Bidens Rückzug und die 96-Millionen-Dollar-Frage

Seit der Empfehlung von US-Präsident Joe Biden, seine Vizepräsidentin Kamala Harris gegen Donald Trump ins Rennen zu schicken, laufen in den USA die Telefone und Spendenkonten heiß. Ein weiterer demokratischer Gegenkandidat könnte den Zugriff auf Dutzende Millionen Dollar an Wahlkampfgeldern erschweren.
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US-Vizepräsidentin Kamala Harris soll nach dem Willen von Joe Biden in seine Fußstapfen treten. (Archivbild).Foto: Anna Moneymaker/Getty Images
Von 22. Juli 2024

Im August wollen die rund 4.700 Delegierten der amerikanischen Demokraten auf einem Nominierungsparteitag in Chikago einen neuen Präsidentschaftskandidaten oder eine -kandidatin bestimmen. Wenige Stunden nach dem offiziellen Verzicht von US-Präsident Joe Biden scheint alles auf die amtierende Vizepräsidentin Kamala Harris hinauszulaufen – auch aus finanziellen Gründen.

Denn Harris ist nach Angaben der „Investment Week“ die einzige potenzielle Kandidatin, die relativ problemlos auf jene 96 Millionen Dollar (etwa 88 Millionen Euro) aus Wahlkampfspenden zurückgreifen könnte, die bereits bis zum 30. Juni für die Wiederwahl des Duos Biden/Harris eingesammelt worden waren. Die „Investment Week“ berichtet, dass dieses Geld auf den Konten des Biden-Harris-Komitees verbucht wurde und deshalb ausschließlich Biden und Harris „folgen“ dürfe.

Über Nacht fast 50 Millionen Dollar eingesammelt

Nach Angaben der amerikanischen Epoch Times enthielt die gesamte „Kriegskasse“ für den US-weiten Präsidentschaftswahlkampf der Demokraten inklusive der Budgets verbündeter Wahlkampfkomitees bis vor Bidens Rückzug bereits mehr als 240 Millionen Dollar (ca. 220 Millionen Euro). Wenn sich die Partei überraschend auf einen anderen Gegenkandidaten einigen würde, könnte es rechtlich bedingte Einschränkungen hinsichtlich der Verwendung jener Gelder geben, die bereits gezielt auf das Konto Biden/Harris verteilt wurden – und künftig noch kommen könnten.

Seit Bidens Rückzug und seiner Empfehlung für Harris sammelte das Aktionskomitee ActBlue bis in die frühen Morgenstunden des 22. Juli eigenen Angaben zufolge bereits 46,7 Millionen zusätzliche Dollar für Harris bei privaten Anhängern der Demokraten ein. „Dies war der größte Spendentag des Wahlkampfs 2024. Kleinspender sind motiviert und bereit, diese Wahl in Angriff zu nehmen“, schrieb ActBlue auf seinem X-Kanal.

Nicht zuletzt habe auch einer der prominentesten Großspender der Demokraten, Alex Soros, finanzielle Hilfe für den Harris-Wahlkampf bereits zugesagt, so die amerikanische Epoch Times – Volumen momentan unklar. Der Milliardär ist der Sohn des Investmentmilliardärs und Gründers der Open Society Foundations, George Soros.

Zuvor hatten nach Angaben der „Frankfurter Rundschau“ (FR) wichtige Geldgeber wie Disney-Erbin Abigail Disney angekündigt, keine weiteren Wahlkampfspenden mehr zu machen, solange Biden an seiner Kandidatur festhalten würde.

Weiterer Kandidat vorerst nicht in Sicht

Wie die „Tagesschau“ berichtet, änderte das Wahlkampfteam des Duos Biden/Harris seinen Namen bereits in „Harris for President“.

Dass sich noch andere demokratische Spitzenpolitiker wie die Gouverneure Josh Shapiro (Pennsylvania) oder Roy Cooper (North Carolina) im Nominierungsrennen einschalten könnten, erscheint nach Einschätzung der „Tagesschau“ derzeit als unwahrscheinlich. Gretchen Whitmer (Michigan) habe bereits abgewinkt. Gavin Newsom (Kalifornien) habe im Vorfeld versprochen, Harris zu unterstützen, falls sie sich nominieren lassen wolle.

Sollte es doch noch zu einer Gegenkandidatur beim Nominierungsparteitag kommen und im ersten Wahlgang kein Kandidat genügend Stimmen erhalten, liege es laut US-Epoch-Times bei den gut 700 „Superdelegierten“, in weiteren Wahlgängen für eine Entscheidung zu sorgen. Über den Vizepräsidenten werde gesondert abgestimmt.

Unterstützer bereits den ganzen Tag lang kontaktiert

Mehreren Medienberichten zufolge hatten Harris‘ Wahlhelfer den Sonntag genutzt, um bereits Hunderte demokratische Delegierte telefonisch um Unterstützung zu bitten und sich gegen etwaige Gegenkandidaten zu wenden. Denn wirklich sicher ist noch nichts.

Die studierte Juristin Harris hatte laut „Zeit“ selbst über zehn Stunden lang mit etwa 100 potenziellen Fürsprechern telefoniert. Darunter seien Spitzenkräfte der demokratischen Partei, Gouverneure und Kongressabgeordnete gewesen, aber auch hochrangige Vertreter von Interessen- und Bürgerrechtsorganisationen. Nach Informationen der „Tagesschau“ habe Harris nicht nur mit ihrem potenziellen Vize Josh Shapiro gesprochen, sondern auch mit Hakeem Jeffries, dem Vorsitzenden der Demokraten im US-Repräsentantenhaus, und mit Steven Horsford, dem Vorsitzenden der Gruppe schwarzer Kongressabgeordneter.

Ein Wunsch-Vize soll her – und das möglichst schnell

Harris stehen auch nach dem Sonntag anstrengende Wochen bevor: Sie will möglichst schnell in den einzelnen Bundesstaaten für klare Verhältnisse sorgen.

Nach Angaben der amerikanischen Epoch Times wird in jedem US-Staat gesondert entschieden, wie eine Partei ihre Präsidentschaftskandidaten auswählen muss: Jeder Staat besitze dafür ein eigenes Wahlsystem. Biden hatte laut The Epoch Times bereits 3.896 der 4.700 Delegierte hinter sich versammelt – nun gehe das Werben um ihr Wohlwollen aufs Neue los, wobei die jeweiligen gesetzlichen Vorschriften zu beachten seien. Eine frühere Zusage für Biden als Kandidat bedeute jedenfalls nicht automatisch ein aktuelles Ja zu Harris.

Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, hatte gegenüber dem Sender CNN erklärt, dass die Demokraten „echte Probleme bekommen“ würden, wenn Biden kurzfristig als Spitzenkandidat ersetzt würde.

Von entscheidender Bedeutung für die neue Hoffnungsträgerin der Demokraten sei es nach Einschätzung des Politikstrategen und Anwalts Christopher Bruce, ihren Vizepräsidenten (Running Mate) so schnell wie möglich auszuwählen, um ein komplettes Kandidatenteam vorweisen zu können.

Doch die Frage nach Kamala Harris‘ Wunsch-Vizepräsident ist nach wie vor offen. Infrage kämen nach Angaben der FR Josh Shapiro, der Gouverneur von Pennsylvania, seine Amtskollegen Andy Beshear (Kentucky), Roy Cooper (North Carolina), J.B. Pritzker (Illinois), Tim Waltz (Minnesota); außerdem Mark Kelly, Senator aus Arizona und US-Verkehrsminister Pete Buttigieg.

Zusammenhalt unter Demokraten gefragt

Christopher Bruce empfahl im Gespräch mit der US-Epoch-Times zudem, dass sich die Demokraten „ein Beispiel an den Republikanern nehmen und sich zusammenschließen“ sollten. Er rechne mit „sehr unvorhersehbaren“ Wochen. Eine ähnliche Konstellation wie die aktuelle habe es zuletzt 1968 gegeben. Damals hatte der amtierende Präsident Lyndon B. Johnson die Öffentlichkeit mit seiner Ankündigung überrascht, nicht noch einmal antreten zu wollen. Sein Entschluss stürzte die Demokraten seinerzeit in eine politische Krise. Und Harris bleibt mit vier Monaten noch weniger Zeit.

