Bidens Präventivbegnadigungen: Ein historischer Präzedenzfall

Präsident Joe Biden sorgt mit einer Reihe von vorsorglichen Begnadigungen für Aufsehen. Familienmitglieder, politische Verbündete und Abgeordnete erhielten kurz vor seinem Amtsende weitreichende Straffreiheit.
Titelbild
Straffrei durch vorsorgliche Begnadigungen: Dr. Anthony Fauci (l.) und General Mark Milley.Foto: Win McNamee/Getty Images
Von 22. Januar 2025

Der ehemalige US-Präsident Joe Biden hat an seinem allerletzten Tag im Amt am 20. Januar mehrere vorsorgliche Begnadigungen ausgesprochen, auch für Familienmitglieder. Er erließ Begnadigungen für Dr. Anthony Fauci und den pensionierten General Mark Milley. Zudem begnadigte Biden Mitglieder des Ausschusses des US-Repräsentantenhauses, der die Unruhen vom 6. Januar 2021 untersucht hatte.

Eine vorsorgliche Begnadigung ist der US-Geschichte zwar eher selten, aber nicht ohne Präzedenzfall. Die meisten Begnadigungen werden nach einer Verurteilung oder einem Schuldbekenntnis ausgesprochen. In bestimmten Fällen wurden aber auch präventive Begnadigungen gewährt. Diese dienten vorwiegend der Regelung politisch sensibler oder rechtlich unklarer Angelegenheiten.

Vorsorgliche Begnadigungen – die vor einer formellen Anklage oder Verurteilung eingeräumt werden – werden gemäß Artikel II, Abschnitt 2 der US-Verfassung gewährt. „Der Präsident […] hat, außer in Amtsanklagefällen, das Recht, Strafaufschub und Begnadigung für Straftaten gegen die Vereinigten Staaten zu gewähren“, heißt es in dem Text.

Die Verfassung enthält zwar keinen spezifischen Verweis auf den Begriff „vorsorgliche Begnadigung“, Gerichtsurteile bestätigen aber deren Rechtmäßigkeit. So entschied der Oberste US-Gerichtshof im Fall „Ex parte Garland“ im Jahr 1866, dass die Begnadigungsbefugnis des Präsidenten unbegrenzt sei. Lediglich Fälle einer Amtsenthebung seien ausgenommen. Diese Befugnis soll sich auf „jedes dem Gesetz bekannte Vergehen“ erstrecken. Sie kann „entweder vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens oder während dessen Anhängigkeit oder nach Verurteilung und Urteil“ ausgeübt werden.

Biden: Kein Schuldeingeständnis

Das Weiße Haus veröffentlichte die Begnadigungen während der Amtseinführung von Präsident Donald Trump.

„Die Erteilung dieser Begnadigungen sollte nicht als Eingeständnis dafür missverstanden werden, dass sie sich an einem Fehlverhalten beteiligt haben“, sagte Biden in einer Erklärung des Weißen Hauses.

Ausschussmitglieder, Milley, Fauci begnadigt

Auch den Mitgliedern des Sonderausschusses des Repräsentantenhauses für den 6. Januar wurde eine Vorabbegnadigung gewährt. Zu diesen gehörten auch die ehemalige republikanische Abgeordnete Liz Cheney, Trump-Gegnerin und Tochter des ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney. Im Voraus begnadigte der Präsident auch Polizeibeamte, die vor dem Ausschuss ausgesagt hatten, als auch die Mitarbeiter des Gremiums.

Der Ausschuss wurde Anfang 2023 aufgelöst. Die Republikaner im Repräsentantenhaus untersuchen derzeit das Verhalten des Gremiums, das laut Sprecher Mike Johnson die Zerstörung und Manipulation von Beweisen beinhaltete.

Milley und Fauci wurden beide während ihrer Amtszeit kritisiert. Ersterer war von 2019 bis 2023 Vorsitzender des Vereinigten Generalstabs. Fauci war von 1984 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2022 Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases als auch De-facto-Corona-Sprechers der Regierungen Biden und Trump.

Milley gab zuvor zu, einem chinesischen General mitgeteilt zu haben, dass die USA China während der ersten Amtszeit von Trump nicht angreifen würden. Fauci wurde beschuldigt, unter Eid öffentlich bezüglich seines Wissens über die Rolle der USA in der sogenannten Gain-of-Function-Virenforschung in Wuhan, China, gelogen zu haben.

„Unerbittliche Angriffe und Drohungen“

Biden zufolge verdienten die begnadigten Personen es nicht, „Ziel ungerechtfertigter und politisch motivierter Strafverfolgung zu sein“.

Zu den Begnadigten gehörten auch mehrere Familienmitglieder Bidens.

Der Bruder des ehemaligen Präsidenten, James B. Biden, seine Schwägerin Sara Jones Biden, seine Schwester Valerie Biden Owens, sein Schwager John T. Owens und sein Bruder Francis W. Biden waren alle in die umfassende Begnadigung einbezogen.

