Corona-Urteil in Linz: Gefährdung nur ab bestimmter Virenlast – Mann bricht Quarantäne straffrei ab
Das Oberlandesgericht in Linz wies am 22. April die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wels in einer Strafsache „wegen des Vergehens der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten“ zurück und bestätigte damit den Beschluss des Landgerichts Wels vom 16. März 2021.
„Nach § 178 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen, wer eine Handlung begeht, die geeignet ist, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen herbeizuführen, wenn die Krankheit ihrer Art nach zu den wenn auch nur beschränkt anzeige- oder meldepflichtigen Krankheiten gehört“, erklärt das OLG die gesetzliche Lage.
COVID-19 sei eine durch den Krankheitserreger SARS-CoV-2 übertragbare Krankheit, die der Anzeigepflicht nach dem Epidemiegesetz unterliege.
Keine Strafbarkeit ohne Ansteckungsgefahr
„Damit ist die genannte objektive Bedingung der Strafbarkeit erfüllt“, so das OLG Linz. Allerdings kam das Gericht auch zu dem Schluss, dass es jedoch an einer Übertragbarkeit der Krankheit mangele, „wenn keine Ansteckungsgefahr besteht, sodass es e contrario auch an einer abstrakt potenziellen Verbreitungsgefahr fehlt“.
Der Gesetzgeber legt den Gerichtsangaben zufolge aufgrund der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung bei einer positiv auf COVID-19 getesteten Person als Grenze einen CT-Wert von 30 fest. Ist dieser höher, gehe man davon aus, dass keine Ansteckungsgefahr mehr bestehe.
Da aber den bisherigen Ermittlungsergebnissen kein Labor-Ergebnis und insbesondere damit auch kein festgestellter CT-Wert des Angeklagten zu entnehmen gewesen sei, könne die Frage einer „potenziellen Ansteckungsgefahr (noch) nicht beantwortet werden“. Der Sachverhalt sei daher für eine Anklageerhebung noch nicht ausreichend geklärt.
Der vom OLG Linz festgestellte Rechtssatz lautet: „Nicht jede COVID-19-Infektion einer Person geht mit einer potenziellen Ansteckungsgefahr für andere Personen einher. Die Frage der Ansteckungsgefahr ist letztlich aufgrund der Virenlast anhand des Laborbefundes zu klären.“
Während Quarantäne zur Behörde gegangen
Dem Fall lag ein Strafantrag der Welser Staatsanwaltschaft vom 9. März 2021 gegen einen 24-jährigen Mann zugrunde. Dieser ging am 7. September 2020 vor Ablauf seiner angeordneten Corona-Quarantäne in die Bezirkshauptmannschaft in seiner Region (Anm. d. Red.: entspricht dem Landratsamt in Deutschland). In der betroffenen Abteilung der Behörde hielten sich zu diesem Zeitpunkt neun Mitarbeiter und Besucher auf.
Das Landgericht Wels habe den Strafantrag der Staatsanwaltschaft jedoch im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass „nach dem Stand der Ermittlungen noch nicht beurteilt werden könne, ob aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs mit der Aufhebung des Absonderungsbescheids am 9. September 2020 die Tathandlung des Angeklagten – ex ante – geeignet war, eine Gefährdung der Verbreitung von COVID-19 herbeizuführen“.
Bei einem positiven PCR-Test am 30. August 2020 wurde bei dem Mann ein CT-Wert von 23,78 nachgewiesen. „Ob vom (nach eigenen Angaben völlig symptomlosen) Angeklagten am 7. September 2020 – acht Tage nach positiver Testung – (noch) eine potenzielle Ansteckungsgefahr ausging, kann ohne entsprechendes Sachverständigengutachten nicht abschließend beurteilt werden“, so das OLG.
Das OLG sah den Verstoß des Mannes gegen den Absonderungsbescheid (Quarantäne) lediglich als ein Indiz für eine Gefahr für die Gesundheit anderer. Es sei denkbar, dass der Angeklagte bereits vor Aufhebung der Absonderung objektiv nicht mehr ansteckend gewesen sei und „daher keine objektive Gefährdung iSd §§ 178 f StGB mehr gegeben war“.
Ist eine Infektiösität nachzuweisen oder nicht?
Zur Überprüfung der Infektiösität des Angeklagten zum Tatzeitpunkt hätte vorab ein „Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der klinischen Mikrobiologie und Hygiene bzw. klinischen Mikrobiologie und Virologie“ eingeholt werden müssen, so das OLG Linz in seiner Begründung.
Die Staatsanwaltschaft Wels gab sich mit der Welser Entscheidung nicht zufrieden und wollte beim OLG Linz den Beschluss aufheben lassen und das LG Wels zur Durchführung des Verfahrens bringen. Ein bestellter Sachverständiger sah keine Notwendigkeit eines medizinischen Gutachtens. Es sei eine abstrakte Gefährdung gegeben, wenn der Täter selbst infiziert sei.
Dies sah das Oberlandesgericht anders, ebenso die Oberstaatsanwaltschaft in Linz, die auf die 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung verwies, in der ausgeführt werde, dass „nicht jede Infektion einer Person an SARS-CoV-2 eine potenzielle Ansteckungsgefahr für andere Personen bedeute“.
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