Brisante Nachrichten aus Übersee: Blatter in der Schusslinie

New York/Zürich (dpa) - Korruptionsbeweise aus New York und wirre Warnungen aus der Karibik: Für Joseph Blatter gibt es nach seiner Rücktrittsankündigung einfach keine Atempause. Die Nachrichten aus Übersee über US-Kronzeuge Chuck Blazer und…
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Auch der scheidende Präsident der FIFA, Joseph Blatter, rück ins Visier des FBI.Foto: Steffen Schmidt/dpa
Epoch Times4. Juni 2015
Korruptionsbeweise aus New York und wirre Warnungen aus der Karibik: Für Joseph Blatter gibt es nach seiner Rücktrittsankündigung einfach keine Atempause.

Die Nachrichten aus Übersee über US-Kronzeuge Chuck Blazer und den seit Jahren in Ungnade gefallenen Ex-Blatter-Freund Jack Warner müssen den scheidenden Chef des Fußball-Weltverbandes tief beunruhigen. Da nützen selbst Versuche der FIFA-Administration wenig, ein Bild über den vermeintlich heilen Alltag in der imposanten Zentrale auf dem Zürichberg zu zeichnen.

„Beginnend in und um 2004 und bis 2011, verständigte ich mich mit anderen im FIFA-Exekutivkomitee, Bestechungen in Verbindung mit der Wahl Südafrikas als WM-Gastgeber 2010 zu akzeptieren“, wird Blazer in einem Vernehmungsprotokoll des Bezirksgerichts in Brooklyn zitiert. Schon von 1992 liefen die illegalen Aktivitäten vor der WM-Vergabe 1998.

Die erste Veröffentlichung eines umfassenden Geständnisses eines ehemaligen FIFA-Top-Mannes aus dem Jahr 2013 und die neuesten Enthüllungsdrohungen von dessen offenkundigem Komplizen Jack Warner in Richtung Blatter erschüttern den Weltverband weiter.

Während die Fußball-Welt über den geeigneten Nachfolger des offensichtlich zermürbten Dauer-Regenten Blatter rätselt und Europas Top-Funktionäre in Berlin hinter verschlossenen Türen informelle Gespräche führen, wird zumindest in West-Europa eine neue Ausschreibung der WM-Turniere in Russland 2018 und Katar 2022 immer lauter gefordert. Englands Sportminister John Whittingdal meinte am Donnerstag, das Mutterland des Fußballs ohne jede rechtliche Grundlage als möglichen Ersatzkandidaten für Katar ins Spiel bringen zu müssen.

Blatter ist noch lange nicht aus der Schusslinie. Weiter unbestätigt sind aber Berichte von US-Medien, nach denen das FBI auch gegen den 79-Jährigen ermittelt. Die gute Nachricht aus Sicht des Schweizers: In der 40 Seiten starken Abschrift der Blazer-Vernehmung spielt sein Name keine Rolle.

Die Kernaussagen Blazers sind dennoch brisant, belegen sie doch die lange vermutete Kultur der illegalen Vorteilnahme im FIFA-Führungszirkel. Sowohl beim WM-Vergabeprozess für 1998, als auch für 2010 flossen Millionenzahlungen zunächst wohl aus Marokko, später aus Südafrika auf Konten jenseits des Atlantiks.

Namen nennt Blazer nicht, aber dass FIFA-Vizechef Warner ein Hauptkomplize war, ist offensichtlich. Und auch die Rolle von FIFA-Generalsekretär Jérome Valcke muss eventuell neu bewertet werden.

Eine viel diskutierte Zahlung von zehn Millionen Dollar über ein FIFA-Konto unter angeblich möglicher Mitwisserschaft von Valcke wird in den Unterlagen nicht explizit genannt. Doch die Indizien deuten darauf hin, dass Blazer – von 1997 bis 2013 im FIFA-Exekutivkomitee – auch diesen Deal als Bestechung einstufte.

Valcke sieht dies grundlegend anders. Er bezeichnet den Vorgang als reguläre Zahlung Südafrikas für die Fußball-Entwicklung in Mittelamerika, die zudem vom damaligen, mittlerweile gestorbenen, FIFA-Funktionär Julio Grondona freigegeben worden sei.

Eine Reaktion Valckes auf Blazer-Aussagen stand aus. Zuvor hatte er Verantwortung von sich gewiesen. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen“, sagte er dem Sender France Info. Es gebe keinen Grund, warum er nicht auf dem Posten des Generalsekretärs bleiben sollte. „Ich fühle mich ganz sicher nicht schuldig.“

Die WM-Organisatoren in Südafrika haben Bestechungsvorwürfe zurückgewiesen. Ermittlungen werden am Kap aber geprüft. In Australien laufen nun offizielle Untersuchungen der Justiz zur WM-Bewerbung 2022 – mit Verbindungen zu Warner.

Wer die Nachfolge von Blatter bei einem Sonderkongress vermutlich im Frühjahr 2016 antreten soll, wird heiß diskutiert. Die Liste der Kandidaten reicht von UEFA-Chef Michel Platini, über Prinz Ali bin-al Hussein bis zum größten Strippenzieher der Sportpolitik: Ahmad al Fahad al Sabah, der schon IOC-Chef Thomas Bach ins Amt half.

Während der schwer kranke Blazer geständig ist, um seine durch die US-Justiz drohende hohe Gefängnisstrafe zu reduzieren, leugnet Warner noch jedes Vergehen und schießt massiv gegen Blatter und die FIFA, die er 2011 unter dem Druck der Korruptionsvorwürfe mehr oder weniger freiwillig gegen Ausstellung eines FIFA-Persilscheins verließ.

Nun behauptet er: Der Weltverband habe seine Independent Liberal Party auf Trinidad und Tobago im Wahlkampf vor fünf Jahren finanziell unterstützt. Und: FIFA-Funktionäre hätten davon gewusst, darunter auch Blatter, behauptete Warner in einer achtminütigen TV-Ansprache. „Nicht mal der Tod wird die Lawine stoppen, die kommt“, prophezeite der 72-Jährige vor Anhängern auf Trinidad. Die entsprechenden Schecks und anderes Beweismaterial habe Warner an seine Anwälte übergeben, schrieb die Zeitung „Trinidad and Tobago Guardian“.

Warner entschuldigte sich, sein Wissen um seine Partei nicht schon öffentlich gemacht zu haben. 2011 hatte er bereits einen „Tsunami“ an brisanten Informationen angekündigt – ohne Taten folgen zu lassen. Die USA fordern die Auslieferung Warners. Derzeit ist er in seiner Heimat nur auf Kaution in Höhe von 2,5 Millionen Dollar frei.

Blatter habe er in einem Brief den sofortigen Rücktritt nahegelegt, berichtete Warner und fabulierte etwas nebulös: „Blatter weiß, warum er gefallen ist. Und wenn es jemand anderes weiß, bin ich es.“ Reaktionen der FIFA, sowohl zum Blazer-Protokoll als auch zu den Warner-Aussagen standen noch aus.

Mit den Turnieren 1998 und 2010 sowie der ebenfalls in weiteren Verfahren untersuchten Vergabe der WM 2018 an Russland und der WM 2022 in Katar stehen insgesamt vier Endrundenturniere unter Korruptionsverdacht. Keine Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten förderte die Blazer-Befragung für die WM 2006 in Deutschland zutage. Damals war Südafrika knapp an der DFB-Bewerbung gescheitert.

(dpa)

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