Last Minute: Brüssel wartet auf Vorschläge aus Athen
„Es ist heute unerlässlich (…), dass diese Reformen auf dem Tisch liegen“, sagte er dem französischen Sender France Inter. Die Frist zur Vorlage endet nach Angaben der EU-Kommission um Mitternacht. Falls es kein vollständiges Paket aus Athen gebe, drohten große Schwierigkeiten, erklärte Moscovici. Falls die Reformen hingegen ausreichten, sei es möglich, mit den Geldgebern zu einer Vereinbarung zu kommen.
Bei dem Tauziehen mit Griechenland geht es um ein neues Hilfsprogramm und eine Zwischenfinanzierung, um die akut drohende Staatspleite zu umschiffen. Moscovici sagte, Athen müsse Gläubigern allein im laufenden Monat 4,2 Milliarden Euro zurückzahlen. Die Frage eines Schuldenumbaus gehöre nicht zu denen, die in den nächsten Tagen gelöst werden müssten, so der französische Sozialist. IWF-Chefin Christine Lagarde hatte zuvor eine Umstrukturierung der griechischen Schulden angemahnt.
Wie die griechische Presse übereinstimmend berichtete, arbeiten Experten des Finanzministeriums in Athen eng mit französischen Beratern zusammen, um alle Details rechtzeitig so fertig zu haben, wie die Gläubiger sie haben wollen. Am frühen Nachmittag sollten die Spitzen der griechischen Parteien über den Inhalt des Sparmaßnahmen-Papiers informiert werden, berichtete das Staatsradio.
Nach Informationen der Athener Finanzpresse sieht das Paket erhebliche Mehrbelastungen der Tourismusbranche vor. So solle die Mehrwertsteuer im Bereich Hotellerie von 6,5 auf 13 Prozent und im Gastronomiebereich von 13 auf 23 Prozent steigen, berichtete das Blatt „Naftemboriki“. Das Reformpaket habe einen Wert von zehn bis zwölf Milliarden Euro, die sich aus Einsparungen und Mehreinnahmen ergeben. Die umstrittene Immobiliensteuer solle auch 2015 und 2016 bleiben, schreibt „Naftemboriki“. Athen sei zudem bereit, fast alle Frührenten abzuschaffen. Grundsätzlich solle niemand vor dem 67. Lebensjahr in Rente gehen können. Wer bereits 40 Jahre gearbeitet habe, solle ab 62 Jahren das Recht auf Ruhestand haben.
Am Sonntag treffen sich die Staats- und Regierungschefs – zunächst der Eurozone und danach der gesamten EU. Sie wollen bei dem Sondergipfel zu einem Kompromiss kommen und Griechenland damit vor einer Staatspleite und einem drohenden Ausstieg aus der Eurozone bewahren. Am Samstag wollen bereits die Euro-Finanzminister über den Hilfsantrag beraten.
Der griechischen Regierung schwebt ein drittes Hilfspaket mit einer Laufzeit von drei Jahren vor, so steht es in ihrem Antrag an den ESM. Der ESM ist der dauerhafte Rettungsfonds der Eurozone, aus dem unter strengen Voraussetzungen Hilfen für klamme Eurostaaten gezahlt werden können.
Finanzexperten der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) und auch der Internationale Währungsfonds (IWF) haben bereits mit der Prüfung begonnen, ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Dazu gehört ein Check der finanziellen Lage und der so genannten Schuldentragfähigkeit. Damit ist gemeint, dass der gesamte Schuldenberg nicht so groß sein soll, dass er – samt fälliger Zinszahlungen – den Staat erdrückt.
Vom Ergebnis ihres Prüfberichts und dem anschließenden Votum der Euro-Finanzminister hängt ab, ob sich Griechenland für neue Hilfen qualifiziert. Nur wenn diese Bedingung erfüllt ist und auch die Reformliste aus Athen in der Nacht zu Freitag eingeht und überzeugt, können die Ressortchefs das mehrstufige Verfahren zu Verhandlungen über neue Rettungskredite förmlich in Gang setzen.
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sucht bereits nach Wegen, eine mögliche Einigung mit den Geldgebern über ein Hilfspaket durch das Parlament zu bringen, ohne einen Bruch des Regierungslagers zu riskieren. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus griechischen Regierungskreisen erfuhr, will Tsipras die Abgeordneten seines Linksbündnisses Syriza ohne Fraktionszwang nach ihrem Gewissen abstimmen lassen.
Vertreter des linken Syriza-Flügels hatten angekündigt, in jeden Fall gegen ein neues Sparprogramm zu votieren. Insider erwarten bis zu 30 Abweichler. Mit einem Verzicht auf den Fraktionszwang würde der Regierungschef es verhindern, dass es zu einem offenen Bruch im Regierungslager komme, hieß es. Tsipras kann sich allerdings darauf verlassen, dass die Abgeordneten der wichtigsten Oppositionsparteien für ein Spar- und Reformprogramm stimmen werden. Damit wäre die Mehrheit praktisch gesichert. Das Datum für eine mögliche Abstimmung im griechischen Parlament steht noch nicht fest.
(dpa)
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