Bolivien: Tagelanges Warten an der Tankstelle

Schon seit Monaten prägen lange Warteschlangen an den Tankstellen das Straßenbild Boliviens. Doch nun hat die zunehmende Diesel- und Benzinknappheit einen Wendepunkt erreicht: Viele Bolivianer sind gestrandet. Sie können weder tanken noch öffentliche Verkehrsmittel nutzen.
Einige verbringen die Nächte in ihren Fahrzeugen in der Hoffnung, dass am nächsten Tag Treibstoff eintrifft. Die Krise verschärfte sich während des bolivianischen Karnevals, der normalerweise zehn Tage lang von Ende Februar bis zur ersten Märzwoche gefeiert wird.
Devisenmangel, unzureichende Produktion
Der anhaltende Mangel an Devisen, um für Treibstoffimporte zu bezahlen, ist die Hauptursache für die Engpässe im Land. Die Regierung des bolivianischen Präsidenten Luis Arce hat zugegeben, dass sie nicht genügend Devisen hat, um mehr Treibstoff zu kaufen. Die inländische Produktion könne zudem den Bedarf der Bevölkerung nicht decken.
„Wir sind derzeit nicht in der Lage, unsere Angebotsziele zu erreichen. Wir liefern nur mit 40 oder 50 Prozent der Kapazität“, sagte Armin Dorgathen, Präsident des staatlichen Rohstoffunternehmens YPFB, auf einer Pressekonferenz. „Wir werden den Bedarf des produzierenden Sektors nicht vollständig decken können.“
In den sozialen Medien wurde der Ruf nach der sofortigen Absetzung von Arce und seiner Regierung laut. Auch innerhalb der Regierung gibt es Stimmen, die Arce zum Rücktritt auffordern.
Am 12. März reagierte der Präsident auf die Rücktrittsforderungen. „Ich möchte die vielen Politiker, die offensichtlich in der Absicht, das Land zu destabilisieren und Unruhe zu stiften, vom Bankrott unseres Landes sprechen, aufklären. Bolivien ist nicht bankrott. Bolivien hat eine Wirtschaft, die weiterhin öffentliche Investitionen tätigt und das Einkommen unter den Bolivianern umverteilt“, sagte Arce.
Er sagte auch, dass das Parlament externe Kredite für den Kauf von mehr Treibstoff bewilligen müsse. Eine Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds lehnte er ab.
Unterdessen protestieren die Einwohner in mehreren Städten und fordern eine dauerhafte Lösung. Acre, der seit 2020 im Amt ist, will bei den Parlamentswahlen im August für eine zweite Amtszeit kandidieren.
Ein Leben im Auto
In Boliviens bevölkerungsreichster Stadt Santa Cruz erstreckt sich eine Schlange von Autos und Lastwagen unter grauem Himmel bis zum Horizont. Pedro Flores sitzt im Gras neben seinem geparkten Taxi. Er sagte der Epoch Times, sein Auto stehe seit über 24 Stunden still und er will seinen Platz in der Schlange vor der Tankstelle nicht aufgeben.
„Das ist mein zweiter Versuch diese Woche. Ich habe im Moment nicht genug Benzin, um zu arbeiten oder gar nach Hause zu kommen“, sagte Flores.

