Blitz-Aufstand: Wie reagiert die Welt auf Prigoschins Putschversuch?
So schnell der sogenannte Putschversuch des russischen Sölderchefs Jewgeni Prigoschin begann, so schnell war er auch wieder beendet. Es dauerte nur etwa 24 Stunden ab dem Zeitpunkt, als die Wagner-Gruppe im russischen Gebiet einmarschierte, dann überraschenderweise einen Deal mit Russland einging und sich wieder zurückzog.
Prigoschin hat im Rahmen seiner Abmachung den Marsch auf Moskau beendet und sich nach Belarus, einem russischen Satellitenstaat, zurückgezogen. Berichten zufolge sei er von einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Hochverrats verschont geblieben.
Jetzt jedoch berichtet die Nachrichtenagentur „Tass“, dass die Ermittlungen im Fall Prigoschin fortgesetzt würden. Ob und welche Auswirkungen sich aus dem Zwischenfall ergeben, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Auch darüber, wem das Ereignis in die Hände spielt.
Mehrere US-Medien haben berichtet, dass die US-Geheimdienste schon lange im Voraus gewusst hätten, dass Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin einen bewaffneten Aufstand gegen die obersten Befehlshaber des russischen Militärs plante. Doch anders als bei den Invasionswarnungen vom Februar 2022 schwieg die US-Regierung diesmal im Vorfeld.
Die Geheimdienstquellen hätten dies laut „New York Times“ folgendermaßen begründet: Die US-Beamten hatten das Gefühl, dass Putin sie der Inszenierung eines Staatsstreichs beschuldigen könnte, wenn sie etwas sagten. Und sie hatten eindeutig wenig Interesse daran, Putin dabei zu helfen, eine größere, peinliche Spaltung seiner Unterstützung zu vermeiden.
USA: „Risse, mit denen Putin umgehen muss“
US-Außenminister Blinken wurde am 25. Juni in einer CNN-Sendung zu dem Ereignis befragt. Laut Blinken hätten die US-Geheimdienste nicht gewusst, warum Wagner sich plötzlich zurückgezogen hatte, nachdem er Berichten zufolge bis auf 125 Meilen (ca. 201 km) an Moskau herangekommen war. „Wir haben ehrlich gesagt keine vollständigen Informationen, und es ist noch zu früh, um genau zu sagen, wohin die Reise geht“, sagte Blinken auf die Frage nach dem Rückzug. „Und ich vermute, dass es sich um ein bewegtes Bild handelt und wir den letzten Akt noch nicht gesehen haben“, so Blinken weiter.
Der ehemalige CIA-Direktor David Petraeus habe laut CNN angedeutet, dass Prigoschin „die Nerven verloren hat“. Viele Beobachter sagten zudem voraus, dass dies der „Anfang vom Ende“ für den umkämpften russischen Präsidenten sein könnte. US-Außenminister Blinken zögert jedoch, eine solche Analyse vorzunehmen. Auf die Frage, wie er dazu denke, antwortete er: „Darüber möchte ich nicht spekulieren. Das ist in erster Linie eine interne Angelegenheit Russlands.“
Blinken merkte jedoch an, dass es „auffallend“ sei, dass diese Ereignisse innerhalb des Landes und nicht außerhalb stattgefunden haben. Demnach habe das russische Heimatland bisher nur wenige militärische Konsequenzen für sein Vorgehen in der Ukraine zu tragen gehabt. „Es fügt Risse hinzu – wohin diese führen, wenn sie dort ankommen, lässt sich noch nicht sagen – aber es wirft eindeutig neue Fragen auf, mit denen Putin umgehen muss“, ergänzt Blinken.
Weißrussischer KGB warnt vor Machtübernahme durch Westen
Das weißrussische Komitee für Staatssicherheit (KGB) habe indessen behauptet, zu wissen, dass westliche Geheimdienste Militante auf die Machtergreifung von Belarus vorbereiten würden. Dies geht aus einem Bericht der „Tass“ hervor.
Demnach verfüge die Behörde über Informationen über ausländische Geheimdienstmitarbeiter, die in Polen, der Ukraine und den baltischen Staaten Kämpfer ausbilden würden, die an einer gewaltsamen Machtübernahme Weißrusslands beteiligt sein sollen. Dies erklärte der stellvertretende Leiter der KGB-Ermittlungsabteilung, Konstantin Bytschek.
„Nach der Grundausbildung werden die Kämpfer auf dem Schlachtfeld im Osten der Ukraine getestet und kehren dann zurück, werden zu Ausbildern, bereiten Terroranschläge vor und entwickeln Pläne für eine bewaffnete Invasion in das Gebiet der Republik Weißrussland, einschließlich der Unterstützung regulärer Truppen dieser Länder“, so Bytschek. Ihm zufolge sei der KGB aber in der Lage, „diese Bedrohung rechtzeitig zu beseitigen“.
CDU-Politiker Röttgen: „Davon erholt sich Putin nie wieder“
Laut CDU-Außenexperte Norbert Röttgen erholt sich Putin von dem Konflikt mit Wagner-Chef Prigoschin „nie mehr wieder“, wie er in einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ mitteilte.
Dadurch habe sich Putins Angreifbarkeit gezeigt und er habe nervös reagiert. Der offene Machtkampf sei ein Beleg seines Scheiterns und zeige, dass Putin nicht die Autorität habe, um einen Verräter [Prigoschin] zu bestrafen. Stattdessen habe er als Vermittler den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko gebraucht, so der CDU-Politiker weiter. „Von diesem Schlag für seine Autorität wird sich Putin nie wieder richtig erholen“, ergänzt Röttgen.
Vonseiten der EU ist der Aufstand als innere Angelegenheit Russlands bezeichnet worden, werde aber weiter beobachtet. Aus Großbritannien kam dagegen folgende Reaktion: „Das ist eine großartige Gelegenheit für die Ukraine, sich die derzeitigen Unruhen und das Chaos in Russland zunutze zu machen“, sagte Tobias Ellwood, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des britischen Parlaments.
Krisentreffen in Wien
In Österreichs Hauptstadt Wien löste der sogenannte Putschversuch in Moskau eine Notsituation aus. So trafen sich Spitzenpolitiker am Sonntag zu einem Krisentreffen, um die Folgen für Österreich und Wien zu besprechen. Bundeskanzler Karl Nehammer warnte, dass Russlands „Atomwaffen nicht in die falschen Hände gelangen dürften“. Obwohl es keine konkrete Bedrohung gebe, werde die österreichische Polizei die Sicherheitsvorkehrungen an Orten in Wien, an denen verschiedene mit Russland verbundene Organisationen ansässig sind, erhöhen, so Nehammer.
Litauen fordert Stärkung der Nato-Ostflanke
Litauens Präsident Gitanas Nauseda fordert nach dem Aufstand der russischen Privatarmee Wagner gegen die Führung in Moskau eine weitere Stärkung der Nato-Ostflanke. Sollte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin mit unklaren Absichten im Exil in Belarus landen, müsse die Sicherheit der Ostgrenze erhöht werden, sagte das Staatsoberhaupt des baltischen EU- und Nato-Landes. Litauen grenzt an Belarus und die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad.
Deutschland will rund 4.000 Bundeswehr-Soldaten zusätzlich dauerhaft nach Litauen schicken, um die Ostflanke der Nato zu stärken. „Deutschland ist bereit, dauerhaft eine robuste Brigade in Litauen zu stationieren“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius bei einem Besuch in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Voraussetzung sei die Schaffung der notwendigen Infrastruktur zur Unterbringung der Soldatinnen und Soldaten und Übungsmöglichkeiten.
Italien: „Wir sind nicht gegen Russland“
In Italien führte der Putschversuch durch Wagner-Chef Prigoschin zu zurückhaltenden Reaktionen. Italien befinde sich mit Russland nicht im Krieg und werde sich deshalb nicht in dessen innere Angelegenheiten einmischen, erklärte der italienische Außenminister Antonio Tajani. „Wir haben keinen Krieg gegen Russland geführt. Wir sind nicht gegen Russland […]“, fügte er hinzu.
Dennoch hat Italien ebenfalls Waffen an die Ukraine geliefert. Laut Tajani sei dies jedoch nur geschehen, um dem Land die Verteidigung seiner territorialen Integrität zu ermöglichen, die, wenn sie verloren gegangen wäre, „die Russen dazu veranlasst hätte, in andere Länder der ehemaligen Sowjetunion einzufallen.“
Tschechien prognostiziert Führungswechsel in Russland
Für den tschechischen Außenminister Jan Lipavský (Piraten, Grüne/EFA) zeige die kurzzeitige Meuterei der paramilitärischen Gruppe Wagner gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass ein Führungswechsel bevorstehe, so Lipavský nach einer Krisenstabssitzung am Sonntag. „In Russland gibt es keine Demokratie. Die Führung wird wahrscheinlich mit Gewalt wechseln“, erklärte er. Zudem warnte er, dass sich das Sicherheitsumfeld jederzeit verschlechtern könne.
In Polen wurde die PiS-geführte Regierung von der Opposition für ihre unzureichende Reaktion auf den von Prigoschin inszenierten Putschversuch gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin kritisiert. „Am Samstagmorgen hat Ihr Vorsitzender, der stellvertretende Ministerpräsident (Jarosław Kaczyński), nicht einmal erwähnt, was in Russland passiert ist“, sagte die Abgeordnete der oppositionellen Bürgerplattform (PO), Marzena Okła-Drewnowicz.
Dabei gehe es nicht darum, die Gesellschaft zu verängstigen, sondern um die Sorge der Regierung um die Sicherheit des polnischen Volkes, so Okła-Drewnowicz gegenüber einem privaten Nachrichtensender.
(mit Material der Nachrichtenagenturen)
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