Brexit-Vertrag: Von Visa-Freiheit beim Besuch in London, Atommüll und dem bayerischen Bier

Was steht im Vertrag zum EU-Austritt Großbritanniens? Ein kleiner Einblick in einige Details. Mit dem Brexit tritt Großbritannien auch aus der Europäischen Atomgemeinschaft aus. Dabei geht es neben der Versorgung von Kraftwerken und medizinischen Einrichtungen mit spaltbarem Material auch um die Zuständigkeit für Atommüll.
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Der Vertrag zum Brexit.Foto: iStock
Epoch Times25. November 2018

Der Vertrag zum EU-Austritt Großbritanniens umfasst 585 Seiten. Er wurde am Sonntag beim Brexit-Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs verabschiedet.

Hier der Link zum originalen Text: Entwurf des Austrittsvertrages. (Stand 14. November 2018, Dokument TF50 (2018) 55). Der Text legt eine Übergangsphase fest, klärt die künftigen Rechte der Bürger sowie die Finanzverpflichtungen Londons und soll eine wasserdichte Lösung zur Nordirland-Frage liefern.

Der Anfang lautet:

THE EUROPEAN UNION AND THE EUROPEAN ATOMIC ENERGY COMMUNITY AND THE UNITED KINGDOM OF GREAT BRITAIN AND ORTHERN IRELAND, CONSIDERING that on 29 March 2017 the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland („United Kingdom“), following the outcome of a referendum held in the United Kingdom and its sovereign decision to leave the European Union, notified its intention to withdraw from the European Union („Union“) and the European Atomic Energy Community („Euratom“) in accordance with Article 50 of the Treaty on European Union („TEU“), which applies to Euratom by virtue of Article 106a of the Treaty establishing the European Atomic Energy Community („Euratom Treaty“) …

Einige Inhalte

Handelsbeziehungen:

Angestrebt wird die „Schaffung eines Freihandelsgebiets“ für Waren ohne Zölle, Abgaben oder mengenmäßige Beschränkungen. „So eng wie möglich“ sollen die Handelsbeziehungen werden, heißt es.

Sichergestellt werden soll aber auch, dass durch künftige Vereinbarungen Unternehmen auf keiner Seite Wettbewerbsvorteile zu Lasten der Firmen auf der anderen Seite entsteht.

Ausdrücklich wird festgehalten, dass das Ergebnis des Brexit-Referendums von 2016 mit Blick auf die Entwicklung einer „unabhängigen Handelspolitik“ Großbritanniens respektiert wird. Denn die Freiheit, eigene Handelsabkommen abzuschließen, ist eine zentrale Forderung der britischen Brexit-Hardliner, die May das Leben schwer machen.

Zollkontrollen:

Das Ausmaß der Zollkontrollen an den Grenzen hängt laut Erklärung von durch London eingegangenen Verpflichtungen gegenüber der EU ab. Beide Seiten wollen aber „so ehrgeizig wie möglich“ dabei sein, sie möglichst gering zu halten, und wollen dazu auch den Einsatz verfügbarer Technologie nutzen.

Den im Sommer von Premierministerin May in ihrem „Chequers“-Plan geforderten „reibungslosen Handel“ ohne Kontrollen könne es aber nicht geben, sagt ein EU-Diplomat. Denn auch in einer Freihandelszone müsse an den Grenzen kontrolliert werden, ob gelieferte Waren EU-Standards entsprächen oder es Schmuggel gebe.

Finanzdienstleistungen:

Die Finanzbranche ist für Großbritannien ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Bei den Finanzdienstleistungen entfällt für britische Institute mit dem Brexit jedoch der sogenannte EU-Pass, der freien Zugang zum Rest Europas gewährt.

Diesen wollen beide Seiten künftig durch Gleichwertigkeitsvereinbarungen sicherstellen (Äquivalenzvereinbarungen). Dabei würde anerkannt, dass auf den jeweils anderen Märkten das gleiche Maß an Standards und Überwachung gegeben ist.

Reisen: Ziel ist „Visa-freies Reisen für Kurzzeitbesuche“ bis zu 90 Tagen

Die Erklärung hält fest, dass die EU den britischen Wunsch nach einem Ende der Reise- und Niederlassungsfreiheit für ihre Bürger respektiert – auch dies ein wichtiger Punkt für die Brexit-Befürworter. Statt dessen soll es „Mobilitätsvereinbarungen“ geben.

Ziel ist „Visa-freies Reisen für Kurzzeitbesuche“ bis zu 90 Tagen. Dabei soll es möglichst Erleichterungen bei Personenkontrollen an den Grenzen geben.

Außenpolitik und Verteidigung:

Im Bereich der Außenpolitik ist eine enge Zusammenarbeit vorgesehen, auch im Rahmen internationaler Organisationen wie der UNO und bei der Verhängung von Sanktionen. Großbritannien wird in Aussicht gestellt, sich weiter „soweit möglich“ an EU-Verteidigungs- und Rüstungsprojekten zu beteiligen, einschließlich derer, die auch durch den neuen, milliardenschweren EU-Verteidigungsfonds finanziert werden

Fischerei: Bisher keine Zusage

In der Erklärung hat die EU noch keine Zusage erreicht, dass ihre Fischer auch künftig in britischen Gewässern fischen dürfen. Hierauf pochen insbesondere Länder wie Frankreich, Belgien, die Niederlande, Spanien und Portugal.

Sie gaben sich nun aber mit der Zusicherung in einer Zusatzvereinbarung des Gipfels zufrieden, dass die Fischereifrage samt Vereinbarungen über Fangquoten „Priorität“ in den Verhandlungen über die künftigen Beziehungen haben soll.

Weitere Abkommen geplant:

Großbritannien und die EU wollen weitere Abkommen zu Strafverfolgung und Justiz sowie zum Luft-, Straßen-, Schienen- und Schiffsverkehr schließen. Auch bei der Versorgung mit Strom und Gas sowie im Bereich der Atomkraft soll es Vereinbarungen geben.

Beim Kampf gegen Klimaveränderungen wird überlegt, ob Handelssysteme für Zertifikate zum CO2-Ausstoß verbunden werden.

Übergangsphase:

In der Übergangsphase nach dem Brexit Ende März 2019 bleibt Großbritannien noch im EU-Binnenmarkt und der Zollunion, um einen harten Schnitt für die Wirtschaft zu verhindern. Sie läuft bis zum 31. Dezember 2020 – kann aber notfalls einmal um bis zu zwei Jahre bis Ende 2022 verlängert werden.

London muss solange weiter das EU-Regelwerk anerkennen und Mitgliedsbeiträge zahlen, ohne selbst noch ein Stimmrecht in der EU zu haben. Die britische Regierung darf ihrerseits bereits „internationale Abkommen“ etwa im Handelsbereich schließen, sofern diese erst nach der Übergangsphase in Kraft treten.

Rechte der Bürger:

In Großbritannien leben gut drei Millionen Menschen aus anderen EU-Staaten, in der EU mehr als eine Million Briten. Sie haben das Recht zu bleiben, zu arbeiten oder zu studieren.

Auch Ansprüche bei Krankenversicherung, Renten und sonstigen Sozialleistungen werden garantiert – selbst wenn die Bürger in ein anderes Land umziehen. Dasselbe gilt für Bürger, die erst während der Übergangsphase ankommen. Alle dürfen Familienmitglieder wie Ehe- oder Lebenspartner, Kinder oder Eltern nachholen.

Finanzielle Verpflichtungen:

Großbritannien soll alle Finanzverpflichtungen erfüllen, die es während seiner Mitgliedschaft eingegangen ist – auch wenn diese über das Austrittsdatum und die Übergangsphase hinausreichen.

Eine genaue Summe ist noch nicht festgelegt, sondern nur eine Berechnungsmethode. Die britische Regierung schätzt die daraus resultierenden Verpflichtungen auf 35 bis 39 Milliarden Pfund (40,2 bis 44,8 Milliarden Euro).

Nordirland:

Eine „harte Grenze“ mit wiedereingeführten Kontrollen zwischen der britischen Provinz Nordirland und Irland soll verhindert werden.

Dazu wird bis zum Juli 2020 über drei Optionen entschieden: Entweder wird die Frage über die Vereinbarung zu den künftigen Beziehungen gelöst; reicht die Zeit dazu nicht, kann die Übergangsphase verlängert werden; ansonsten greift eine Auffanglösung, in der das Vereinigte Königreich bis auf weiteres in einer Zollunion mit der EU bleibt.

Für Nordirland würden zudem Bestimmungen des EU-Binnenmarktes weiter gelten.

Gibraltar:

Auf das britische Gebiet im Süden der iberischen Halbinsel erhebt auch Spanien Anspruch. In einem Protokoll des Austrittsvertrags wird geregelt, dass tausende Pendler aus Spanien weiter problemlos in Gibraltar arbeiten können, und wie mit Steuerfragen oder Fischereirechten umgegangen wird.

Madrid hatte aber bis Samstag gedroht, den Gipfel wegen Gibraltar zu blockieren. London und Brüssel sicherten dann zu, vor Vereinbarungen zu den künftigen Beziehungen, die das Gebiet betreffen, die Zustimmung Spaniens einzuholen.

Atomarer Müll:

Mit dem Brexit tritt Großbritannien auch aus der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) aus. Dabei geht es neben der Versorgung von Kraftwerken und medizinischen Einrichtungen mit spaltbarem Material auch um die Zuständigkeit für Atommüll. Für ihn ist nun das Land zuständig, in dem das Material erzeugt wurde.

Bayerisches Bier und andere Spezialitäten:

Die mehr als 3000 geografischen Herkunftsbezeichnungen der EU wie Parma-Schinken, Feta-Käse oder bayerisches Bier bleiben in Großbritannien weiter geschützt. Zur Anerkennung neu hinzukommender Bezeichnungen ist London aber nicht verpflichtet.

Streitschlichtung:

Kommt es zu Streitfällen über den Geltungsbereich der Austrittsvereinbarung, entscheidet ein Schiedsgremium, dessen Entscheidungen bindend sind.

Es kann dabei den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anrufen und bei Verstößen Geldbußen verhängen. Hält sich eine Seite nicht an den Schiedsspruch, kann die andere entsprechend des Verstoßes Teile des Austrittsabkommens aussetzen.

(afp)



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