BRICS-SCO-Gipfel: Entsteht in Ufa eine neue anti-westliche Allianz unter chinesischer und russischer Führung?

Moritz Rudolf, wissenschaftlichen Mitarbeiter von MERICS (Mercator Institute for China Studies in Berlin) beantwortet einige Fragen zum BRICS-SCO-Gipfel und seiner geopolitischen Bedeutung
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So wurde von Freiwilligen schon am Montag für einen begeisterten Empfang der Kongressteilnehmer von BRICS und SCO in Ufa geprobt.Foto: Host Photo Agency/Ria Novosti via Getty Images)
Epoch Times8. Juli 2015

Zwischen dem 8. und 10. Juli finden im russischen Ufa die jährlichen Gipfeltreffen der BRICS-Staaten sowie der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (Shanghai Cooperation Organisation, SCO) statt. Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit ist eine Internationale Organisation mit Sitz in Beijing. Sie wurde 2001 gegründet und ging aus der 1996 gegründeten Shanghai Five hervor. Ihr gehören neben China, Russland, Usbekistan, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan an. Die SCO vertritt rund ein Viertel der Weltbevölkerung und stellt damit die weltweit größte Regionalorganisation dar.

Moritz Rudolf, wissenschaftlichen Mitarbeiter von MERICS (Mercator Institute for China Studies in Berlin) beantwortet einige Fragen zu dem aktuellen Thema BRICS-SCO-Gipfel und seine geopolitische Bedeutung:

Welche Bedeutung haben der BRICS- und der SCO-Gipfel für die chinesische Führung?

BRICS und SCO sind für die chinesische Führung zwei Alternativen zu bestehenden US-dominierten internationalen Institutionen. China strebt den Aufbau einer multipolaren Weltordnung an. Hierfür schafft und fördert Beijing systematisch politische Parallelstrukturen und treibt die eigenen Interessen voran.

Die SCO ist für China von steigender Bedeutung, da sich Chinas Sicherheitsinteressen in Eurasien stark ausgeweitet haben. Zudem bilden die Staaten der SCO den geographischen Schwerpunkt des Seidenstraßenwirtschaftsgürtels, das zentrale außenpolitische Projekt von Partei- und Staatschef Xi Jinping.

Welche Ziele verfolgt Beijing auf den Gipfeln in Ufa?

Die BRICS- und SCO-Gipfel sind für Beijing der ideale Rahmen, um für die „One Belt, One Road“ Seidenstraßeninitiative (OBOR) zu werben und die Institutionalisierung des Projekts weiter voranzutreiben. Die formelle Verknüpfung des chinesischen Seidenstraßenwirtschaftsgürtels mit der russisch-initiierten Eurasischen Wirtschaftsunion, im Rahmen der SCO, steht ganz oben auf der Agenda von Partei- und Staatschef Xi Jinping. Ein konkreter Schritt könnte der Abbau von Handelshemmnissen innerhalb der SCO sein.

Beijing strebt eine Aufwertung der SCO an. Die chinesische Führung hat bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass asiatische Staaten die asiatischen Sicherheitsherausforderungen selbstständig lösen sollen. Die Stärkung der SCO richtet sich konkret gegen den US-amerikanischen Einfluss in Eurasien, insbesondere in Afghanistan.

Auf dem BRICS-Gipfel wird Beijing ebenfalls um Unterstützung für die OBOR-Initiative werben. Im Gegenzug können diese mit umfassenden Infrastrukturinvestitionen rechnen. Im Rahmen der BRICS möchte Beijing eine Führungsrolle bei der Entwicklung gemeinsamer Ziele und Visionen der heterogenen Staatengruppe einnehmen.

Die chinesische Führung strebt darüber hinaus die zunehmende Abwicklung des Handels innerhalb der BRICS-Staaten unter Verwendung der jeweiligen Landeswährung an. Das hilft China bei der Internationalisierung des RMB.

Was für konkrete Ergebnisse erwarten Sie?

Die Aufwertung der SCO: Ich rechne mit einer Ausweitung der Aufgabengebiete der SCO von der alleinigen sicherheitspolitischen Zusammenarbeit hin zur verstärkten Wirtschaftskooperation. Darüber hinaus rechne ich mit der Aufnahme von Indien und Pakistan als Vollmitglieder der SCO.

