Conte: „Die Opfer, die man nun von uns verlangt, sind entscheidend für das Gemeinwohl“
Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte hat in einem Interview mit dem europäischen Zeitungsverbund „Leading European Newspaper Alliance“ (LENA) die Vorgehensweise seiner Regierung angesichts der Ausbreitung des Coronavirus verteidigt. Noch bevor am Sonntagabend (8.3.) das Kabinett in Rom offiziell seine Entscheidung über weitergehende Anti-Virus-Maßnahmen verkünden konnte, hatten unbekannte Informanten bereits am Nachmittag Informationen über die bevorstehenden Schritte an die Medien durchgestochen.
Mittlerweile ist ganz Italien seit dem gestrigen Montagabend zur „roten Zone“ erklärt worden. Die Ein- und Ausreisen sind nicht mehr zulässig. Ausländische Touristen dürften lediglich noch, wie das österreichische Außenministerium erklärte, an ihre Wohnorte zurückkehren.
Italien de facto abgeriegelt
Die „Welt“ hat eine deutschsprachige Fassung des Interviews veröffentlicht. Conte erklärte darin, keine Prognose darüber abgeben zu können, wann wieder mit einer Normalisierung der Verhältnisse gerechnet werden könne. Die Regierung habe ihre weitreichenden Maßnahmen, die nun in einer De-facto-Abriegelung des gesamten Staatsgebiets kulminierten, vor allem deshalb veranlasst, weil sie zwei wesentliche Ziele erreichen wolle – „das Eindämmen der Verbreitung des Virus und die Stärkung des Gesundheitssystems, damit es dieser Herausforderung gewachsen ist“. Italien sei, so Conte, ein „starkes Land“.
Der Regierungschef übte deutliche Kritik an den „Maulwürfen“, die jüngst einen Textentwurf über geplante Maßnahmen Medien zugespielt hatten. Sie hätten damit für Verwirrung und Unsicherheit bei den Bürgern gesorgt. „Als der Textentwurf am späten Abend – wie gesetzlich vorgeschrieben – an die Minister und Regionalpräsidenten verschickt wurde, diskutierte schon das ganze Land über die Maßnahmen, die ich vorher noch einer endgültigen Beurteilung hatte unterziehen wollen“, klagte Conte.
In dem Interview, das vor der Verkündung der flächendeckenden „roten Zone“ geführt worden war, hatte Conte die Regionen noch einmal vor „Eigeninitiativen“ gewarnt. Er rief zu einer gemeinsamen Linie im Katastrophenschutz auf. Immerhin sei der Gesundheitsschutz vor allem Sache der Regionen, die Regierung gebe nur den Rahmen vor und leiste Unterstützung beim operativen Katastrophenschutz.
Kampf gegen Coronavirus verursache „Anpassungsschwierigkeiten“
Mittlerweile gelten im gesamten Land jene Beschränkungen, die zuvor nur den Norden betroffen hatten. Alle Bürger seien angehalten, ihre Reisetätigkeit auf berufliche und gesundheitliche Gründe und auf sonstige Notfälle zu beschränken. Zuwiderhandelnden droht Conte mit scharfen Konsequenzen:
Wer die neuen Regeln nicht respektiert, verstößt gegen Artikel 650 des Strafgesetzbuchs. Und wer sich selbst falsche Bescheinigungen mit einer der drei erlaubten Gründe für eine Zugreise ausstellt, muss ebenfalls mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen.“
Die Gelassenheit, mit der viele Italiener auch in den bereits zuvor zu den „roten Zonen“ erklärten Gebieten mit der Bedrohung umgegangen waren, macht Conte Sorgen.
„Es ist nicht leicht, von einem Tag auf den anderen seine Lebensgewohnheiten zu ändern und zu akzeptieren, dass man persönliche Opfer für das Gemeinwohl erbringen muss. Ich möchte hier niemanden verurteilen. Diese Anpassungsschwierigkeiten haben wir alle, auch Sie und ich. Die Opfer, die man nun von uns verlangt, sind entscheidend für das Gemeinwohl. Wenn wir alle die entsprechenden Regeln befolgen, wird sich das Land schon bald wieder erholen.“
Man werde „weiterhin nach dem Prinzip der größtmöglichen Vorsicht und der Verhältnismäßigkeit der entsprechenden Maßnahmen“ handeln. Am Ende seien es die Bürger selbst, die für den Unterschied sorgen könnten. Dazu gehöre „Vertrauen auf die Wissenschaftler“, der Vorsichtsabstand von einem Meter zum Mitbürger und das Vermeiden von Küssen, Umarmungen und Händeschütteln.
Conte will Familien rechtzeitig informieren
Ob es zu einer Verlängerung der Schulschließungen kommen werde, sei noch offen. Seit mehr als zehn Tagen stehen Familien vor der Herausforderung, Betreuung für ihre Kinder zu organisieren, die keine Schulen, Horte oder Kindergärten mehr besuchen können. Bis 15. März werden die Einrichtungen geschlossen bleiben, was anschließend geschehe, hänge von der Einschätzung der Experten ab, die die Situation beobachten sollen.
„Wir hatten die zuständigen Experten gebeten, uns alle Informationen zu liefern, damit wir eine solche Entscheidung politisch verantwortlich treffen konnten“, erklärt Conte. „In ein paar Tagen werden wir ein klareres Bild von den Ergebnissen der Maßnahmen haben. Dann entscheiden wir, ob wir die Maßnahme verlängern, wobei wir die Familien rechtzeitig informieren werden.“
Einige der Fachleute hatten zuletzt erklärt, dass eine Schulschließung als Maßnahme zur Eindämmung eines Virus dieser Art nur dann Erfolg verspreche, wenn diese mindestens zwei Monate durchgezogen würden.
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