Cousin eines ermordeten 11-Jährigen in Argentinien: „Wir kommen hier nicht lebend raus“

Die Kämpfe zwischen den Gangs um den lukrativen Kokainmarkt machen Rosario zur gefährlichsten Stadt Argentiniens. In diesem Jahr wurden in Rosario bereits 64 Menschen getötet. Darunter ein 11-jähriger Junge, der vergangenen Sonntag auf offener Straße erschossen wurde.
Titelbild
Anwohner kritisieren die ihrer Meinung nach verzögerte Sicherheitsoffensive der argentinischen Regierung.Foto: AFP via Getty Images
Von 11. März 2023

Nach der jüngsten Gewaltwelle in Rosario, der Heimatstadt von Fußball-Superstar Lionel Messi, hat die argentinische Regierung eine Sicherheitsoffensive eingeleitet. Nach Anweisung von Sicherheitsminister Aníbal Fernández sind vergangenen Mittwoch 300 zusätzliche Bundespolizisten in der Hafenstadt am Fluss Paraná eingetroffen.

Zudem werde das Ingenieurkorps des Heeres bei Arbeiten zur Aufwertung der Armenviertel helfen. Es sei „notwendig, die Stadtviertel zu säubern“, so Fernández. „Wir werden investieren, was immer nötig ist. Wir werden nicht stillstehen“, verspricht der Sicherheitsminister.

Bürgermeister und Anwohner fühlen sich alleingelassen

Doch sowohl Rosarios Bürgermeister Pablo Javkin als auch die Bewohner der Stadt kann das nicht überzeugen. Nachdem am 5. März der 11-jährige Máximo Gerez auf offener Straße erschossen wurde, hatte Sicherheitsminister Fernández dem Vater des ermordeten Jungen versprochen, dass Gendarmen in der Gegend patrouillieren würden. Wie die Zeitung „La Nación“ berichtete, seien die Bewohner der Qom-Gemeinde bereits seit langer Zeit von den Drogenhändlern des Viertels, den sogenannten Salteños, bedroht.

„Wir haben hier Polizisten, Gendarmen und Bundespolizisten – was wir aber nie sehen, ist Strafverfolgung“, klagte Bürgermeister Javkin. „Um es klar zu sagen: Ich leite nicht die Sicherheitskräfte. Und als ich darum gebeten habe, hat man mich nicht gelassen.“

Auch für die Bewohner und Angehörigen des Ermordeten seien die Sicherheitskräfte viel zu spät eingetroffen. Seither sei die Stadt drei Tage lang in Chaos versunken.

Angehörige Máximos zerstören Drogenbunker

So zerstörten Angehörige und Freunde der Familie nach der Beisetzung des Buben am Montag zunächst auf eigene Faust fünf Häuser, die die örtliche Drogenbande zum Verkauf von Kokain genutzt haben soll. Diese befanden sich in dem ärmlichen Viertel Los Pumitas im Norden von Rosario. Mit Hämmern und Stahlstangen rissen sie die aus Backsteinen gemauerten Drogenbunker ein und legten Feuer. „Hier verkaufen sie Drogen und vergiften unsere Kinder“, hatte Máximos Vater Julio Gerez im Fernsehen erklärt.

Am darauffolgenden Dienstag kam es laut der Zeitung „La Nación“ zu einem erneuten Überfall, der zwar keine Opfer forderte, aber bei den Anwohnern Besorgnis und Angst auslöste. Die Angehörigen des erschossenen Máximo Gerez hätten abends drei Blocks vom Tatort entfernt eine Protestkundgebung abgehalten. Als sie gegen 22 Uhr nach Hause gingen, seien zwei junge Männer auf einem Motorrad durch das Viertel gefahren und hätten auf ein Haus, das einem Verwandten von Gerez gehört, geschossen.

Zur gleichen Zeit hätten die Nachbarn WhatsApp-Nachrichten erhalten. Darin hieß es, dass sie „alle umbringen“ würden, wenn sie nicht das zurückgeben würden, was sie letzten Montag in den Häusern der Drogendealer geplündert hätten.

Lorenzo, der 21-jährige Cousin des Opfers, fürchtet: „Wir kommen hier nicht lebend raus.“ Einige Familien würden bereits daran denken, das Viertel zu verlassen. Dies sei üblich in diesen Gegenden, in denen die Drogenhändler ihr Gesetz und ihre Methoden durchsetzen und es fast täglich zu Schießereien kommt.

Warum Máximo Gerez sterben musste, ist noch unklar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob er im Kampf um Einflusszonen zwischen die Fronten geriet oder Opfer einer Racheaktion wurde.

Kokainmarkt macht Rosario zur gefährlichsten Stadt Argentiniens

Máximos Vater aus der indigenen Gemeinschaft der Qom lebt seit 20 Jahren in Rosario und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Er glaubt, dass die Drogenbande Los Salteños hinter dem Mord an seinem Sohn steckt. „Wir sind niemals bedroht worden und haben uns mit niemandem angelegt“, sagte Máximos Tante Antonia der Zeitung „La Nación“. „Wir sind arme Leute, aber was uns wirklich zerstört, ist der Schmerz.“

Rosario am Fluss Paraná rund 300 Kilometer nordwestlich von Buenos Aires ist ein wichtiges Industrie- und Handelszentrum. Von hier aus werden Soja, Mais und Rinderhälften in die ganze Welt verschifft. Allerdings herrscht vor allem in den Außenbezirken oft bittere Armut, hier finden die Drogenbanden leicht Rekruten und Kunden.

Die Kämpfe zwischen den Gangs um den lukrativen Kokainmarkt machen Rosario zur gefährlichsten Stadt Argentiniens. In diesem Jahr wurden in Rosario bereits 64 Menschen getötet. Immer wieder greifen Mitglieder der Drogengangs auch öffentliche Gebäude, Gefängnisse und Polizeiwachen an.

Auch Messis Familie wurde angegriffen

Erst kürzlich wurde sogar die Familie von Starstürmer Messi zum Ziel eines Angriffs. Unbekannte feuerten 14 Schüsse auf den Supermarkt von Messis Schwiegervater in Rosario ab. Außerdem hinterließen sie einen Zettel, auf dem zu lesen war: „Messi, wir warten auf dich.“ Medienberichten zufolge arbeiten die Behörden nun an einer Sicherheitsstrategie für Ende März, wenn Messi für zwei Freundschaftsspiele gegen Panama und Curaçao nach Argentinien kommt.

Laut Omar Perotti, dem Gouverneur der Provinz Santa Fe, haben die Drogenhändler die örtliche Polizei wohl teilweise unterwandert. „Es gibt Leute, die die Uniform beschmutzt haben, ehemalige Polizeichefs sitzen im Gefängnis.“  „Wir versuchen, die Institution zu säubern und all jene zu unterstützen, die sich wirklich zum Dienst berufen fühlen.“

Die Worte des Sicherheitsministers Aníbal Fernández zu den jüngsten Ereignissen lauteten: „Die Drogenhändler haben gewonnen, aber wir sind entschlossen, diese Situation zu ändern.“

(mit Material der Nachrichtenagenturen)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion