Blitzwahlkampf in Frankreich – Le Pen zu Regierungsverantwortung bereit
In Frankreich beginnt ein äußerst kurzer Wahlkampf. Die erste Runde der Neuwahlen ist bereits für den 30. Juni, in weniger als drei Wochen geplant. Bis zur Neubildung der wichtigsten Kammer des Parlaments sind die Arbeiten eingestellt. Die Debatte über das Sterbehilfe-Gesetz ist suspendiert.
„Ich vertraue auf die Fähigkeit des französischen Wahlvolks, die beste Wahl für sich und für die künftigen Generationen zu treffen“, schrieb Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Montagmorgen im Onlinedienst X.
Seine Partei Renaissance hatte am Vorabend eine heftige Wahlschlappe erlebt. Sie kam nach Auszählung aller Wahlbüros auf 14,6 Prozent der Stimmen, nicht einmal halb so viele wie die Politiker des Rassemblement National. Die Sozialisten liegen mit 13,8 Prozent weniger als einen Punkt dahinter.
RN-Spitzenkandidat Jordan Bardella geht mit 31,5 Prozent für seine Partei als klarer Sieger aus der Wahl hervor. Ex-Parteichefin Marine Le Pen berief am Wahlabend eine Sitzung der Parteispitze an, die wie eine Kabinettsitzung inszeniert war. „Wir sind bereit, Regierungsverantwortung auszuüben“, betonte sie.
Bardella wird bei den kurzfristig anberaumten Neuwahlen Spitzenkandidat seiner Partei. Bardella sei „unser Kandidat für Matignon“, sagte Parteivize Sébastien Chenu am Montag dem Radiosender RTL mit Verweis auf den Amtssitz des französischen Ministerpräsidenten. Der RN-Chef habe als gewählter Europa-Abgeordneter „bereits die Salbung des Volkes“, argumentierte Chenu.
Im Falle eines Sieges des RN bei der Parlamentswahl hätte der 28-jährige Bardella beste Chancen auf das Amt des Regierungschefs.
Die rechtsextreme Partei Reconquête mit Marion Maréchal als Spitzenkandidatin zeigte sich bereits offen für eine Koalition. Gemeinsam kommen die beiden Parteien auf 37 Prozent.
Nach Auszählung aller Wahlbüros kommen auch die Grünen knapp über fünf Prozent. Das Ergebnis könnte sich noch minimal verändern.
Macron tritt Flucht nach vorn an
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron tritt damit die Flucht nach vorn. Mit der Neuwahl der Nationalversammlung will der Liberale klare politische Verhältnisse schaffen und hofft wohl, seine Mehrheit in der Parlamentskammer auszubauen.
Macrons gewagter Schritt überraschte am Sonntagabend. Unter Druck gesetzt hat das Ergebnis Macron vor allem, weil sein Regierungslager bereits geschwächt ist. Seit knapp zwei Jahren hat es in der Nationalversammlung keine absolute Mehrheit mehr. Das Regieren gestaltete sich seitdem mühselig. Anders als in Deutschland herrscht in der Parlamentskammer eher eine Kampf- und Konfrontationskultur vor.
Aus dem Umfeld des Präsidenten hieß es, die Franzosen seien das parlamentarische Durcheinander ohne klare Mehrheit leid gewesen. Mit den Neuwahlen setze Macron auf eine Bestätigung seiner Mehrheit und die Rückkehr zu einem parlamentarischen Leben, das den Erwartungen der Franzosen entspreche.
„Unser Wille ist es, Klarheit zu schaffen, damit wir vorankommen“, hieß es. Macron selbst, zeigte sich etwas nüchterner: Er könne nicht so tun, als wäre nichts. Die Entscheidung sei ernst, aber er vertraue den Franzosen, die beste Entscheidung für sich und für zukünftige Generationen zu treffen. Erwartet wird, dass Macron sich in Kürze erneut an die Bevölkerung richten wird.
Konservative lehnen Koalition ab
Das Umfeld des Präsidenten ließ auch durchblicken, dass man möglicherweise mit neuen Partnern kooperieren will, auch wenn unklar ist, wen Macron noch zu seinem Bündnis dazu gewinnen könnte. Von den konservativen Républicains kam noch am Sonntagabend eine klare Absage für eine mögliche Zusammenarbeit mit Macron.
Der Sozialist Raphaël Glucksmann kündigte an, eine Widerstandskraft gegen die extreme Rechte bilden zu wollen. Macron warf er vor, einen politischen Poker zu spielen, der den aktuellen Herausforderungen nicht gerecht werde. Tatsächlich sprach auch das Umfeld des Staatschefs von dem Risiko, das die Neuwahl birgt.
„Diese Entscheidung enthält eine gewisse Kühnheit, Mut, eine Risikobereitschaft, die schon immer im Zentrum unserer politischen DNA stand.“ Man solle nie Angst vor dem Volk haben.
In Frankreichs jüngerer Geschichte war die Nationalversammlung bisher fünfmal aufgelöst worden. Macrons Schritt ist nun die erste Auflösung der Parlamentskammer in mehr als 25 Jahren. Die Nationalversammlung ist eine von zwei französischen Parlamentskammern. Sie ist an der Gesetzgebung beteiligt und kann per Misstrauensvotum die Regierung stürzen. Ohne Mehrheit im Parlament ist das Regieren in Frankreich schwierig.
Schon seit geraumer Zeit richtet sich der Blick in Frankreich auch auf die Präsidentschaftswahl 2027. Nach zwei Amtszeiten kann Macron, der Le Pen zweimal in der Stichwahl besiegte, nicht mehr antreten. Wen die Mitte-Kräfte dann ins Rennen schicken wollen und wer eine Chance gegen Le Pen hätte, ist unklar. (afp/dpa/red)
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