„Blankoscheck“ für Portugals Sozialisten
Ministerpräsident António Costa darf in Portugal eine Neuauflage des vor Ausbruch der Corona-Pandemie vielgefeierten „Wunders“ im EU-Land versuchen.
Bei der Neuwahl des Parlaments gelang seiner Sozialistischen Partei (PS) wider Erwarten ein großer Triumph: Die eher sozialdemokratisch eingestellte PS errang mit knapp 42 Prozent die absolute Mehrheit in der „Assembleia da República“ in Lissabon: Sie wird nach amtlichen Angaben mindestens 117 der insgesamt 230 Sitze besetzen.
„Riesenerfolg von Costa“, meinte der staatliche Fernsehsender RTP. Ein TV-Kommentator sprach von einem „Blankoscheck“ für die PS. In seiner Siegesrede zeigte Costa aber verhaltenen Jubel und demütige Größe. „Absolute Mehrheit bedeutet nicht absolute Macht. Wir werden nicht alleine regieren“, betonte der 60-Jährige. Costa versprach „Dialog“ und dass er „für alle Portugiesen“ regieren werde.
Costas Wunschziel verspottet
Die PS verbesserte sich im Vergleich zur letzten Wahl im Herbst 2019 um mehr als fünf Prozentpunkte. Der Vorsprung vor der zweitplatzierten konservativen Sozialdemokratischen Partei (PSD) von Spitzenkandidat Rui Rio betrug fast 14 Punkte. Dabei hatten die Umfragen zuletzt ein enges Rennen vorhergesagt, Medien verspotteten Costas Wunschziel einer absoluten Mehrheit als Luftschloss.
Costa führte seit Ende 2015 zwei Minderheitsregierungen, die von kleineren linken Parteien wie dem marxistischen Linksblock (BE), den Kommunisten (PCP) und den Grünen (PEV) unterstützt worden waren. Ein formelles Koalitionsabkommen gab es nicht. Die Zusammenarbeit zerbrach im Herbst vergangenen Jahres, als BE, PCP und PEV im Parlament zusammen mit der konservativen Opposition Costas Haushaltsentwurf für 2022 ablehnten. Präsident Marcelo Rebelo de Sousa rief daraufhin Anfang November Neuwahlen aus.
Die einstigen Verbündeten hatten von der sozialistischen Regierung auch mit Blick auf die milliardenschweren Corona-Hilfen der EU unter anderem mehr Sozialausgaben im Etat 2022 gefordert. Costa aber wollte seine zurückhaltende Ausgabenpolitik nicht aufgeben. Nun ist Costa auf das komplizierte „Zusammenleben“ mit den kleinen Gruppierungen – von den Medien und politischen Rivalen spöttisch „Geringonça“ (Klappergerüst) genannt – nicht mehr angewiesen.
An Erfolge pre Pandemie anknüpfen
Im Wahlkampf hatte Costa immer wieder gesagt, nur mit einer „stabilen Regierung“ werde man wieder an die Erfolge der Zeit vor der Pandemie anknüpfen können. Nach den schweren Jahren der Euro-Krise hatte er Portugal sehr erfolgreich geführt. Zwischen 2016 und 2019 lag das Wirtschaftswachstum des kleinen Landes mit nur 10,3 Millionen Einwohnern unter anderem auch dank des boomenden Tourismus deutlich über EU-Schnitt. Die Arbeitslosenrate wurde rapide zurückgeschraubt – und liegt trotz Pandemie weiterhin nur bei gut sechs Prozent. Zum Vergleich: Das wirtschaftlich um einiges stärkere Nachbarland Spanien hat mehr als 13 Prozent.
Costa schaffte dabei den Spagat, soziale Verantwortung zu zeigen und gleichzeitig die einst maroden Staatsfinanzen zu konsolidieren. Den monatlichen Mindestlohn erhöhte der gelernte Jurist etwa von 505 auf zuletzt 705 Euro. Sozialdemokratische Delegationen aus ganz Europa pilgerten nach Lissabon, um das Rezept für den Erfolg zu kopieren. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete Costa jüngst als „einen unermüdlichen Verfechter der sozialen Gerechtigkeit“.
Doch Costa darf sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Er steht vor großen Herausforderungen: Die linken und rechten Rivalen der PS hatten im Wahlkampf zu Recht unter anderem die hohe Steuerlast, die niedrigen Renten von oft unter 300 Euro, die zum Teil wirklich miserablen Gehälter und den sich zuspitzenden Wohnungsmangel an den Pranger gestellt. Junge und auch nicht mehr ganz junge Menschen wandern wegen dieser Probleme weiterhin in Massen aus.
Costa braucht schnelle Erfolge, auch um den Rechtspopulisten von Chega (Es reicht) Wind aus den Segeln zu nehmen. Neben der PS war die Partei von Spitzenkandidat André Ventura nämlich der zweite große Sieger der Abstimmung vom Sonntag. Sie verbesserte sich im Vergleich zu 2019 von 1,29 auf 7,15 Prozent und erhöhte die Zahl ihrer Abgeordneten von einem auf mindestens elf. (dpa/red)
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