Brückeneinsturz in Baltimore: Was wir wissen – und was nicht
„Wir werden unsere aktiven Such- und Rettungsbemühungen einstellen“: Mit diesen Worten nahm ein Vertreter der US-Küstenwache am Dienstagabend (Ortszeit) jede Hoffnung, dass nach dem Einsturz einer Autobahnbrücke in Baltimore im Bundesstaat Maryland noch Überlebende zu finden sein könnten. Angesichts der Temperaturen sei nach so vielen Stunden nicht mehr damit zu rechnen, dass noch jemand lebend aus dem kalten Wasser geborgen werde.
In der Nacht zuvor hatte ein riesiges Containerschiff einen der Stützpfeiler der Francis Scott Key Bridge gerammt. Zwar hatte die Schiffsbesatzung vor dem Zusammenprall noch einen Notruf abgesetzt, was womöglich Leben rettete – Beamte an Land stoppten den Verkehr und verhinderten so, dass weitere Autos auf die Brücke gelangten. Trotzdem brachen große Teile der Brücke in sich zusammen. Tonnenschwere Stahlträger wurden durch die gewaltige Krafteinwirkung wie dünner Draht verbogen, Menschen und Autos in die Tiefe gerissen.
Was genau ist passiert?
Das unter singapurischer Flagge fahrende, rund 290 Meter lange Containerschiff „Dali“ war nach Angaben von Marylands Gouverneur Wes Moore „mit acht Knoten, also mit rasanter Geschwindigkeit“ auf die Brücke zugesteuert – das sind etwa 15 Kilometer pro Stunde. Die Kollision ließ die vierspurige, mehr als 2,5 Kilometer lange Brücke einstürzen. Als Teil der überregionalen Verkehrsader Interstate 695 überspannte sie den Hafen der Ostküsten-Metropole Baltimore.
Nach Angaben des Verkehrsministers von Maryland, Paul Wiedefeld, befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks acht Bauarbeiter auf der Brücke, die dort Schlaglöcher reparierten. Zwei Menschen konnten gerettet werden. Die verbliebenen sechs Personen galten als vermisst. Unter ihnen sind offiziellen Angaben zufolge Menschen lateinamerikanischer Herkunft, unter anderem aus Mexiko und Guatemala.
Gibt es neue Erkenntnisse zur Ursache der Kollision?
Hinweise auf eine vorsätzliche Tat oder gar einen Terroranschlag gibt es Behörden zufolge nicht. US-Präsident Joe Biden sprach von einem „schrecklichen Unfall“. Ersten Erkenntnissen zufolge könnte ein Problem mit der Stromversorgung die Ursache gewesen sein. Nach Angaben aus Singapur kam es wohl zu einem „vorübergehenden Antriebsverlust“, weshalb das Schiff seinen Kurs nicht halten konnte.
Bei Ermittlungen der US-Behörde für Transportsicherheit NTSB auf dem Schiff wurde der sogenannte Schiffsdatenschreiber gesichert, wie die NTSB-Vorsitzende Jennifer Homendy am Mittwoch erklärte. Dieser gilt für die Ursachenforschung als besonders wichtig.
Sind Auswirkungen auf Umwelt und Wirtschaft zu befürchten?
Wie US-Medien unter Berufung auf die Küstenwache berichteten, wurden Vorkehrungen getroffen, um Umweltschäden so gering wie möglich zu halten. Demnach war auf dem Wasser ein Ölschimmer zu sehen. Verkehrsminister Pete Buttigieg teilte zudem mit, man stelle sich auf landesweite Lieferkettenprobleme ein.
Der Schiffsverkehr in den Hafen wurde bis auf Weiteres ausgesetzt und größere Frachter in einen Hafen des benachbarten Bundesstaats Virginia umgeleitet. Laut US-Regierung handelt es sich beim Hafen von Baltimore um eine der wichtigsten maritimen Anlaufstellen der USA – insbesondere für den Import und Export von Autos und Kleinlastern.
Wäre ein Unglück wie in Baltimore auch in Deutschland möglich?
Ausgeschlossen sei so etwas nie, sagen Experten. Doch es gebe Vorkehrungen, die einen solchen Unfall in Deutschland unwahrscheinlich machten. Brückenbau-Experte Josef Hegger vom Lehrstuhl und Institut für Massivbau der RWTH Aachen erklärte, die Bundesanstalt für Wasserbau lege etwa Regeln fest, welcher Anpralllast Pfeiler Stand halten müssen – je nach Schifffahrtsweg und Größe der dort verkehrenden Schiffe. Zusätzlich gebe es auf den Wasserwegen Einrichtungen ähnlich einer Leitplanke, die einen Aufprall verhindern sollen.
Das Wichtigste aber: Meist seien Brücken in Deutschland so konstruiert, dass Schiffe mit den Pfeilern nicht oder nur schwer kollidieren könnten.
Wie viele Schiffskollisionen mit Brücken gab es zuletzt in Deutschland?
Im vergangenen Jahr wurden auf den Bundeswasserstraßen 14 Vorfälle gezählt, in denen Schiffe einen Brückenüberbau berührten, wie die zuständige Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes am Mittwoch auf Anfrage mitteilte.
Im Wesentlichen habe es sich dabei um Bagatellfälle gehandelt, bei denen die Oberkante des Steuerhauses oder Teile der Ladung die Unterseite der Brücke berührten. „Diese Anfahrungen waren für die Statik des Brückenbauwerks unbedeutend“, hieß es weiter. (dpa)
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