Biden steigt aus US-Wahlkampf aus: Wie geht es weiter?
Findet der Nominierungsparteitag statt?
Biden hatte die internen Vorwahlen seiner Parteien bereits gewonnen und sich dort die nötigen Delegiertenstimmen für den Nominierungsparteitag gesichert, der vom 19. bis 22. August in Chicago im Bundesstaat Illinois stattfindet. Eigentlich sollte der 81-Jährige dort offiziell als Präsidentschaftskandidat gekürt werden.
Nach seinem Ausstieg aus dem Rennen sind die Delegierten in Chicago jetzt nicht mehr an den Ausgang der Vorwahl in ihrem Bundesstaat gebunden, sondern frei in ihrer Entscheidung.
Die Demokraten dürften so kurz vor der Wahl aber kein Interesse haben, einen offenen Konkurrenzkampf mehrerer Ersatzkandidaten zu starten und den Parteitag zum Austragungsort für ein Abstimmungsdrama zu machen. Wahrscheinlicher ist, dass sie versuchen, die Partei vorab hinter einer neuen Spitzenperson zu versammeln.
Hochrangige Demokraten hatten geplant, Biden bereits vor dem Parteitag in einer Online-Abstimmung nominieren zu lassen. Nach Bidens Rückzug ist unklar, ob dieses Treffen stattfinden wird. Die Nominierung des Ersatzkandidaten liegt schlussendlich in den Händen der Delegierten.
„Unsere Delegierten sind bereit, ihre Verantwortung ernst zu nehmen, um dem amerikanischen Volk schnell einen Kandidaten zu präsentieren“, betonte Parteichef Harrison und fügte hinzu, dass der Prozess durch die etablierten Regeln und Verfahren der Partei geregelt werde.
Wer könnte das Ruder übernehmen?
Eine offensichtliche, wenn auch nicht ausgemachte Wahl für Bidens Nachfolge wäre Vizepräsidentin Kamala Harris, der Biden kurz nach seiner Rückzugsankündigung den Rücken stärkte. Auch Ex-Präsident Bill Clinton und Ex-Außenministerin Hillary Clinton sprachen sich schnell für Harris aus.
Harris gilt als natürliche Nachfolge Bidens. Sie ist die erste Frau und die erste Schwarze, die den Eid als US-Vizepräsidentin abgelegt hat. Ihr Vater wanderte einst aus Jamaika ein, um Wirtschaft zu studieren. Ihre Mutter, eine Krebsforscherin und Bürgerrechtlerin, kam aus Indien. Die Demokraten bräuchten gute Gründe, Harris einfach zu übergehen.
Außerdem ist sie durch ihre Rolle bekannt. Harris hat alle Checks fürs Weiße Haus bereits durchlaufen und könnte wohl auf den Wahlkampfapparat und vermutlich auch auf gesammelte Spenden von Biden zugreifen – weil sie als Vize schon Teil von dessen Wiederwahlkampagne ist. Nun muss sie sich noch einen Vizekandidaten an ihre Seite holen.
Doch die 59-Jährige galt in ihrem Amt lange als blass und hatte mit schlechten Umfragewerten zu kämpfen. Angesichts von Bidens Hängepartie gewann sie zuletzt an Zuspruch. Biden selbst lobte Harris in den vergangenen Tagen öffentlich auffällig offensiv.
Gibt es Kandidaten neben Harris?
Neben der Vizepräsidentin könnte eine ganze Reihe demokratischer Politiker zu einer Kandidatur ermutigt werden. Die Gouverneurin Gretchen Whitmer aus Michigan und Gouverneur Josh Shapiro aus Pennsylvania wurden in der Vergangenheit genannt.
Newsom (56) ist Gouverneur des mächtigen Bundesstaates Kalifornien. Er hat sich national einen Namen gemacht und intensiv an seinem Profil gearbeitet, zuletzt unter anderem mit viel beachteten Auslandsreisen.
Whitmer (52) ist Gouverneurin von Michigan und gilt seit Längerem als aufstrebende Kraft in der Partei. Vor der Wahl 2020 hatte Biden sie als seine Vize in Erwägung gezogen. US-Medien zufolge sollen beide intern klargemacht haben, dass sie als mögliche Vize für Harris nicht zur Verfügung stehen.
Ein weiterer, als aussichtsreich geltender Kandidat, Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom, sprach sich noch am Sonntag für Harris als Präsidentschaftskandidatin aus.
Könnte ein Kandidat einer dritten Partei folgen?
Bidens Ausstieg aus dem Rennen könnte theoretisch auch die Tür für einen Kandidaten einer dritten Partei öffnen. Bisher droht den beiden dominanten Parteien im politischen System der USA aber keine Gefahr durch einen unabhängigen Kandidaten.
1992 kam der Milliardär Ross Perot aus Texas als Unabhängiger immerhin auf fast 19 Prozent der Stimmen. Aufgrund des Wahlsystems bekam er am Ende aber nicht eine der Stimmen, die bei einer Präsidentschaftswahl in den USA wirklich zählen, nämlich die des sogenannten Electoral College, dessen 538 Mitglieder am Ende über den Sieg entscheiden.
Gab es so etwas schon einmal?
Der späte Kandidatenwechsel könnte die US-Politik zurück in eine Zeit zurückversetzen, in der Parteibosse in verrauchten Hinterzimmern und endlosen Abstimmungsrunden darum rangen, einen Kandidaten zu bestimmen.
Am 31. März 1968 schockierte der damalige Präsident Lyndon Johnson die Öffentlichkeit mit seiner Ankündigung, nicht noch einmal antreten zu wollen. Der Schritt, mit deutlich mehr Vorlauf vor der Wahl angekündigt als Bidens Rückzug, verwandelte den damaligen Parteitag in eine politische Krise.
Es kam zu Protesten auf den Straßen und die Parteilinke war wütend über die Nominierung des Vietnamkriegbefürworters Hubert Humphrey. Im Anschluss an dieses Debakel nahmen die Bundesstaaten den Vorwahlprozess ernster und die Ergebnisse der Nominierungsparteitage stehen seither im Prinzip vorher fest. (afp/dpa/red)
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