Bundestag berät an Armenien-Jahrestag über Völkermord-Erklärung
Zum 100. Jahrestag der Gräueltaten berät das Parlament erstmals über eine Erklärung, in der das Geschehen als Völkermord bezeichnet wird. Mit Rücksicht auf die Türkei hatte Deutschland bislang auf diesen Begriff verzichtet. Die neue Linie dürfte zur Belastungsprobe für das deutsch-türkische Verhältnis werden.
Am Donnerstagabend sprach Gauck bei einem ökumenischen Gedenkgottesdienst in Berlin von Völkermord. Das Staatsoberhaupt setzte sich damit über Bedenken hinweg, dass diese Einordnung die Beziehungen zur Türkei beschädigen könnte. Zugleich räumte Gauck – ebenso wie die christlichen Kirchen – deutsche Mitverantwortung für die Gräueltaten an den Armeniern ein.
Im Ersten Weltkrieg waren Armenier im Osmanischen Reich als vermeintliche Kollaborateure systematisch vertrieben und umgebracht worden. Nach Schätzungen kamen dabei zwischen 200 000 und 1,5 Millionen Menschen ums Leben. Die Türkei als Nachfolgestaat des Osmanischen Reichs lehnt die Bezeichnung Völkermord vehement ab.
In Armeniens Hauptstadt Eriwan findet am Freitag eine große Gedenkfeier statt, an der auch ausländische Staatsgäste teilnehmen. Die Ex-Sowjetrepublik bezeichnet die Gräueltaten als Völkermord. Zu einer zentralen Zeremonie mit Staatschef Sersch Sargsjan werden unter anderem Kremlchef Wladimir Putin und der französische Präsident François Hollande erwartet. Hunderttausende Armenier wollen an einer Gedenkstätte in Eriwan Blumen niederlegen. Die armenische Kirche sprach die Opfer am Donnerstagabend kollektiv heilig und erhob sie zu Märtyrern.
Gauck sagte: „Das Schicksal der Armenier steht beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von der das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist.“ Er ergänzte: „In diesem Fall müssen auch wir Deutsche insgesamt uns noch einmal der Aufarbeitung stellen, wenn es nämlich um eine Mitverantwortung – unter Umständen gar eine Mitschuld – am Völkermord an den Armeniern geht.“
Wegen des Streits um die Wortwahl hatte es in den vergangenen Tagen zwischen Bundesregierung, Koalitionsparteien und Präsidialamt einiges Hin und Her gegeben. Die Bundesregierung wollte den Begriff vermeiden. Gauck benutzte nun nahezu wortgleich die Formulierung, auf die man sich für die Erklärung im Bundestag geeinigt hatte. Dieser Text geht nach der ersten Beratung im Plenum in die Ausschüsse und soll bis zur Sommerpause endgültig verabschiedet werden. Der Opposition aus Grünen und Linkspartei geht der Text nicht weit genug.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland bewertet die neue Linie der deutschen Politik positiv. „Es ist richtig, dass jetzt nach dem Papst auch der Bundestag dieses schreckliche Verbrechen klar beim Namen nennt“, sagte Präsident Josef Schuster der „Passauer Neue Presse“ (Freitag). „Was vor hundert Jahren im Osmanischen Reich geschehen ist, die Deportation und Ermordung von mehr als einer Million Armenier, war ein Völkermord.“ Nun müsse sich auch die Türkei offen und ehrlich damit auseinandersetzen.
Wegen einer Armenien-Erklärung des österreichischen Parlaments, in der von Genozid die Rede ist, beorderte Ankara den türkischen Botschafter in Wien zu Beratungen zurück. Die Erklärung werde die türkisch-österreichische Freundschaft „dauerhaft beflecken“, kritisierte das türkische Außenministerium am Donnerstag.
(dpa)
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