„Bring back the cancelled nation“ – Hoffnungen nach Elon Musks Twitter-Deal
Die Übernahme von Twitter durch den US-Milliardär Elon Musk sorgt weiterhin für Furore. Der E-Auto-Pionier hatte kürzlich die 229 Millionen User starke Social-Media-Plattform für rund 44 Milliarden US-Dollar aufgekauft. Zuvor war Twitter mehr und mehr wegen Meinungszensur in Kritik geraten. Nun soll sich alles ändern. Musk versprach, er wolle Twitter „besser machen als jemals zuvor“ und kündigte an, die Twitter-Algoirthmen öffentlich zu machen, unter anderem, um das „Vertrauen zu vergrößern“.
Außerdem wolle er die sogenannten Spam-Bots „besiegen“ und auf Twitter „alle Menschen authentifizieren“. Diesbezüglich schrieb „Bloomberg“, dass dadurch auch ein Schlaglicht auf das Versagen des Unternehmens geworfen worden sei, nämlich „sicherzustellen, dass seine Nutzer immer die sind, für die sie sich ausgeben“.
Das schafft er nicht – oder doch?
Ob der Tesla-Chef Twitter wirklich verändern kann, da gibt es durchaus Zweifel in der Branche. Gettr-Chef und Ex-Trump-Berater Jason Miller traut Elon Musk viel zu. Er nennt ihn den „größten Unternehmergeist unserer Zeit“ und ein „Ausnahmetalent“, das scheinbar keine Grenzen in seinen Visionen kenne. Doch die Reaktionen der vergangenen Wochen hätten gezeigt, dass Twitter „eine ideologie-verseuchte Kloake von Hass und Hetze“ geworden sei. Twitters Firmenkultur sei mittlerweile „so eng verwoben mit linksgrüner Politik, mit Gender-, Klima- und Coronahysterie“, dass die Vorstellung, kritische konservative Meinungen wieder zuzulassen, „für die linke Blase zum Albtraumszenario geworden ist“.
Musks Vision für Twitter sei es, so Miller, „daraus wieder eine Plattform für Meinungsfreiheit und offenen Austausch zu machen“ und jeder, dem die Meinungsfreiheit am Herzen liege, sollte Elon Musk dafür applaudieren. Musk habe kürzlich gesagt, dass man „zurückhaltend beim Löschen (…) und bei permanenten Sperren“ sein sollte. Das sei laut Miller für „Normalbürger“ einleuchtend. Die „woke Elite“ jedoch habe sich daran gewöhnt, dass „konträre konservative Meinungen“ routinemäßig als angebliche „Falschinformation“ gelöscht würden. Nun drohe deren Welt aus den Fugen zu geraten.
In einem Gastkommentar in der „Jungen Freiheit“ beklagte Miller, dass Twitter seine Marktmacht zur Diskriminierung missbraucht habe. Solle Twitter jemals wieder zu einem Ort der Meinungsfreiheit werden, müsse es von Grund auf erneuert werden, ein „nahezu unmögliches Unterfangen“. Man müsste fast die gesamte Belegschaft auswechseln, vom Top-Management bis hin zu Programmierern, KI-Designern und den Algorithmenbauern.
Meinungsfreiheit gegen Hass
Wie heiß diskutiert die Entwicklung bei Twitter ist, zeigt unter anderem ein Kommentar der Wirtschaftsredakteurin Hannah Schwär in der Gruner + Jahr-Wirtschaftszeitschrift „Capital“. Dort heißt es: „Der reichste Mann der Welt wird damit künftig einen der einflussreichsten Diskursräume der Welt kontrollieren.“ Das sei keine gute Nachricht. Eine solche Machtkonzentration sei für die Demokratie brandgefährlich, meinte Schwär.
Elon Musk scheint da gelassener und erklärte, dass er hoffe, „dass selbst meine schlimmsten Kritiker auf Twitter bleiben, denn das bedeutet Meinungsfreiheit“. Gegenüber der teils heftigen Kritik an der Übernahme sagte der Tesla-Gründer: „Die extreme Antikörperreaktion derjenigen, die die Meinungsfreiheit fürchten, sagt alles“, so Musk. Möglicherweise meinte Musk damit die politische Vereinnahmung des Mikrobloggingdienstes. Er meinte: „Die extreme Linke hasst alle, sich selbst eingeschlossen!“, machte aber auch deutlich, dass er „kein Fan von Rechtsextremen“ sei. Stattdessen votete er für „weniger Hass und mehr Liebe“.
I hope that even my worst critics remain on Twitter, because that is what free speech means
— Elon Musk (@elonmusk) April 25, 2022
Wie wichtig Musk Meinungsfreiheit ist – und zwar nicht nur für einen Teil des gesellschaftlichen Meinungsbildes, legte der Tesla-Gründer in seinen jüngsten Tweets dar: „Die freie Meinungsäußerung ist das Fundament einer funktionierenden Demokratie“, erklärte er. „Und Twitter ist der digitale Ort, an dem Themen debattiert werden, die von grundlegender Bedeutung für die Zukunft der Menschheit sind.“ Dabei machte Musk – auf Twitter – deutlich, dass auch die Meinungsfreiheit ihre Grenzen hat: „Mit ‚Meinungsfreiheit‘ meine ich einfach das, was dem Gesetz entspricht. Ich bin gegen Zensur, die weit über das Gesetz hinausgeht.“
Wenig Verständnis für Musks Twitter-Übernahme zeigte auch ein bekannter Player der Öffentlich-Rechtlichen. „Hä? Wieso gehört am Ende alles immer reichen Wichsern, die machen können, was sie wollen?“, twitterte etwa der fünffache Millionär und ZDF-Moderator Jan Böhmermann. Eine User-Reaktion darauf: „Elon Musk, kaufen Sie bitte auch das ZDF“, dann müsse man „solche Typen“ wie Jan Böhmermann nicht mehr finanzieren. Für Böhmermann war das aber nicht der einzige Tweet zum Thema. Der ZDF-Mann ging sogar noch einen Schritt weiter und äußerte sozialistisch anmutende Revolutionsforderungen: „Twitter vergemeinschaften! Meta zerschlagen! Google unter öffentliche Kontrolle bringen!“
— Elon Musk (@elonmusk) April 28, 2022
Auf und Ab der Follower
Das altehrwürdige US-Wirtschaftsmagazin „Fortune“ berichtet, dass kurz nach Bekanntwerden der Twitter-Übernahme Nutzer wie Michelle Obama oder Politiker wie Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez, die sich selbst als demokratische Sozialisten bezeichnen, alle vom 25. auf den 26. April „mehr als 10.000 Follower verloren“ hätten.
Große Verluste verzeichnete auch der ehemalige US-Präsident Barack Obama (Demokraten), der nach der Ankündigung der Übernahme mehr als 300.000 Follower verlor, wie „NBC News“ berichtet. Laut „NBC News“ habe ein Twitter-Sprecher unter Bedingung der Anonymität gesagt, dass die Konten mit den stärksten Rückgängen „hochkarätige Konten“ seien.
Hingegen hätten „Konservative wie Ted Cruz, Newt Gingrich und Laura Ingraham laut Daten des Social-Media-Analyse-Trackers SocialBlade“ zugelegt.
„Andere große Schwankungen sind jedoch schwieriger über eine einfache Links/Rechts-Achse zu erklären“, so „Fortune“. Der sozialdemokratische US-Präsident Joe Biden habe einen Anstieg der Anhänger um 26.000 verzeichnet, „während die Gedenkstätte Auschwitz einen Verlust von etwa 35.000 Anhängern verzeichnet“ habe.
„Bring back the cancelled nation“
Große Zuwächse erreichte auch die republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene. Vor dem Tag der Übernahme-Nachricht hatte die Abgeordnete aus Georgia noch 539.000 Follower, am nächsten Abend schon 632.000 und bis zum 3. Mai setzte sich dieser Trend bis auf 776.024 Follower fort. Taylor Greene forderte am 25. April auf Twitter unter anderem: „Bring back the cancelled nation. Bring back freedom of speech. Bring back America!“
Bring back President Trump.
Bring back my personal account.
Bring back Dr. Robert Malone.
Bring back Alex Jones.
Bring back Milo Yiannopoulos.
Bring back the cancelled nation.
Bring back freedom of speech.
Bring back America! 🇺🇸
— Rep. Marjorie Taylor Greene (@RepMTG) April 25, 2022
Jack Dorsay: „Elon ist die einzige Lösung“
Doch was sagte eigentlich jemand dazu, der mit der Materie engstens vertraut ist? Jack Dorsay, Twitter-Erfinder und Mitbegründer der Social-Media-Plattform, erklärte kürzlich: „Twitter als Unternehmen war schon immer mein einziges Problem und mein größtes Bedauern. Es war im Besitz der Wall Street und des Anzeigenmodells. Es von der Wall Street zurückzunehmen, ist der richtige erste Schritt.“ Dass dies durch Elon Musk geschah, sieht Dorsay jedoch eher als Glücksfall.
Grundsätzlich glaube er nicht, dass jemand Twitter besitzen oder leiten sollte, so der Software-Unternehmer. Laut Dorsays Vorstellungen solle es ein öffentliches Gut auf Protokollebene sein, kein Unternehmen.
Jedoch: „Wenn es darum geht, das Problem zu lösen, dass es ein Unternehmen ist, ist Elon die einzige Lösung, der ich vertraue. Ich vertraue auf seine Mission, das Licht des Bewusstseins zu erweitern.“ Elon Musks Ziel, eine Plattform zu schaffen, die „maximal vertrauenswürdig und breit gefächert“ sei, sei richtig, so der Twitter-Mitbegründer. Das sei es auch, warum er ihn gewählt habe, so Dorsay. „Das ist der richtige Weg … Ich glaube von ganzem Herzen daran.“
The idea and service is all that matters to me, and I will do whatever it takes to protect both. Twitter as a company has always been my sole issue and my biggest regret. It has been owned by Wall Street and the ad model. Taking it back from Wall Street is the correct first step.
— jack⚡️ (@jack) April 26, 2022
Woher kommt das Geld?
Wie „Reuters“ berichtet, habe Musk gegenüber den Deal mitfinanzierenden Banken erklärt, dass er bei Twitter hart gegen die Gehälter von Führungskräften und Vorstandsmitgliedern vorgehen könnte, um die Kosten zu senken. Auch würde er neue Wege entwickeln, um Tweets zu monetarisieren. Dies hätten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen gesagt. Für die Finanzierung des Deals wurden demnach durch Twitter abgesicherte Kredite in Höhe von 13 Milliarden US-Dollar und durch Tesla-Aktien abgesicherte Margin-Kredite in Höhe von 12,5 Milliarden realisiert. Den Rest begleiche Elon Musk mit seinem eigenen Bargeld. Twitter zufolge soll die Übernahme im Laufe des Jahres abgeschlossen werden, wofür noch die Aktionäre ihre Anteile überschreiben und die Aufsichtsbehörden zustimmen müssen.
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