Brüssel leitet Verfahren gegen Ungarn und Polen ein: „EU-Recht hat Vorrang vor nationalem Recht“
Wegen der mutmaßlichen Diskriminierung Homo- und Transsexueller in Ungarn und Polen hat die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die beiden Mitgliedstaaten eingeleitet. Einen entsprechenden Brief schickte die EU-Kommission am Donnerstag an die Regierungen in Warschau und Polen.
Ein ungarisches Gesetz zur Informationsbeschränkung für Homosexualität sowie LGBT-freie Zonen in Teilen Polens hatten für Empörung unter einigen EU-Politikern gesorgt.
Europa wird niemals zulassen, dass Teile unserer Gesellschaft stigmatisiert werden: sei es wegen der Person, die sie lieben, wegen ihres Alters, ihrer politischen Meinung oder aufgrund ihres religiösen Glaubens“, erklärte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.
EU-Kommission „zutiefst besorgt“ über Urteil des polnischen Verfassungsgerichts
Die EU-Kommission hat sich „zutiefst besorgt“ über das jüngste Urteil des polnischen Verfassungsgerichts gezeigt.
„Diese Entscheidung bestätigt unsere Besorgnis über den Zustand der Rechtsstaatlichkeit in Polen“, erklärte die EU-Kommission am Donnerstag.
EU-Recht hat Vorrang vor nationalem Recht. Alle Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, einschließlich der Anordnungen einstweiliger Maßnahmen, sind für alle Behörden und nationalen Gerichte der Mitgliedsstaaten bindend.“
Brüssel werde „von seinen Befugnissen Gebrauch machen“, um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten dies respektieren, warnte die Kommission. Das Verfassungsgericht hatte am Mittwoch geurteilt, dass die Anordnungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen Polens umstrittene Justizreformen nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar seien.
Der EuGH hatte am Donnerstag wiederum entschieden, dass Polen mit einem zentralen Teil seiner Justizreformen gegen EU-Recht verstößt. Demnach bietet unter anderem die neu geschaffene Disziplinarkammer „nicht alle Garantien für Unabhängigkeit und Unparteilichkeit“. Die Kammer ist für Disziplinarverfahren gegen Richter zuständig und kann diese auch suspendieren.
Schwulendachverband begrüßt EU-Verfahren
Der europäische Dachverband von Lesben- und Schwulenorganisationen, Ilga-Europe, begrüßte indes die Einleitung des Verfahrens seitens der EU. Nach Jahren, in denen Regierungen getestet hätten, wie weit sie gehen könnten, gehe die Europäische Kommission einen klaren Schritt, meinte der Verband.
In Ungarn war in der vergangenen Woche ein Gesetz in Kraft getreten, das Werbung für Homo- und Transsexuelle verbietet. Das betrifft auch Bücher oder Filme zu diesem Thema. Sie müssen mit dem Jugendhinweis „Verboten für unter 18-Jährige“ versehen werden, solche Filme dürfen nicht mehr zu Hauptsendezeiten ausgestrahlt werden.
Sowohl die EU-Kommission als auch das Europaparlament hatten dieses Gesetz massiv kritisiert. Im EU-Parlament wurde betont, dass das Gesetz ein weiteres Beispiel dafür sei, „dass der graduelle Rückbau der Grundrechte in Ungarn bewusst und vorsätzlich vorangetrieben wird“.
Orban: EU fährt „beispiellose Kampagne“ gegen Ungarn
Ungarns Regierungschef Viktor Orban lehnte eine Rücknahme des Gesetzes indes ab und warf der EU im Gegenzug eine „beispiellose Kampagne“ gegen sein Land vor.
Bereits im Dezember hatte ein von Ungarn verabschiedetes Gesetzespaket gegen Angehörige sexueller Minderheiten in manchen EU-Kreisen Kritik ausgelöst. Den Regelungen zufolge kann unter anderem das Geburtsgeschlecht nicht geändert werden. Auch wird es homosexuellen Paaren untersagt, Kinder zu adoptieren.
Für Polen befand die EU-Kommission, dass das Land nicht vollständig und angemessen auf ihre Befragung über die Ausrufung LGBT-freier Zonen in einigen Teilen des Landes geantwortet habe. Die polnische Regierungspartei PiS stemmt sich aktiv gegen die LGBT-Ideologie. Sie zerstört aus ihrer Sicht das traditionelle Familienmodell.
Polen und Ungarn haben laut EU nun zwei Monate Zeit, auf das Schreiben der Kommission zu reagieren. (afp/rm)
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