CDU fordert Grenzkontrollen – Nachbarländer befürchten Ende von Schengen-Abkommen
Der Anschlag von Solingen am vergangenen Freitag, 23. August, hat die Forderung nach einer generellen Wiedereinführung von Grenzkontrollen bei der Einreise nach Deutschland laut werden lassen. Vor allem aus der CDU kommen entsprechende Forderungen. Sie sollen die Grenzen zu allen deutschen Nachbarstaaten betreffen. Während die seit etwa einem dreiviertel Jahr bestehenden Kontrollen mit einem Rückgang unerlaubter Einreisen einhergeht, fürchten Nachbarländer um das Schengen-System.
Schengen-System schließt Grenzkontrollen nicht aus – sieht sie jedoch nur als Ausnahme
Der 1985 abgeschlossene Schengen-Vertrag, zu dem in den 1990er-Jahren mehrere Durchführungsübereinkommen ergingen, sollte einen europäischen Raum ohne Binnengrenzkontrollen schaffen. Dies solle Bürgern der EG und späteren EU die Ausübung ihrer vier Grundfreiheiten nach den europäischen Verträgen ermöglichen.
Grenzkontrollen sollen demnach nicht gänzlich ausgeschlossen sein. Ihre Einführung müsse jedoch angezeigt werden und sie sollen zeitlich beschränkt bleiben. Nur im dringenden Bedarfsfall soll eine Verlängerung möglich sein. Jedoch bestehen die im Jahr 2015 eingeführten stationären Kontrollen in Bayern bei Einreise aus Österreich bis heute fort.
Im Oktober des Vorjahres hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser zusätzlich an den Grenzen zu Polen und Tschechien sowie der Schweiz stationäre Grenzkontrollen eingeführt. Während der Fußball-EM und der Olympischen Spiele wurden diese verstärkt und auch mit Blick auf Frankreich stichprobenartige Überprüfungen veranlasst.
Zahl der unerlaubten Übertritte deutlich gesunken
Die derzeit in Kraft befindlichen Grenzkontrollen für Reisende aus Österreich sind vorerst bis 11. November in Geltung. Bezüglich der Praxis an den Landgrenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz soll der Status quo am 15. Dezember überprüft werden.
Ministerin Faeser hatte erklärt, die Kontrollen würden so lange aufrecht bleiben, bis die Zahl irregulärer Grenzübertritte signifikant zurückgegangen sei. Aktuellen Zahlen zufolge ist das bereits eingetreten. Wie die „Rheinische Post“ jüngst berichtete, hat sich die Zahl unerlaubter Einreisen gegenüber dem Vorjahr von fast 130.000 auf bislang 53.000 deutlich reduziert. Im Vorjahr war einem Lagebild des Bundeskriminalamts (BKA) zufolge die höchste Zahl unerlaubter Grenzübertritte seit 2016 zu verzeichnen.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht die Grenzkontrollen nach wie vor kritisch und zweifelt an deren dauerhafter Effektivität. In den Reihen der Interessensvertretung wird darauf hingewiesen, dass der Personalbedarf zu deren Aufrechterhaltung erheblich sei. Außerdem würden die Schleuser sich auf die Kontrollen einstellen und alternative Transportwege suchen.
Attentäter von Solingen nicht aus Schengen-Staat eingereist
Der für den Anschlag in Solingen tatverdächtige syrische Asylsuchende war im Dezember 2022 aus Bulgarien eingereist – einem Land, das damals noch kein Schengen-Mitgliedstaat war.
In den Nachbarländern hat der Vorstoß der CDU, die nach der Bundestagswahl 2025 an der Regierung sitzen könnte, Besorgnis ausgelöst. Mehrere Regierungsvertreter befürchten einen möglichen Dominoeffekt, der das Schengen-System insgesamt ins Wanken bringen könnte.
Hana Malá vom tschechischen Innenministerium äußerte gegenüber „Euractiv“, das von der Union geforderte Vorgehen sei „eine fundamentale Abweichung von der aktuellen Gesetzgebung und dem Prinzip von Schengen selbst“. Das Problem müsse „auf höchster politischer Ebene und europaweit angegangen werden“.
Auch aus dem polnischen Innenministerium werden Bedenken laut. Bereits jetzt hätten die bestehenden Kontrollen „Schwierigkeiten im Grenzverkehr“ nach sich gezogen. Statt über eine Verstetigung der Kontrollen nachzudenken, sollte Berlin „eine frühzeitige Abschaffung der Kontrollen an der polnischen Grenze und mögliche alternative Maßnahmen“ erwägen.
Grüne: Erfolgsmeldungen über Grenzkontrollen „höchst fragwürdig“
Unverständnis äußert auch ein Sprecher der belgischen Regierung. Die dortige Wirtschaft sei sehr offen, heißt es aus Brüssel. Deshalb sei „das reibungslose Funktionieren des Schengen-Raums von wesentlicher Bedeutung“. Eine permanente Wiedereinführung von Grenzkontrollen an allen deutschen Übergängen dürfte in der restlichen Zeit der Ampelregierung an den Grünen scheitern.
In einem Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußern sie bereits gegen die bestehenden Grenzkontrollen Bedenken. Diese seien nicht mit dem EU-Recht vereinbar, da Kontrollen dieser Art „nur in Ausnahmefällen, zeitlich streng begrenzt und als letztes Mittel“ zulässig seien. Unter Berufung auf ein beigefügtes Gutachten stellen sie auch bisherige Erfolgsmeldungen infrage. Diese seien „höchst fragwürdig und in vielen Fällen statistisch nicht belegt“, so die Verfasser.
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