Bukarest: Großkundgebung fordert Rücktritt der rumänischen Regierung wegen Korruption – 450 Verletzte

Bis zu 80.000 Rumänen forderten in Bukarest den Rücktritt derRegierung wegen Korruption. Die Situation eskalierte, es kam zu über 450 Verletzten. Die seit Ende 2016 regierenden Sozialdemokraten wollen das Gesetz zur Korruptionsbekämpfung lockern, vor allem der Parteichef, Liviu Dragnea. Infolge einer Verurteilung wegen Wahlbetrugs durfte Dragnea selbst nicht das Amt des Ministerpräsidenten antreten.
Titelbild
Die rumänische Polizei setzte Tränengas gegen die Demonstranten ein, um die Proteste gegen die Regierung vor dem rumänischen Regierungssitz in Bukarest am 10. August 2018 einzugrenzenFoto: DANIEL MIHAILESCU/AFP/Getty Images
Epoch Times11. August 2018

Tausende Rumänen haben am Freitag in der Hauptstadt Bukarest den Rücktritt der von ihnen der Korruption bezichtigten Regierung gefordert. Örtlichen Medienberichten zufolge versammelten sich zwischen 50.000 und 80.000 Demonstranten, darunter viele Auslandsrumänen, auf dem Siegesplatz vor dem Regierungssitz.

In Sprechchören riefen sie unter anderem „Diebe“ und „Rücktritt“.

Die Polizisten gingen massiv mit Pfefferspray und Tränengas, später auch mit Wasserwerfern, gegen die Demonstranten vor. Nach Angaben der Notdienste erlitten dadurch etwa 450 Menschen Verletzungen.

Die Polizei verteidigte den von Präsident Klaus Iohannis als „brutal“ verurteilten Einsatz am Samstag als „angemessene“ Reaktion auf gewalttätige Demonstranten. Etwa 30 Menschen seien bei den Zusammenstößen am Freitagabend festgenommen worden. Für Samstagabend war eine weitere Kundgebung in Bukarest geplant.

An dieser Stelle wird ein Video von Youtube angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um das Video anzusehen.

Nach Angaben der Rettungskräfte mussten zahlreiche Verletzte nach dem Einatmen von Pfefferspray oder Tränengas medizinisch behandelt werden. Andere erlitten demnach Quetschungen oder Prellungen. Zudem seien etwa 30 Polizisten verletzt worden.

Präsident Iohannis, der mit der Regierung politisch über Kreuz liegt, kritisierte das Vorgehen der Sicherheitskräfte als „unverhältnismäßig“. Er forderte den Innenminister zu einer Erklärung auf. „Jede Form der Gewalt ist inakzeptabel“, schrieb Iohannis im Netzwerk Facebook.

Viele der Demonstrationsteilnehmer waren Auslandsrumänen, die für die Kundgebung in ihre Heimat zurückgekehrt waren. Mehrere dutzend Demonstranten versuchten, eine Polizeikette zu durchbrechen und warfen Steine und Flaschen auf die Sicherheitskräfte.

Lokale Medien sprechen von 50.000 bis 80.000 Menschen, die sich gegen die Regierung versammelten. Foto: ANDREI PUNGOVSCHI/AFP/Getty Images

Proteste auch in Cluj, Sibiu und Temeswar

Auch in den Großstädten Cluj, Sibiu und Temeswar gingen tausende Menschen aus Protest gegen die sozialdemokratische  Regierung von Ministerpräsidentin Viorica Dancila auf die Straße.

Die regierenden Sozialdemokraten wollen die Gesetze zur Korruptionsbekämpfung lockern und das Justizsystem umbauen. Kritiker werfen der Regierung vor, dadurch die Tür für noch mehr Korruption in Rumänien zu öffnen, das ohnehin als eines der korruptesten EU-Länder gilt.

Im Juli sprach sich eine Mehrheit im Parlament für die Lockerung der Korruptionsbekämpfung aus – trotz vieler Warnungen aus dem In- und Ausland. Zuvor war auf Druck der Regierung die angesehene Vorsitzende der unabhängigen Anti-Korruptions-Behörde entlassen worden.

Treibende Kraft hinter den Gesetzesänderung ist der Parteichef der regierenden Sozialdemokraten, Liviu Dragnea. Infolge einer Verurteilung wegen Wahlbetrugs durfte Dragnea selbst nicht das Amt des Ministerpräsidenten antreten. Er gilt aber als der eigentliche starke Mann der Regierung.

Dragnea reagierte am Samstag auf Iohannis‘ Kritik: Der Präsident instrumentalisiere die Vorkommnisse und „stachelt die Bevölkerung gegen die Sicherheitskräfte auf“.

Präsident Iohannis ist ein Gegenspieler der Regierung, er hat sich den Kampf gegen Korruption und für Rechtsstaatlichkeit auf die Fahnen geschrieben. Auch die EU mahnt Rumänien regelmäßig zu einem entschlosseneren Vorgehen gegen die Korruption.

Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Menge vor. Foto: ANDREI PUNGOVSCHI/AFP/Getty Images

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz verurteilte im Kurzbotschaftendienst Twitter „die gewaltsamen Zusammenstöße“ in Bukarest scharf. Kurz, dessen Land derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, bekannte sich zudem zu den „Grundfreiheiten der EU“, freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit.

Rumänen im Ausland

Etwa vier Millionen Rumänen (bei einer Gesamtbevölkerung von 20 Millionen) arbeiten nach Behördenangaben im Ausland, davon die Hälfte in Italien und Spanien.

Im vergangenen Jahr schickten die Auslandsrumänen 4,3 Millionen Euro an ihre Familien in der Heimat. Das entspricht 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Rumänien ist einer der ärmsten Länder der Europäischen Union. (afp)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion