Chinas Hinterzimmerpolitik im Nahen Osten

Viele Interessen vermengen sich im Nahen Osten zu einem Knäuel. Ein Einblick in die Hintergründe, Ansichten der Hamas, Russlands Kriegskontakte und die „umfassende strategische Partnerschaft“ Chinas mit Palästina.
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Chinas Außenminister Wang Yi (r.) besuchte auch Saudi-Arabiens Außenminister Prinz Faisal bin Farhan Al-Saud. Dieses Treffen von Außenministern arabischer und muslimischer Mehrheitsstaaten fand im Diaoyutai State Guest House in Peking am 20. November 2023 statt.Foto: Pedro Pardo/AFP über Getty Images
Von 14. April 2024

6.400 Kilometer liegen zwischen Peking und dem Gazastreifen. In Staaten gesprochen sind das im wesentlichen Pakistan, Iran, Irak, der Nahe Osten wie Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien, der Libanon und die Türkei. Fast alle arabischen Staaten beteiligen sich an dem chinesischen Projekt „Neuen Seidenstraße“; mit fast allen hat Peking diverse Abkommen geschlossen.

Peking plante ursprünglich, im Krieg zu vermitteln, zwischen der radikal islamistischen Hamas, unterstützt vom Iran und verwandten Gruppen wie den Huthi und der Hisbollah, einerseits und Israel, unterstützt von den USA und dem Westen andererseits.

Doch Peking ist in diesem Konflikt kein neutraler Vermittler. Pekings Ziel ist, die USA aus der Region zu vertreiben und möglichst viel Einfluss auf die Öl- und Energiewirtschaft zu gewinnen. Eine Militärbasis am Roten Meer hat die Kommunistische Partei Chinas (KPC) bereits im ostafrikanischen Dschibuti.

Auffällig ist: Verhandelt wird unter anderem in Kairo. Die Beziehungen der kommunistischen Führung Pekings zu Ägypten sind eng. Unter al-Sissi Amtszeit haben sich die bilateralen Beziehungen zwischen Ägypten und China intensiviert, wobei China beträchtliche Investitionen in Ägypten getätigt hat.

Al-Sissi hat China seit 2014 sechsmal besucht und mindestens 25 bilaterale Abkommen unterzeichnet. China hat Ägypten finanzielle Unterstützung gewährt – und es wird berichtet, dass die chinesischen Zuwendungen das Abstimmungsverhalten der Empfängerländer in den Vereinten Nationen beeinflussen. Möglicherweise auch das von Ägypten. Ägypten ist für China bei Abstimmungen der UN eines der Zünglein an der Waage.

„Alle Feinde Amerikas beraten sich“

„China und Russland haben sich mit den Führern der Hamas getroffen. Eine Hamas-Delegation reiste nach Moskau, und bald wird eine Hamas-Delegation nach Peking reisen“, sagte der hochrangige Hamas-Beamte Ali Baraka in einem Interview mit dem Sender „Spot Shot“ (Libanon).

Am 8. Oktober 2023, einen Tag nach dem Angriff der Terrorgruppe, erklärte er: „Alle Feinde Amerikas in der Region beraten sich und kommen näher, und der Tag kann kommen, an dem sie sich zusammenschließen und Amerika in eine Sache der Vergangenheit verwandeln.“

Baraka ist in diplomatische Aktivitäten der Hamas involviert und für außenpolitische Dinge zuständig. Er spielt eine große Rolle in den Beziehungen zwischen Hamas, dem Libanon, Iran und anderen Ländern. Im Dezember 2023 wurde er von den Vereinigten Staaten mit Sanktionen belegt. Laut seinen Worten stehe Russland täglich mit der Hamas in Kontakt.

Er äußerte auch: „Russland ist froh, dass Amerika in Palästina verwickelt wird. Es lindert den Druck auf die Russen in der Ukraine. Ein Krieg lindert den Druck in einem anderen Krieg. Wir sind also nicht allein auf dem Schlachtfeld.“

Wer ist noch beteiligt?

In erster Linie sei es derzeit der Iran, welcher der Hamas Geld und Waffen gebe. Ali Baraka erklärte im Interview: „Wir haben Fabriken für Mörser und deren Granaten … Wir haben Fabriken für die Herstellung von Kalaschnikow-Gewehren und deren Kugeln. Wir haben eine russische Lizenz für die Produktion von Kalaschnikow-Geschossen in Gaza.“

Seither haben vom Iran unterstützte Huthi im Jemen in den Krieg eingegriffen. Vom Norden erfolgen aus dem Libanon Raketenangriffe der Hisbollah, ebenfalls unterstützt vom Iran. In der arabischen Welt wird aufgerufen, die Hamas zu unterstützen – auch finanziell.

Es ist nicht auszuschließen, dass afghanische Milizen sich auf den Weg nach Gaza machen, um die Hamas zu unterstützen. Ins Spiel brachte das der iranische Botschafter in Afghanistan, Hassan Kazemi Qomi.

Er sagte in einer Sendung vom 6. Februar 2024 im iranischen „Ofogh TV“: „Afghanistan ist ziemlich weit weg von Gaza. Aber was uns heute klar ist, ist, dass Afghanistan Teil der Achse des Widerstands ist. Wenn es eine Gelegenheit und einen Bedarf gibt, kann mehr als eine militärische Abteilung von Märtyrern aus Afghanistan aufbrechen, um im Gaza zu unterstützen.“

„China hat hier ein Modell gesehen“ – für einen Angriff auf Taiwan

Ein paar Wochen nach dem Interview mit Ali Baraka äußerte sich der Hamas-Führer Khaled Mash’al im Interview mit dem ägyptischen Fernsehsender „Sada al-Balad“ am 26. Oktober 2023 ähnlich. Er brachte ebenfalls China ins Spiel und bestätigte Baraka:

„Russland hat von dem, was wir [am 7. Oktober] getan haben, profitiert, weil es die Amerikaner vom Krieg in der Ukraine abgelenkt hat.“ Mash’al sagte, dass sich die Hamas mit Mächten wie China und Russland abstimmen wolle.

„Die Russen haben uns gesagt, dass das, was am 7. Oktober passiert ist, in den Militärakademien gelehrt werden wird“, und fügte hinzu: „China hat hier ein Modell [für einen Angriff] gesehen. Die Chinesen denken darüber nach, in Bezug auf Taiwan einen Plan auszuführen, der sich an dem orientiert, was die Az ad-Din al-Qassam-Brigaden [1] getan haben.“

Zudem hofft Mash’al, dass sich die Hisbollah vollständig dem Krieg anschließen werde, wie die Hamas dies von ihren Freunden verlange. Das würde einen „echten Unterschied“ machen.

Ein Blick in die Geschichte

Enge Kontakte zwischen China, Russland und Palästina sind schon lange dokumentiert und reichen bis weit in die 1960er-Jahre zurück.

Viele Beziehungen zwischen den rumänischen Geheimdiensten, die für die logistische Unterstützung der „Palästinensischen Befreiungsorganisation“ (PLO) zuständig waren und der damaligen Sowjetunion, die über den KGB diesen Auftrag erteilte, wurden von Ion Mihai Pachepa enthüllt. Pachepa galt als der ranghöchste kommunistische Spion, der jemals in den Westen übergelaufen ist – er leitete den rumänischen Auslandsnachrichtendienst.

In den 1960er-Jahren begann die chinesische Armee, große Mengen an Waffen und Munition an die palästinensischen Terrororganisationen zu liefern.

Laut Hani al-Hassan, ein politischer Sonderberater Arafats, kämpften die Palästinenser zwischen 1964 und 1970 mit in China hergestellten Waffen. [2] Der israelische Geheimdienst schätzte den Wert der Waffen, die in dieser Zeit von China an die Palästinenser geliefert wurden, auf fünf Millionen Dollar, das wären heute etwa 30 Millionen Dollar. [3]

Maos rotes Buch für Palästinenser

In den 1970er-Jahren versorgte die Kommunistische Partei Chinas die PLO-Mitglieder mit ideologischer Inspiration und militärischer Ausbildung und lud sie in Ausbildungslager nach China ein. [4]

Maos „Rotes Buch“ mit Zitaten des Diktators sowie seine anderen Schriften wie „Strategische Probleme im chinesischen Revolutionskrieg“ und „Strategische Probleme im Guerillakrieg gegen Japan“ wurden in den 1970er Jahren zur empfohlenen Lektüre für Fatah-Mitglieder.

Radikalere palästinensische Organisationen wie die Volksfront für die Befreiung Palästinas äußerten sich deutlich. „Der Führer der Volksfront für die Befreiung Palästinas, George Habash, erklärte 1970: ‚Unser bester Freund ist China. China will, dass Israel von der Landkarte getilgt wird, denn solange Israel existiert, wird es keine aggressiven imperialistischen Vorposten auf arabischem Land geben“, zitiert Harris. [5]

In den Folgejahren bewaffnete die KPC nicht nur die Palästinenser, sondern auch den Iran und Syrien. Raketenlieferungen aus China erreichten auch die Hamas und die Hisbollah. [6] Mit der PLO-Führung (Palästinensische Befreiungsorganisation) in den palästinensischen Gebieten unterhält Peking seit dem Sommer 2023 eine „umfassende strategische Partnerschaft“. 

Mit Israel wurde auch gesprochen, doch erst 1992 nahmen China und Israel offizielle diplomatische Beziehungen auf, die sich auf Handelsebene bewegten.

Zhai Jun (l.), Sondergesandter der chinesischen Regierung für die Nahost-Frage, trifft sich am 7. Dezember 2019 mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas in seinem Büro in der Stadt Ramallah im Westjordanland. Foto: Abbas Momani/AFP über Getty Images

Hamas-Führer: „Sich für Amerikas Rivalen öffnen“

2006 gewann die Hamas bei den palästinensischen Parlamentswahlen. Auf Einladung von russischem Staatschef Wladimir Putin besuchten hochrangige Vertreter der Hamas im März 2006 Moskau. Es war die erste Reise für die Hamas außerhalb der islamischen Welt. Sie gab der Gruppe, die sich damals offen der „gewalttätigen Zerstörung Israels“ verpflichtete, eine gewisse internationale Legitimität.

Sowohl seit Beginn des Ukraine-Krieges als auch des Hamas-Israel-Krieges treffen sich russische Beamte regelmäßig mit hochrangigen Hamas-Vertretern.

Am 19. Juni 2022 fand beispielsweise an der Al-Umma-Universität in Gaza eine Konferenz mit dem Titel „Palästinensische Souveränität, strategische Variablen und zukünftige Wege“ statt. Zu den Rednern der Konferenz gehörten der Leiter des Politbüros und Anführer der Hamas, Ismail Haniyeh. Auch das Mitglied des Politbüros Moussa Abu Marzouk und andere hochrangige Vertreter waren anwesend.

In ihren Reden befassten sie sich mit den Veränderungen in der Welt. Sie vertraten die Ansicht, dass die USA nach dem Krieg in der Ukraine ihre globale Hegemonie verlieren werden und sich infolgedessen eine multipolare Weltordnung durchsetzen wird.

Vor diesem Hintergrund betonen hochrangige Hamas-Vertreter, dass es wichtig sei, sich für Amerikas Rivalen – also Russland und China – zu öffnen und strategische Allianzen mit allen zu bilden, die den Widerstand unterstützen.

Russland: Hamas-Führer sind „Staatsmänner“

„Dies ist der umfassendste und bedeutendste Krieg im Kampf zwischen den beiden Lagern der Welt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs“, sagte Haniyeh zum Ukraine-Krieg.

Drei Monate später wiederholte eine Hamas-Delegation, die in Moskau eintraf, eine ähnliche Botschaft. In den russischen Medien wurde die Hamas im März 2023, als ihre Delegation in Moskau eintraf, als „gemäßigte“ und „pragmatische“ Organisation beschrieben, und ihre Führer wurden als „Staatsmänner“ bezeichnet, die „offen für den Dialog“ seien.

In einem umfangreichen Bericht vom Juni 2023 dokumentiert Matt Schierer Russlands Kriegskontakte mit vom Iran unterstützten benannten Terrorgruppen im Nahen Osten. Darunter sind die Hamas, die libanesische Hisbollah, die irakische Al-Nujaba-Bewegung und Asa’ib Ahl Al-Haqq, die Badr-Organisation und die Huthis im Jemen.

Lange Zeit war demnach die Unterstützung für vom Iran unterstützten Terrorgruppen Teil der russischen Nahoststrategie unter Staatschef Wladimir Putin. Diese Politik des Kremls stehe an dieser Stelle im Gegensatz zur US-Politik.

Während die USA versuche, solche Gruppen auf der internationalen Bühne zu isolieren, erkenne Moskau sie konsequent als legitime politische Akteure an. Damit untergrabe Moskau auch die Bemühungen der USA zur Terrorismusbekämpfung, so Schierer.

Weiterführende Quellen

[1] Die Izz ad-Din al-Qassam-Brigaden, auch bekannt als die Al-Qassam-Brigaden, gelten als Elitetruppe des militärischen Flügels der palästinensischen Hamas. Sie lehnen das Existenzrecht Israels ab.

[2] ‏Lillian Craig Harris, „China’s Relations with the PLO“, Journal of Palestine Studies, Vol. 7, No. 1, 1977, p-136

[3] ebenda

[4] Shaina Oppenheimer, „Weapons and Ideology: Files Reveal How China Armed and Trained the Palestinians“, Haaretz.com, 4 August 2019

[5] Lillian Craig Harris, „China’s Relations with the PLO“, Journal of Palestine Studies, Vol. 7, No. 1 (Autumn, 1977), p-123-154

[6] Ephraim Halevi, „Chinas Beteiligung an der Zugstrecke nach Eilat: Ist sie für den Staat Israel wünschenswert?“, Shasha Center for Strategic Studies, Oktober 2013



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