Jaime Harrison, der Vorsitzende des Democratic National Committee (DNC), bezeichnete „die Arbeit, die wir jetzt leisten müssen“, als „beispiellos, aber klar“. Harris persönlich gab sich zuversichtlich: „Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um die Demokratische Partei – und unsere Nation – zu vereinen, um Donald Trump zu besiegen“, so Harris. „Bis zum Wahltag haben wir noch 107 Tage. Gemeinsam werden wir kämpfen. Und gemeinsam werden wir gewinnen.“

Trump gegen…? Noch drei TV-Duelle

Die Republikaner hatten Donald Trump bereits in der vergangenen Woche auf ihrer „National Convention“ in Milwaukee offiziell zu ihrem Präsidentschaftskandidaten nominiert – kurz nach dem Attentat vom 13. Juli. Die National Convention der Demokraten geht vom 19. bis zum 22. August in Chicago über die Bühne.

Nach Angaben der FR hatte eine kürzlich durchgeführte Umfrage von „USA Today“ und der Suffolk University ergeben, dass nur 36 Prozent der befragten US-Amerikaner mit der Arbeit von Kamala Harris zufrieden waren. Etwas mehr als die Hälfte (52 Prozent) hätten sie eher kritisch gesehen.

Nach Angaben der „Wirtschaftswoche“ soll es im Wahlkampf noch vier Fernsehduelle geben, drei davon zwischen Trump und seinem demokratischen Gegner:

  • 16. September 2024: Duell der Präsidentschaftskandidaten in San Marcos (Texas)
  • 25. September 2024: Duell der Vize-Kandidaten in Easton (Pennsylvania)
  • 1. Oktober 2024: Duell der Präsidentschaftskandidaten in Petersburg (Virginia)
  • 9. Oktober 2024: Duell der Präsidentschaftskandidaten in Salt Lake City (Utah)

Die Amerikaner selbst sind am Dienstag, 5. November 2024, am Zug. Dann geht es nicht nur um die Wahl eines neuen Präsidenten, sondern auch um die Wahl von 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses. Neu gewählt werden auch 34 von 100 US-Senatoren.

Die Wähler können ihren neuen Präsidenten laut „Tagesschau“ aber nicht direkt wählen, sondern ihre Stimme lediglich für die Wahlleute in ihrem Bundesstaat abgeben. Daraus wird sich ein Pool von 538 Personen bilden, die das Electoral College bilden. Dieses Gremium wählt am 17. Dezember den Präsidenten.

Der US-Kongress wird traditionell erst am 6. Januar 2025 die Stimmen des Electoral College auszählen und bekannt geben. Mit der feierlichen Amtseinführung am 20. Januar 2025 („Inauguration Day“) in Washington kann der neue Präsident dann seine Amtsgeschäfte beginnen.

Biden zog Kandidatur zurück

Nach seinem Rückzug von der Kandidatur am Sonntagabend mitteleuropäischer Zeit hatte der weiter amtierende US-Präsident Joe Biden auf seinem X-Kanal die Werbetrommel für seine 59-jährige Vizepräsidentin Harris gerührt: Sie genieße seine volle Unterstützung und solle gegen Ex-Präsident Donald Trump (78) kandidieren.

Inzwischen verlängert sich die Liste ihrer Unterstützer praktisch stündlich: Nach Informationen der amerikanischen Epoch Times gehören sämtliche demokratischen Parteivorsitzenden in den 50 Bundesstaaten und Parteitagsdelegierte aus mindestens vier Staaten zu ihren Unterstützern. Ihre Loyalität hatten auch Ex-Präsident Bill Clinton und Ex-Außenministerin Hillary Clinton schnell zugesagt. Unter den Gouverneuren bekannten sich Josh Shapiro, Gavin Newsom und Philip D. Murphy (New Jersey) bereits offiziell zu Harris als passende Herausforderin von Donald Trump. Lediglich Ex-Präsident Barack Obama (62) zeigte sich zurückhaltender.



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