Vizekanzler Scholz will US-Wunsch nach Beteiligung an Marinemission nicht erfüllen
Die USA drängen ihre Verbündeten in Europa zu einem Marine-Einsatz vor der iranischen Küste – doch Deutschland will nicht mitmachen. Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer verband die Absage der Bundesregierung am Mittwoch mit klarer Kritik an der Iran-Politik der USA: Deutschland verfolge bei der Sicherung der Schifffahrtswege in der Straße von Hormus einen diplomatischen Kurs der Deeskalation – und „eine Beteiligung an einer US-geführten Mission könnte dieses Anliegen erschweren“.
Deutschland habe deshalb keinen Beitrag für die von den USA geplante Marinemission angeboten und stehe „dem konkreten US-Vorschlag zurückhaltend gegenüber“, sagte Demmer. Grund sei, dass „der Gesamtansatz unserer Politik gegenüber dem Iran vom Gesamtansatz der USA deutlich abweicht“. Eine Beteiligung an einer rein europäischen Mission schließt die Bundesregierung allerdings nicht aus.
Die US-Regierung hatte Deutschland und anderen europäischen Verbündeten kürzlich ihre Pläne für eine Marinemission zum Schutz der wichtigen Schifffahrtsrouten in der Straße von Hormus vorgestellt und um Beiträge gebeten.
Die US-Botschaft in Berlin hatte diese Aufforderung am Dienstag in diplomatisch ungewöhnlicher Weise öffentlich gemacht und die Bundesregierung in einer Erklärung aufgefordert, „Hilfe bei der Sicherung der Straße von Hormus zu leisten und iranische Aggression zu bekämpfen“.
Scholz mit Absage an USA
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) erteilte den USA am Mittwoch eine öffentliche Absage. Eine Marinemission zum Schutz der zivilen Seefahrt in der Golfregion sei „ein paar Schritte zu schnell gesprungen“, sagte er im ZDF.
Scholz verwies auf Gespräche mit europäischen Partnern wie Frankreich und Großbritannien, „wie man die Situation beobachten kann“. Dabei sei aber „eben nicht von einer Mission die Rede, wie sie jetzt angefragt worden ist“. In dieser Frage sei sich die große Koalition einig, betonte der SPD-Politiker.
Die Bundesregierung steht nach Angaben von Vizeregierungssprecherin Demmer insbesondere mit Frankreich und Großbritannien im Austausch, um über eine rein europäische Schutzmission zu beraten: „Grundsätzlich betrachtet die Bundesregierung den Vorschlag einer maritimen Schutzmission europäischer Staaten natürlich weiterhin als erwägenswert.“
Johnson tendiert zu gemeinsamer Marinemission mit USA
Eine europäische Schutzmission ist nach dem Regierungswechsel in London allerdings mit Ungewissheit behaftet. Der Vorschlag war von der früheren britischen Regierung gekommen; der neue Premierminister Boris Johnson hat inzwischen aber Interesse an einer gemeinsamen Marinemission mit den USA bekundet.
Die Außenexperten der Regierungsfraktionen im Bundestag sprachen sich gegen die Beteiligung an einer US-geführten Mission aus. „Zu kurz gedacht wäre es zu sagen, wir springen mal auf einer amerikanischen Mission auf“, sagte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen im ZDF. „Das war von vornherein immer klar, dass das nicht der Fall sein würde.“
Röttgen forderte den Koalitionspartner SPD aber zugleich zur Offenheit für eine europäische Schutzmission im Golf auf. „Die Alternative zur Ablehnung einer Mission mit den Amerikanern ist nicht, erneut nichts tun“, sagte er. Eine solche Haltung stelle er bei „vielen fest, leider auch gerade in der SPD“.
Der kommissarische SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich forderte gegenüber dem „Spiegel“ ein UN-Mandat für einen möglichen Einsatz: „Die Beteiligung an einer robusten, durch keinen Beschluss des Sicherheitsrates gedeckten Militärmission wäre unverantwortlich und würde politische Spielräume endgültig verschütten.“
Der Iran hatte am 20. Juli in der Straße von Hormus, der Meerenge zwischen Persischem Golf und dem Golf von Oman, den britischen Tanker „Stena Impero“ festgesetzt. Die USA wollen eine internationale Militärkoalition zum Schutz von Öltankern auf der vor allem für den internationalen Ölhandel sehr wichtigen Route ausloten. (afp)
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