Brüssel setzt Rotstift bei EU-Milliarden für Bauern an – auch für Regionen die keine Flüchtlinge aufnehmen
Deutliche Kürzungen der Milliardenhilfen für Europas Bauern und Regionen und höhere Beiträge der Mitgliedstaaten: EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger legt am Mittwoch seinen Vorschlag für die Finanzausstattung der Europäischen Union im kommenden Jahrzehnt vor.
Streit ist auch vorprogrammiert, weil die EU-Milliarden künftig an Bedingungen bei Rechtsstaatlichkeit und Flüchtlingsaufnahme geknüpft werden sollen.
Worum geht es?
Die EU legt ihre Ausgabenprioritäten in einem mehrjährigen Finanzrahmen fest. Der aktuelle Sieben-Jahres-Plan läuft von 2014 bis 2020. Er beläuft sich auf ein Prozent der EU-Wirtschaftsleistung, die laut EU-Kommission in heutigen Preisen 1087 Milliarden Euro beträgt. Der neue Finanzrahmen reicht von 2021 bis 2027.
Wofür sind die EU-Gelder bestimmt?
Größter Posten ist bisher mit fast 39 Prozent die Agrarpolitik und ländliche Entwicklung. Es folgen mit 34 Prozent die Strukturhilfen für Regionen. Die Förderung von Forschung und Technologie hat einen Anteil von 13 Prozent, Außenpolitik und Verwaltung kommen auf jeweils sechs Prozent.
Warum ist die Finanzlage dieses Mal besonders schwierig?
Durch den EU-Austritt des Nettozahlers Großbritannien werden Europa laut Oettinger pro Jahr zehn bis 13 Milliarden Euro fehlen. Hinzu kommen Mehrausgaben von jährlich acht bis zehn Milliarden Euro für neue EU-Aufgaben bei Verteidigung, Migration oder im Kampf gegen Terror. Deutlich ausbauen will Oettinger dabei die Grenzschutzbehörde Frontex: Ihre Mitarbeiterzahl will er auf 6000 Beamte „mehr als verfünffachen“.
Wie soll der zusätzliche Finanzbedarf gedeckt werden?
Oettinger will einerseits das Gesamtvolumen für den Finanzrahmen um elf bis 19 Prozent im Verhältnis zur EU-Wirtschaftsleistung erhöhen. Finanzieren will er das durch höhere Beiträge der dann noch 27 EU-Mitgliedstaaten. Der deutsche Haushaltskommissar verlangt dabei bisher von Berlin drei bis 3,5 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich. Gleichzeitig will er „maßvoll“ den Rotstift in traditionellen Ausgabenbereichen ansetzen.
Wo will Oettinger sparen?
Oettinger will praktisch alle bisherigen EU-Programme kürzen. Ausnehmen will er nur das Erasmus-Programm für Schüler- und Studentenaustausch sowie die Forschungsförderung. Bei den Hauptbereichen Landwirtschaft und Regionalförderung spricht sich Oettinger für Einsparungen unter zehn Prozent aus – jüngst hatte er einmal von sechs Prozent gesprochen. Bei den Agrarmitteln befürwortet Oettinger ein Abseinken nach Hofgröße: „Je mehr Fläche, desto mehr geht die Förderung zurück“, lautet das Prinzip.
Werden EU-Mittel stärker an Bedingungen geknüpft?
Deutschland will die Mittelauszahlung stärker von Strukturreformen abhängig machen. Zudem verlangt Berlin, dass Anstrengungen von Kommunen und Regionen bei der Flüchtlingsaufnahme honoriert werden. Dies könnte zu Lasten osteuropäischer Staaten gehen, welche die Teilnahme an EU-Programmen zur Flüchtlingsverteilung verweigern. Oettinger will beide Forderungen aufgreifen.
Und was ist mit der Rechtsstaatlichkeit?
Nach dem Streit Brüssels mit Polen um Justizreformen und regelmäßiger Demokratiekritik an Ungarn sollen die Mittel auch an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien geknüpft werden. „Wenn in Mitgliedstaaten Rechtsstaatlichkeit verletzt ist, haben wir auch die Möglichkeit, für Projekte Gelder nicht mehr zu vergeben“, heißt es aus der Kommission.
Wie wird der Finanzrahmen beschlossen?
Als nächstes sind die Mitgliedstaaten am Zug. Die Nettozahler Niederlande und Österreich wollen keinesfalls höhere Beiträge, Polen will sich gegen die Pläne bei der Rechtsstaatlichkeit stemmen. Entscheiden müssen die EU-Staaten aber einstimmig. Bedingungen bei der Fördermittelvergabe könnten Diplomaten zufolge aber auch später in den Ausführungsverordnungen durchgesetzt werden. Hier wäre nur ein Mehrheitsbeschluss nötig. Dem Finanzrahmen muss letztlich auch das Europaparlament zustimmen.
Gibt es eine Frist?
Nein. Oettinger dringt aber auf eine Einigung vor den Europawahlen im Mai 2019, damit bei Landwirten, Kommunen, Forschern oder Erasmus-Studenten rechtzeitig Klarheit über Fördermöglichkeiten ab 2021 besteht. Eine so schnelle Einigung halten viele EU-Regierungen aber für „unrealistisch“. Und beim letzten Finanzrahmen dauerten die Verhandlungen 29 Monate. (afp)
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