Zudem ist eine formelle Verknüpfung des Seidenstraßenwirtschaftsgürtels mit der Eurasischen Wirtschaftsunion im Rahmen der SCO wahrscheinlich. Ich gehe davon aus, dass die OBOR-Initiative eine zentrale Rolle auf dem Gipfel einnehmen wird.

Ebenso sind Fortschritte beim Aufbau einer SCO-Entwicklungsbank zu erwarten. Der russische Wiederstand gegen eine solche Bank scheint gebrochen. Wegen der Sanktionspolitik des Westens und Finanzierungsengpässen wäre eine SCO-Bank nunmehr auch im russischen Interesse.

Ferner ist mit dem Abschluss der „2016-2018-Kooperationsstrategie bei der Bekämpfung von Terrorismus, Extremismus und Separatismus“ zu rechnen. Der Schwerpunkt wird hier auf der verstärkten Kooperation zur Stabilisierung von Afghanistan und der Ausweitung der Zusammenarbeit im Kampf gegen islamistischen Terrorismus liegen.

Kurz vor dem BRICS-Gipfel findet die konstituierende Sitzung der BRICS-Bank statt. Mögliche Investitionsprojekte dieser Bank und der Asiatischen Infrastrukturinvestment Bank (AIIB) könnten in Ufa Diskussionsthema sein. Eine Ausweitung der Finanzkooperation und weitere Schritte für den Abbau von Handelshemmnissen sind ebenso zu erwarten.

Möglich sind auch weitere Schritte beim Aufbau einer Alternative zur Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT). Insbesondere Russland und Indien haben ein Interesse am Aufbau einer Parallel-Institution, um westliche Finanzsanktionen umgehen zu können. Russland ist gegenwärtig unmittelbar, Indien als zweitgrößter Importeur von iranischem Erdöl mittelbar von UN-Finanzsanktionen betroffen.

Sind die Gipfel ein Signal für eine neue Blockbildung?

Diplomatisch nutzt die russische Führung die beiden Gipfeltreffen als Fingerzeig in Richtung Westen. Sie möchte demonstrieren, dass Moskau trotz der Sanktionspolitik nicht politisch isoliert ist.

Man sollte die Gipfel aber nicht als ein Signal für eine neue Blockbildung verstehen. Vielmehr stehen die Gipfel sinnbildlich für eine zunehmend multipolare Weltordnung.

Viel zu heterogen ist die Gruppe der BRICS, um einen Block bilden zu können. Dazu fehlt es an einer ideologischen Verknüpfung. Bis auf Russland streben alle BRICS-Staaten den Kooperationsausbau mit dem Westen an.

Ob die SCO durch die Aufnahme Pakistans und Indiens (und in Zukunft auch des Irans) an Bedeutung gewinnen wird, ist noch nicht abzusehen. Denn teils sehen sich die Staaten als Konkurrenten und sicherheitspolitische Herausforderer (vgl. Indien-Pakistan bzw. China-Indien). Ich sehe auch in der Aufwertung und Erweiterung der SCO keine Anzeichen für einen neuen anti-westlichen Block. Vielmehr handelt es sich um eine positive Entwicklung: Die Staaten der SCO übernehmen mehr Verantwortung bei der Konfliktprävention in Zentralasien und der Stabilisierung Afghanistans.

Besteht die Möglichkeit einer russisch-chinesischen Allianz?

Russland und China haben sich seit der Ukraine-Krise politisch, ökonomisch und militärisch stark angenähert und ihre Kooperationsbereiche massiv ausgeweitet. Trotzdem bleiben sie geopolitische Konkurrenten. Weder Russland noch China streben eine Allianz an. Darüber hinaus ist Russland zunehmend von China abhängig und hat sich zu einem Juniorpartner der Volksrepublik entwickelt.

Fraglich ist, wie lange Russland und China im Rahmen der BRICS und der SCO erfolgreich miteinander kooperieren können, denn in beiden Organisationen nimmt Beijing zunehmend eine dominante Rolle ein.

www.merics.org



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