Corona-Pandemie in Russland: Grenzschließung, Quarantäne, hohe Geldstrafen – In Moskau spitzt sich die Lage zu

Unmittelbar nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie kamen aus Russland wenige Nachrichten über die Lage im Land. Aktuell mehren sich die Informationen über eine Zuspitzung der Situation. Mit strengen Ausgangsregelungen und Quarantäne versucht Moskau der Situation Herr zu werden.
Titelbild
Ein Bild zeigt eine Gesichtsmaske, die am 30. März 2020 auf die Skulptur eines sowjetischen Pioniers aufgesetzt wurde, der vor einem geschlossenen Restaurant in einer leeren Straße der Moskauer Innenstadt Trompete spielt. In der Stadt und in ihren umliegenden Regionen wurden heute Sperren verhängt.Foto: DIMITAR DILKOFF/AFP über Getty Images
Von 24. April 2020

Viele Länder weltweit sind von der Corona-Pandemie betroffen, so auch das flächenmäßig größte Land der Erde – Russland. Während in den letzten Monaten nur wenig zur Corona-Pandemie aus Russland zu hören war und die Zahl der Corona-Fälle überschaubar blieb, hat sich die Situation in den letzten Tagen auffallend verändert.

Über 62.700 Corona-Infizierte soll es nun in dem Land geben und 555 Menschen, die im Zusammenhang mit COVID-19 verstorben sind (Johns-Hopkins-University). Dabei reagierte Russland vergleichsweise schnell auf die Ausbreitung des Virus. Ende Januar schloss die Regierung in Moskau 16 von 25 Grenzübergängen zu seinem Nachbarland China. Zwischen Russland und China gibt es einen regen Warenaustausch und Personenverkehr.

Im Land selber gab es zunächst nur wenig Beschränkungen. Das änderte sich Ende März. Dies führte zur vollständigen Abriegelung von Russlands Hauptstadt am 30. März. Seitdem stehen Moskaus 12 Millionen Einwohner unter Quarantäne. Auf den Intensivstationen der Stadt steigt die Zahl der COVID-19-Patienten.

Moskau errichtet wegen Überlastung provisorisches Corona-Krankenhaus am Stadtrand

Um der Überlastung entgegenzuwirken, wurde am Stadtrand von Moskau ein Krankenhaus nur für Corona-Patienten errichtet, berichtet „Business Insider“. Das Gebäude soll Platz für bis zu 500 Patienten liefern. Moskau ist besonders schwer betroffen von der Corona-Pandemie. Tweets aus der Hauptstadt zeigen – lang aufgereihte – Krankenwagen mit Blaulicht, die anscheinend darauf warten, COVID-19-Patienten in die Notaufnahme einliefern zu können.

Wegen der Corona-Pandemie gelten in Moskau noch bis zum 1. Mai strenge Ausgangsbeschränkungen. Die Hauptstadtbewohner dürfen ihre Häuser nur verlassen, um zur Arbeit zu gehen, mit ihrem Hund Gassi zu gehen, den Müll zu entsorgen oder im nächstgelegenen Geschäft einzukaufen.

Bereitschaftspolizisten mit Gesichtsmasken stehen Wache an einem Kontrollpunkt am Stadtrand von Moskau. Am 15. April 2020 führten die Behörden ein obligatorisches Genehmigungssystem für Personen, die mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Stadt fahren, ein. Damit soll die Ausbreitung der Corona-Pandemie gestoppt werden.

Diese Woche verschärften die Behörden die Beschränkungen ein weiteres Mal, indem sie ein digitales System zur Erfassung von Bewegungen einführten. Jeder, der mit seinem Auto oder dem öffentlichen Nahverkehr fährt, muss zunächst einen digitalen Passierschein beantragen.

Große Moskauer Militärparade für Anfang Mai abgesagt

Wie ernst es ist, zeigt auch die kürzlich bekanntgegebene Verschiebung der großen Militärparade zum 75. Jahrestag des Sieges der kommunistischen Sowjetunion über Hitler-Deutschland.

Für Russland ist die symbolträchtige Parade auf dem Roten Platz in Moskau am 9. Mai das wichtigste politische Ereignis in diesem Jahr. „Die Risiken wegen des Virus erlaubten keine Vorbereitung auf die Parade“, sagte der russische Präsident Vladimir Putin. Die Veranstaltung solle noch in diesem Jahr nachgeholt werden. Ein Ausweichtermin wurde nicht genannt. Zudem sagte Putin alle weiteren Massenveranstaltungen zum Feiertag am 9. Mai ab.

Ein Mann geht am 31. März 2020 in Moskau über den verlassenen Roten Platz mit der Basilius-Kathedrale (C) und dem Spasskaja-Turm des Kremls (R) im Hintergrund. Foto: DIMITAR DILKOFF/AFP über Getty Images

Mitte April stieg die Zahl der Corona-Fälle sprunghaft an

Mitte April hat sich binnen 24 Stunden die Zahl der landesweit bekannten Corona-Infizierten um 4.070 Menschen auf über 32.000 erhöht, wie die Behörden in Moskau mitteilten. Dabei wurde mehr als die Hälfte der Neu-Infektionen im Großraum Moskau gemeldet. Die stellvertretende Bürgermeisterin der Hauptstadt, Anastasia Rakowa, stimmte die Bevölkerung damals auf „schwierige Wochen“ ein.

Gleichzeitig stieg auch die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus sprunghaft an. Ende April beziehungsweise Anfang Mai, schätzen die russischen Behörden, wird der Höchststand bei den Todesfällen erreicht sein. In Russland wurden nach offiziellen Angaben bereits 1,7 Millionen Corona-Tests vorgenommen. International gibt es jedoch Zweifel an der Zuverlässigkeit der Tests.

Menschen mit Gesichtsmasken sind am 5. März 2020 im Fenster eines Quarantäne-Gebäudes zu sehen, in dem sich das Wohnheim der nach I.I. Mechnikov benannten Nordwestlichen Staatlichen Medizinischen Universität in Sankt Petersburg befindet. Foto: OLGA MALTSEVA/AFP über Getty Images

Am 30. März 2020 forderte der Moskauer Bürgermeister ältere Russen auf, entweder zu Hause zu bleiben oder in ihre Landhäuser zu fliehen, um sich nicht dem Virus auszusetzen. Moskau mit seinen mehr als 12 Millionen Einwohnern wurde am 30. März abgeriegelt und mehr als ein Dutzend Regionen zogen nach.

Russisches Gesundheitssystem anscheinend überlastet

Das russische Gesundheitssystem scheint mit dem plötzlichen Anstieg an Corona-Fällen überfordert zu sein. Laut „Business Insider“ kritisieren russische Ärzte die Regierung, weil sie Corona-Fälle verschwiegen haben soll. Auch wird kritisiert, dass die Regierung die Krankenhausmitarbeiter dazu zwinge, Corona-Patienten ohne ausreichende Schutzkleidung zu behandeln.

Medizinisches Personal mit Schutzausrüstung behandelt Covid-19-Patienten auf der Intensivstation des Moskauer Privatkrankenhauses K+31. 20. April 2020. Foto: DIMITAR DILKOFF/AFP über Getty Images

Laut „The Guardian“ gab Präsident Putin am 14. April ein öffentliches Statement ab, in dem er sagte: das Land habe „viele Probleme“ und die Gesundheitssituation würde sich „von Tag zu Tag ändert, und das nicht zum Guten“. Fünf Tage später sagte Putin während seiner Osteransprache, dass die Situation „komplett unter Kontrolle“ sei, berichtet „Reuters“.

Geldstrafen von bis zu zwei Millionen Rubel (23.000 Euro)

Ende März verabschiedete die Duma (parlamentarisches Unterhaus mit vom Volk gewählten Vertretern) ein Gesetz, dass Quarantäne-Verstöße künftig mit mehreren Jahren Haft bestraft werden. Wer die Quarantäne missachtet und damit „absichtlich viele Menschen infiziert oder den Tod eines anderen verursacht“, dem drohen bis zu fünf Jahre Haft und Geldstrafen von bis zu zwei Millionen Rubel (23.000 Euro). Würden „zwei oder mehr Menschen sterben“, können bis zu sieben Jahre Haft verhängt werden. Zudem wurden die Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie ausgeweitet. In mehr als 40 der 85 Regionen Russlands wurde damit das öffentliche Leben weitgehend lahmgelegt.

Die Abgeordneten der Duma verabschiedeten zudem ein Gesetz, das es der Regierung ermöglicht, den landesweiten Notstand auszurufen. Die Duma beriet außerdem über einen Gesetzentwurf, der bis zu fünf Jahre Haft für das Verbreiten von Falschinformationen über das Virus vorsieht.

Mitte März hieß es durch Vize-Regierungschef Dmytro Tschernyschenko, bei einem gemeinsamen Besuch mit Putin in einem neuen Corona-Informationszentrum in Moskau, dass man gegen die „psychischen Folgen von Falschmeldungen“ vorgehen werde. Das Corona-Informationszentrum führt Informationen aus IT-Quellen, wie etwa Überwachungskameras und künstlicher Intelligenz, zusammen. Das Zentrum entwickelte eigenen Angaben zufolge auch eine App für kostenlose medizinische Online-Konsultationen.

Russland schloss alle Grenzen und stellte internationale Flüge ein

Mittlerweile hat Russland alle seine Grenzen vollständig geschlossen und den Verkehr an allen Grenzübergängen auf Straßen, Bahnverbindungen, Häfen und Fußgängerübergängen „vorübergehend beschränkt“, hieß es in einem veröffentlichten Dekret. Ausgenommen von den Regelungen sind nur russische Diplomaten und Lastwagenfahrer.

Mit der Grenzschließung sollte verhindert werden, dass „neue Infektionsfälle ins Land kommen“. Betroffen war demnach auch die Grenze zu Weißrussland, an der es normalerweise keinerlei Kontrollen gibt. Für Ausländer wurden die Grenzen zu Russland schon Mitte März geschlossen – internationale Flüge wurden eingestellt.

Ende März wurde zudem bekannt, dass sich Denis Prozenko, der Leiter des in der Behandlung von Corona-Patienten führenden Moskauer Kommunarka-Krankenhauses, der erst kürzlich mit Präsident Putin Kontakt hatte, positiv auf das Virus getestet wurde.

Der russische Präsident Wladimir Putin in Schutzkleidung besucht am 24. März 2020 in der Siedlung Kommunarka in Moskau ein Krankenhaus, wo COVID-19-Patienten in Behandlung sind. Foto: ALEXEY DRUZHINININ/SPUTNIK/AFP über Getty Images

(Mit Material von dpa und afp)



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