Boris Johnson holt die meisten Stimmen und wird neuer britischer Premierminister
Boris Johnson wird neuer Vorsitzender der britischen Konservativen Partei und damit auch Nachfolger von Theresa May als Premierminister Großbritanniens.
Johnson kam in der Briefwahl der Tories auf 92.153 Stimmen und setzte sich damit gegen Außenminister Jeremy Hunt durch, wie die Partei am Dienstagmittag mitteilte. Hunt selbst kam auf 46.656 Stimmen.
Wahlberechtigt waren 159.320 Tory-Mitglieder, die Wahlbeteiligung lag bei 87,4 Prozent. 509 Stimmen waren ungültig. In seiner ersten Rede als Tory-Chef zeigte sich Johnson versöhnlich. Er lobte sowohl Hunt als auch die scheidende Premierministerin.
Freundliche Abschiedsworte an May
Er sagte, es sei ein „Privileg“ gewesen, selbst als Minister in ihrem Kabinett gedient zu haben. Unterdessen kündigte May an, Johnson im Parlament unterstützen zu wollen.
We now need to work together to deliver a Brexit that works for the whole UK and to keep Jeremy Corbyn out of government, schrieb sie kurz nach der Verkündung des Wahlergebnisses bei Twitter.
Johnson soll am Mittwoch das Amt des Regierungschefs von May übernehmen. Bevor die Premierministerin allerdings offiziell zurücktritt, will sie sich am Mittwochmittag ein letztes Mal den Fragen der Abgeordneten im britischen Unterhaus stellen. Erst im Anschluss übernimmt Johnson die Regierungsgeschäfte.
Es wird erwartet, dass der neue Premier am Donnerstag und eventuell auch noch am Freitag sein neues Kabinett zusammenstellt. Im parteiinternen Wahlkampf war der Brexit das beherrschende Thema.
Johnson hatte dabei immer wieder deutlich gemacht, zum 31. Oktober aus der Europäischen Union austreten zu wollen – notfalls auch ohne Deal. Dazu will er neue Verhandlungen mit der EU führen.
Ob Johnson seine Pläne umsetzen kann, ist noch unklar, da die Tories gemeinsam mit der nordirischen DUP nur über eine knappe Mehrheit im Parlament verfügen.
Ein Rückblick auf das Brexit-Drama
23. Juni 2016 – Ja zum Brexit
Bei einem Referendum spricht sich eine knappe Mehrheit von 51,9 Prozent der Briten für den EU-Austritt Großbritanniens aus.
24. Juni 2016 – Cameron tritt zurück
Einen Tag später tritt Premierminister David Cameron zurück. Er hatte für den EU-Verbleib geworben.
13. Juli 2016 – Brexit-Befürworter übernehmen Regierungsämter
Theresa May wird Premierministerin. Sie setzt den Austrittsbefürworter David Davis als Brexit-Minister ein. Der Wortführer des Brexit-Lagers, Boris Johnson, wird Außenminister.
29. März 2017 – Offizielle Austrittserklärung
London reicht in Brüssel den Austrittsantrag ein. Damit beginnt die zweijährige Frist bis zum 29. März 2019, in der beide Seiten die Details des Brexits aushandeln wollen.
8. Juni 2017 – Verlorene Mehrheit
Auf Mays Initiative hin finden vorgezogene Neuwahlen statt. Ihre Konservative Partei verliert die Mehrheit im Parlament und ist nun auf die Unterstützung der nordirischen DUP angewiesen.
8. Dezember 2017 – Erste Brexit-Vereinbarungen
London und Brüssel einigen sich auf drei Hauptbereiche für die Trennung: Großbritanniens Finanzverpflichtungen an die EU, die Rechte von EU-Bürgern und die künftige Grenzregelung zwischen Irland und Nordirland.
6. Juli 2018 – Wichtige Minister treten zurück
May bekommt von ihrem Kabinett grünes Licht, eine „Freihandelszone“ mit der EU anzustreben, die eine enge Verbindung auch nach dem Brexit bedeuten würde. Die Brexit-Hardliner Davis und Johnson treten aus Protest zurück.
13. November 2018 – Einigung auf Vertragsentwurf
Die britische Regierung verkündet die Einigung auf einen Entwurf für den Austrittsvertrag. Daraufhin treten vier weitere Minister aus Mays Kabinett zurück. Die EU verabschiedet das Abkommen am 25. November.
15. Januar 2019 – Unterhaus lehnt Vertrag ab
Das Unterhaus lehnt das Brexit-Abkommen ab. Labour-Chef Jeremy Corbyn stellt einen Misstrauensantrag gegen die Regierung, den May knapp übersteht.
12. März 2019 – Erneute Ablehnung des Brexit-Vertrags
Das Unterhaus stimmt erneut mit großer Mehrheit gegen das Brexit-Abkommen, obwohl May weitere rechtlich bindende Zusagen der EU zu der umstrittenen Grenzregelung für Nordirland erhalten hatte.
14. März 2019 – Votum für Verschiebung
Mit klarer Mehrheit stimmen die Londoner Abgeordneten für eine Verschiebung des Brexits. Tags zuvor hatten sie einen harten Brexit abgelehnt.
21. März 2019 – EU billigt Verschiebung
Bei einem EU-Gipfel wird das Brexit-Datum auf den 12. April verschoben. Bis dahin muss Großbritannien klären, ob es noch länger in der EU bleibt und dann auch an der Europawahl Ende Mai teilnimmt.