Ein Taxi parkt an einer leeren Zapfsäule einer Tankstelle in Santa Cruz, Bolivien, am 12. März 2025. Foto: Autumn Spredemann/Epoch Times
Mit zwei kleinen Kindern und einer Frau zu Hause kann Flores es sich nicht leisten, nicht zu arbeiten. Die landesweite Treibstoffknappheit hat die Beschäftigten im Transportsektor besonders hart getroffen, und Flores steckt mit ihnen in der Warteschleife, während er darauf wartet, seinen Benzintank zu füllen.
„Einige von uns haben WhatsApp-Gruppen gegründet und halten Plätze frei, damit die Leute in der Schlange etwas essen oder auf die Toilette gehen können. Wenn sich die Schlange bewegt, schreiben wir der Gruppe. Dann können die Leute zurückkommen, bevor die Autos an ihnen vorbeifahren und sie ihren Platz verlieren“, sagte er.
Flores sagte, er plane zum zweiten Mal innerhalb einer Woche in seinem Auto zu schlafen. Er fügte hinzu, dass diejenigen, die nicht bereit sei, die Nacht im Auto zu verbringen, sich am nächsten Tag gar nicht erst anstellen sollten.
„Sogar die großen Tankstellen werden leer sein, bevor man an der Reihe ist“, sagte er.
Zur Arbeit fahren? Kaum möglich
Wie Flores hat auch Miguel Martin in den vergangenen Wochen übermäßig viel Zeit in endlosen Warteschlangen für Treibstoff verbracht. Martin arbeitet nicht im Transportwesen, ist jedoch auf sein Auto angewiesen, um zur Arbeit nach Santa Cruz zu kommen. Er lebt in einem ländlichen Vorort namens Urubo.
„Wir haben hier [in Urubo] ohnehin kein gut ausgebautes öffentliches Nahverkehrsnetz, daher können wir uns nicht darauf verlassen“, sagte Martin gegenüber der Epoch Times.
In einigen ländlichen Vororten von Santa Cruz gibt es selbst unter normalen Umständen nur wenige Busse. Der nächste Supermarkt, der Arzt oder die nächste Schule können kilometerweit entfernt sein.
Martin sagte, er sei wütend auf die Regierung von Präsident Arce, weil sie sich weigere, ihren Würgegriff auf die Ressourcen des Landes zu lockern. Ebenso ärgert ihn die Weigerung, die Treibstoffsubventionen aufzuheben, welche die Preise an der Zapfsäule künstlich niedrig halten.
Treibstoffsubventionen sorgen für Unmut
Bolivien gab 2024 für Treibstoffsubventionen 2 Milliarden aus – ein Programm, das bei den Bürgern für Unmut sorgt. Sie sagen, sie seien bereit, höhere Preise an der Tankstelle zu zahlen, solange sie dafür eine regelmäßige Versorgung erhalten.
„Streichen Sie die Subventionen, bringen Sie mehr internationale Unternehmen ins Land; so können wir die Versorgung [mit Kraftstoff] sicherstellen“, so Martin.
Auf die Frage, ob er die Nacht mit seinem Auto in der Schlange verbringen wolle, zuckte Martin mit den Schultern. „Im Moment wahrscheinlich schon. Gerüchten zufolge kommt gegen 4 Uhr morgens ein Lastwagen, und ich stehe nah genug dran, um zu tanken.“
Martin sagte, er habe vergangene Woche Glück gehabt und musste nur etwa vier Stunden warten, um seinen Tank aufzufüllen.
Für diejenigen, deren Autos weiter hinten in der Schlange stehen, kann es zwei oder drei Tankwagenlieferungen dauern, bis sie tanken können.
„Die Leute am Ende der Schlange lassen ihr Auto einfach stehen und kommen später wieder. Sie wissen, dass sie beim nächsten Tankwagen keinen Sprit mehr bekommen, aber immerhin kommen sie näher“, sagte Flores.
Eingeschränkter Busverkehr
Die Treibstoffknappheit hat das Leben auch für diejenigen schwierig gemacht, die nicht stundenlang in der Schlange an einer Tankstelle stehen müssen.
In den großen Städten Boliviens fahren immer weniger Busse und Minivans – auch als Micros bekannt. Die Stadt El Alto kündigte an, den Busverkehr ab dem 17. März einzustellen, bis sich die Treibstoffversorgung des Landes stabilisiert hat; das berichteten lokale Medien.

Hier warten die Autos an eine Tankstelle quer durch ein Wohnviertel in Santa Cruz am 12. März 2025. Foto: Autumn Spredemann/Epoch Times
Auch der Fernbusverkehr zwischen den Städten ist betroffen. In Santa Cruz haben die Fernbusbetreiber 30 Prozent ihrer Flotte aus dem Verkehr gezogen, weil es an Diesel mangelt.
Auch der öffentliche Nahverkehr in Santa Cruz leidet. Da nur schätzungsweise 25 Prozent der bolivianischen Familien ein Auto besitzen, ist der öffentliche Nahverkehr für viele eine wichtige Verbindung zwischen Wohnort und Arbeitsplatz.
„Spätestens um 05:30 Uhr stehe ich vor der Tür und warte auf den Bus. Ich fange nicht einmal vor 8 Uhr an zu arbeiten“, sagte Miranda Paredes, eine Café-Barista, gegenüber der Epoch Times.
Paredes sagte, dass es nicht nur länger dauert, bis die öffentlichen Busse kommen, sondern dass sie oft schon voll sind. „Manchmal kann man nur stehen, und der Bus ist so voll, dass sich die Tür kaum schließen lässt.“
Sie hat Freunde, die sich dafür entschieden haben, während der Arbeitswoche an ihren Arbeitsplätzen zu übernachten. Sie duschen in nahe gelegenen Fitnessstudios. Damit ersparen sie sich die Mühe, einen Transport von und nach Hause zu finden.
„Ich hoffe, dass ich das nicht bald auch tun muss, aber wir werden sehen. Es ist verrückt, dass sich Menschen zwischen Familie und Job entscheiden müssen“, sagte Paredes.
Notstand ausgerufen
Am 14. März rief der Bürgermeister von Santa Cruz, Jhonny Fernández, aufgrund der Treibstoffknappheit, die die Landwirtschaft und den Exportsektor stark beeinträchtigt, den Notstand aus. Der Gemeindevorsteher der Kleinstadt Porongo, Neptaly Mendoza, tat dasselbe wenige Stunden zuvor.
„Die Häufigkeit der Müllabfuhr ist um etwa 30 Prozent zurückgegangen, ebenso wie die der Lieferanten. Deshalb rufen wir den Notstand aus, und alle Institutionen müssen verstehen, dass wir unsere Kräfte bündeln müssen, um aus dieser Situation herauszukommen“, erklärte Fernández.
Der Artikel erschien zuerst bei theepochtimes.com unter dem Titel „Waiting for Days: Inside Bolivia’s Worsening Fuel Crisis“. (deutsche Bearbeitung ks)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion