UK-Parlament bei Brexit doch mit im Boot

Die britische Regierung darf den Startschuss für die Verhandlungen zum EU-Austritt nicht im Alleingang geben, sondern muss die Zustimmung des Parlaments einholen. Dieses Urteil fällte am Donnerstag der Londoner High Court.
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Premierministerin Theresa May hat die schwere Aufgabe, Großbritannien aus der EU zu führen.Foto: Soeren Stache/dpa
Epoch Times3. November 2016

Rückschlag für die britische  Premierministerin Theresa May: Ihre Regierung darf den Startschuss für die Verhandlungen zum EU-Austritt Großbritanniens nicht im Alleingang geben, sondern muss die Zustimmung des Parlaments einholen. Das entschied der High Court in London am Donnerstag. Der Brexit-Prozess könnte sich nun verzögern, eine Blockade ist aber unwahrscheinlich. Die Regierung  kündigte umgehend an, das Urteil anzufechten.

Die Richter entschieden, dass May nicht befugt sei, ohne Parlamentsvotum den Beginn der Brexit-Verhandlungen zu erklären. Die Regierung zeigte sich „enttäuscht“ und erklärte: „Wir werden Berufung gegen dieses Urteil einlegen.“ Die Briten hätten in ihrem Referendum vom 23. Juni für einen Austritt aus der EU gestimmt, und dies sei vom Parlament anerkannt worden.

May halte an ihrem Zeitplan fest, bekräftigte eine Regierungssprecherin. Die Premierministerin hatte den Beginn des Austrittsverfahrens für Ende März angekündigt. Handelsminister Liam Fox sagte, die Regierung sei „entschlossen, das Ergebnis des Referendums zu respektieren“. Der Oberste Gerichtshof, der Supreme Court, wird sich voraussichtlich Anfang Dezember mit dem Fall befassen.

Klage: Ohne Parlament sei Artikel 50 der EU-Verfassung nicht aktivierbar

Mehrere Briten hatten Klage eingereicht, weil die Regierung ihrer Ansicht nach nicht Artikel 50 der EU-Verfassung aktivieren könne, ohne dass das Parlament in London zuvor darüber debattiert und abgestimmt hat. Die Kläger argumentierten unter anderem, dass das Ergebnis des Referendums über den EU-Austritt rechtlich nicht bindend sei. Daher müsse sich vorher noch das Parlament damit befassen.

Die Briten hatten im Juni mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt. Sobald Artikel 50 aktiviert ist, hat Großbritannien zwei Jahre Zeit, mit der EU die Trennungsmodalitäten auszuhandeln.

Das Urteil sei ein „großer Sieg für das britische Volk“ und die parlamentarische Demokratie, sagte einer der Kläger, Robert Pigney. Die Investmentfondsmanagerin Gina Miller, die die Klage ebenfalls unterstützte, verlangte eine „echte Debatte im Parlament“.

May hatte den Klägern vorgeworfen, den Austrittsprozess verhindern zu wollen. Die meisten Abgeordneten im Londoner Unterhaus hatten sich vor dem Referendum für einen Verbleib in der Europäischen Union ausgesprochen. Sie können nun mehr Informationen über die Verhandlungsstrategie der Regierung und mehr Mitspracherechte einfordern, bevor sie ihre Zustimmung geben.

Vermutet wird, dass sie sich für einen „weichen“ EU-Austritt und somit weiterhin enge Wirtschaftsbeziehungen mit den EU-Partnern einsetzen. Ein „harter“ Brexit würde bedeuten, dass Großbritannien sich vollständig aus dem EU-Binnenmarkt zurückzieht. Eine Blockade des gesamten Austrittsprozesses durch die Parlamentarier, die sich somit über das Referendum hinwegsetzen würden, gilt als höchst unwahrscheinlich.

Der Chef der britischen Notenbank, Mark Carney, bezeichnete die Entscheidung des Londoner Gerichts als „ein Beispiel für die Unsicherheit, die diesen (Brexit-) Prozess kennzeichnen wird“. Der langjährige Chef der europafeindlichen britischen Partei UKIP, Nigel Farage, witterte gar einen „Verrat“ am britischen Volk und warnte vor einem „riesigen öffentlichen Ärger“, falls das Parlament die Aktivierung von Artikel 50 verzögern oder blockieren sollte.

Oppositionsführer Jeremy Corbyn, dessen Labour-Partei gegen den Brexit gekämpft hatte, erklärte, er werde den Wählerwillen respektieren. Das Urteil habe aber verdeutlicht, dass mehr „Transparenz“ nötig sei und dass das Parlament die Bedingungen des EU-Austritts mitbestimmen müsse.

Premierministerin May vereinbarte für Freitag ein Telefonat mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, wie dessen Sprecher mitteilte. Auch beim Antrittsbesuch des britischen Außenministers Boris Johnson am Freitag in Berlin dürfte der Brexit eine zentrale Rolle spielen. (afp)



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