27. März – Unterhaus sucht vergeblich nach Brexit-Ausweg
Die britischen Abgeordneten befassen sich mit acht Vorschlägen für einen Ausweg aus der verfahrenen Situation – etwa einem harten Brexit, einem zweiten Referendum oder einer Zollunion mit der EU. Kein Vorschlag findet eine Mehrheit.
29. März – Brexit-Vertrag fällt zum dritten Mal durch
Das Parlament stimmt zum dritten Mal gegen das Brexit-Abkommen. May hatte zuvor ihren vorzeitigen Rücktritt als Premierministerin versprochen, wenn das Unterhaus dem Abkommen zustimmt.
2. April – May geht auf Opposition zu
May bietet Oppositionsführer Corbyn an, gemeinsam einen Brexit-Plan zu entwickeln.
11. April – „Flexible“ Verschiebung
Die EU und Großbritannien einigen sich bei einem Sondergipfel auf eine „flexible“ Verschiebung des Brexits bis zum 31. Oktober. Sie ermöglicht einen früheren Austritt, wenn die Briten dies wünschen.
17. Mai – Labour bricht Gespräche ab
Corbyn beendet die Gespräche mit May ohne Ergebnis.
21. Mai – Mays letztes Manöver
May versucht nochmals auf die Labour-Partei zuzugehen, und stellt ein weiteres Referendum über den EU-Austritt in Aussicht. Brexit-Hardliner sind empört.
22. Mai – Weiterer Rücktritt schwächt May
Mays Ministerin für Parlamentsangelegenheiten, Andrea Leadsom, wirft aus Protest gegen den Brexit-Kurs das Handtuch.
23. Mai – EU-Wahl in Großbritannien
Anders als geplant nimmt Großbritannien an der Europawahl teil.
24. Mai – May gibt auf und kündigt Rücktritt an
May gibt angesichts des breiten Unmuts über ihren Brexit-Kurs bekannt, dass sie als Parteichefin der Konservativen zurücktreten wird. Damit wird sie in der Folge auch ihr Amt als Regierungschefin aufgeben.
26. Mai – Niederlage für Mays Tories
Die Auszählung der Stimmen zur Europawahl ergibt eine krachende Niederlage für Mays Tories: Sie kommen nur auf 8,85 Prozent, die neue Brexit-Partei von EU-Gegner Nigel Farage wird mit 30,75 Prozent stärkste Kraft.
7. Juni – May ist nicht mehr Tory-Chefin
May gibt den Parteivorsitz auf, bleibt aber als Regierungschefin im Amt, bis ihre Nachfolge geregelt ist. Um das Thema Brexit kümmert sie sich seither nicht mehr.
10. Juni – Zehn Kandidaten bewerben sich um May-Nachfolge
Zehn Kandidaten haben sich offiziell um die Nachfolge von May als Parteivorsitzende beworben – acht Männer und zwei Frauen. Gleich zu Beginn gelten der frühere Außenminister Johnson und der amtierende Außenminister Jeremy Hunt als Favoriten.
13. Juni – Tories starten Auswahlverfahren
Die konservativen Abgeordneten beginnen das aufwändige Auswahlverfahren unter den zehn Bewerbern. Gleich in der ersten Abstimmungsrunde scheiden drei Kandidaten aus, weil sie nicht genügend Stimmen erhalten. Johnson siegt deutlich.
18. Juni – Johnsons Siegeszug geht weiter
Der Brexit-Hardliner behauptet sich auch in der zweiten Wahlrunde der Abgeordneten. Bei einer anschließenden TV-Debatte pocht Johnson auf einen Brexit bis zum 31. Oktober. Auf die Frage, wer einen EU-Austritt Großbritanniens zum 31. Oktober „garantieren“ könne, hoben aber weder er noch seine vier Rivalen die Hand.
20. Juni – Johnson und Hunt setzen sich durch
Es folgen am 19. und 20. Juni noch weitere Wahlrunden, bevor Johnson und Hunt als Spitzenreiter feststehen und in die entscheidende Etappe des Mitgliedervotums einziehen.
22. Juni – Erster Wahlkampfauftritt vor der Basis
Johnson und Hunt stellen sich in Birmingham erstmals bei einem Auftritt der Parteibasis, weitere dieser Termine im ganzen Land folgen. Die Entscheidung über den künftigen Vorsitzenden liegt nun bei den 160.000 Mitgliedern.
6. bis 8. Juli – Urabstimmung beginnt
Die Wahlzettel werden an die Mitglieder der Konservativen verschickt. Sie können sofort beginnen, sie auszufüllen.
9. Juli – TV-Duell der Widersacher
Johnson und Hunt liefern sich einen harten Schlagabtausch bei einem Fernsehduell. Hunt wirft Johnson vor, beim Brexit nichts als „blinden Optimismus“ zu bieten. Johnson entgegnet, er wolle Großbritannien seine „besonderen Kräfte“ zurückgeben und das Land aus dem „Hamsterrad des Schicksals“ befreien.
23. Juli – Johnson steht als neuer Premier fest
Aus dem Mitgliedervotum der Tories geht Johnson als klarer Sieger hervor. Er ist damit nicht nur neuer Parteichef der Konservativen, sondern übernimmt auch die Regierungsgeschäfte von Theresa May.(dts/nh)
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