Im vergangenen Monat erließ Biden eine umfassende Begnadigung für seinen Sohn Hunter Biden, der wegen Steuer- und Waffendelikten auf Bundesebene verurteilt werden sollte.

Seine Familie sei „unerbittlichen Angriffen und Drohungen“ ausgesetzt gewesen, sagte er bei der Bekanntgabe der Begnadigungen am 20. Januar. Diese wären ausschließlich von dem Wunsch getrieben, „mir zu schaden – die schlimmste Art von Parteipolitik. Leider habe ich keinen Grund zu der Annahme, dass diese Angriffe enden werden“, sagte Biden.

Mitglieder seiner Familie, sagte er, würden sich „grundlosen und politisch motivierten Untersuchungen“ durch die Regierung Trump gegenübersehen. Der Heimatschutzausschuss des Senats unter Führung der Republikaner hat Joe Bidens Geschäftsbeziehungen untersucht.

Die Begnadigungen bedeuten nicht, dass die Begnadigten nicht öffentlich oder privat kritisiert oder bedroht werden oder dass gegen sie keine staatlichen Ermittlungen oder möglicherweise Zivilklagen eingeleitet werden. Die Begnadigungen bedeuten jedoch, dass sie nicht wegen Bundesverbrechen angeklagt werden können.

Trump kritisiert Begnadigungen

Trump versprach in seiner Antrittsrede, die „unfaire Instrumentalisierung des Justizministeriums“ zu beenden.

„Nie wieder wird die immense Macht des Staates missbraucht werden, um politische Gegner zu verfolgen – etwas, wovon ich ein Lied singen kann“, sagte Trump. Er spielte damit auf die Strafanzeigen an, gegen die er in den vergangenen Jahren vor Gericht gekämpft hat.

Trump stellte die vorsorglichen Begnadigungen infrage, als er nach seiner Amtseinführung mit Anhängern sprach. Er fragte, warum Cheney und andere Mitglieder des Komitees Begnadigungen verdienten.

„Sie haben alle Informationen, die fast zwei Jahre lang gegen Trump vorlagen, zerstört und gelöscht. Und das haben sie getan, weil sie alle falsch waren“, sagte Trump.

Trump kritisierte auch die Begnadigung von Milley und nannte sie „schrecklich“. Das Verhältnis der beiden hat sich nach Milleys Aussage vor dem Sonderausschuss verschlechtert, und der General im Ruhestand hat sich seitdem sehr kritisch gegenüber Trump geäußert.

Von Washington bis Carter

Der kürzlich verstorbene Präsident Jimmy Carter begnadigte im Jahr 1977 pauschal alle, die während des Vietnamkriegs hätten beschuldigt werden können, sich der Einberufung entzogen zu haben. Die Begnadigung erfolgte, um möglichen rechtlichen Konsequenzen für diejenigen zuvorzukommen, die nicht in diesem Konflikt dienen wollten. Die Begnadigung galt nicht für diejenigen, die nach Beginn des Militärdienstes desertierten.

Nur wenige Jahre zuvor, im Jahr 1974, hatte Präsident Gerald Ford seinen Vorgänger Richard Nixon begnadigt. Dabei ging es um Verbrechen, die dieser während seiner Amtszeit begangen haben könnte. Diese Begnadigung war zwar umstritten, wurde aber als Versuch gewertet, die nationale Spaltung in den Monaten nach dem Watergate-Skandal zu überwinden.

Das Konzept der vorsorglichen Begnadigung geht auf das Jahr 1795 zurück. Zu jener Zeit begnadigte der damalige Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Präsident George Washington, mehrere Personen. Diese waren an der Whiskey-Rebellion beteiligt gewesen und hätten deswegen angeklagt werden können. Der Aufstand, der sich in Form gewaltsamer Proteste gegen die Bundessteuer auf Spirituosen äußerte, polarisierte die Nation. Diese hatte sich aber gerade erst von einer Revolution erholt, in der es hauptsächlich um Steuerfragen ging.

Washington gab den Ton für die Anwendung vorsorglicher Begnadigungen an. Ihm ging es darum, Strafverfolgungen zu verhindern, die die Spannungen in der jungen Nation hätten verschärfen können.

Weitere Beispiele für vorsorgliche Begnadigungen sind die Amnestie von Präsident Benjamin Harrison für Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Die Mormonen praktizierten Polygamie und verstießen damit gegen das Gesetz. Präsident Andrew Johnson begnadigte Soldaten und Anführer der Konföderation. Er wollte so die Versöhnung während der Reconstruction, die Phase der Wiedereingliederung der Südstaaten nach dem Bürgerkrieg, fördern.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „What to Know About Biden’s Preemptive Pardons“. (deutsche Bearbeitung jw)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion