings, hat harsche Vorwürfe gegen die Regierung wegen deren Kurs in der Corona-Krise geübt. In einer Serie von Tweets erklärte Cummings am Samstagabend, die Regierung habe zu Beginn der Corona-Pandemie sehr wohl eine Politik der „Herdenimmunität“ verfolgt, dies aber später bestritten und damit bewusst gelogen.
Nach den Angaben von Johnsons Ex-Berater und einstigem Vertrauten hatte die Regierung ursprünglich geplant, das Virus wie eine Grippe zu behandeln und darauf zu setzen, dass ein Großteil der Bevölkerung nach einer Ansteckung immun sein würde. „Herdenimmunität“ bis September 2020 „war buchstäblich der offizielle Plan“, versicherte Cummings auf Twitter.
Dieser Plan sei erst zwei Wochen vor Beginn des ersten Lockdowns im März 2020 aufgegeben worden, nachdem Downing Street mehrfach gewarnt worden sei, dass dies zu einer „Katastrophe“ führen würde. Cummings warf Gesundheitsminister Matt Hancock vor, die Öffentlichkeit dazu belogen zu haben. Hancock habe mit seinen Dementis „Schwachsinn“ erzählt.
Cummings erklärte weiter, mit den „richtigen Vorbereitungen und kompetenten Leuten in der Verantwortung“ hätte die Regierung wahrscheinlich den ersten Lockdown vermeiden können. Ganz sicher aber hätte es „keine Notwendigkeit“ für die beiden späteren Lockdowns gegeben.
Kompetenz des Premiers in Frage gestellt
Innenministerin Priti Patel wies am Sonntag Cummings Vorwürfe zurück. Es sei „durchaus nicht“ das ursprüngliche Ziel der Regierung gewesen sei, für „Herdenimmunität“ zu sorgen, sagte sie der BBC. Auch die Leiterin der Behörde für Gesundheitssicherheit, Jenny Harries, versicherte in der BBC, „Herdenimmunität“ habe nie zur Strategie der Regierung gehört.
Cummings Angriffe geben einen Vorgeschmack auf seine Anhörung am kommenden Mittwoch vor einem Parlamentsausschuss, der die Reaktion der Regierung auf die Pandemie untersucht. Bereits im Vorfeld hatte Johnsons ehemaliger Vertrauter seine Bereitschaft bekundet, dem Ausschuss detaillierte Auskünfte zum mutmaßlichen Fehlverhalten des Regierungschefs zu geben. Er werde den Abgeordneten Rede und Antwort stehen, „so lange, wie sie wollen“. Kürzlich drohte er zudem, bei der Anhörung geheime Dokumente offenzulegen.
Cummings, der Ende 2020 nach einem Machtkampf im Spitzenteam des Premierministers seinen Posten als Chefberater räumen musste, hat sich inzwischen zu Johnsons Intimfeind entwickelt. Dabei schreckt er auch vor einer Schlammschlacht nicht zurück.
Im vergangenen Monat stellte Cummings in einem langen Blog-Beitrag die Integrität und Kompetenz des Premiers in Frage. Mit seinem Rundumschlag gegen Johnson wehrte er sich gegen Medienberichte, wonach er hinter der Weitergabe von vertraulichen Textnachrichten stehen soll, die den Premier in ein schlechtes Licht rücken. (afp)
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